Transgender im Leistungssport. Gerade jetzt, wo die Olympischen Spiele vor der Tür stehen, kann ein inflationärer Anstieg der Diskussionen darüber ausgemacht werden. Und wie bei so vielen Themen, welche die Welt in den letzten Jahren in ihren Bann ziehen, wird dieser Diskurs nur selten faktenbasiert und vernünftig geführt.

Klar nutzen Transphobe Dumpfbacken diese Problematik,um den menschenverachtenden Müll, der in ihren kranken Gehirnwindungen entsteht, auszukotzen.  Auf Facebook war das Foto einer Schwimmerin abgebildet, die auf ihrem Schwimmanzug im Schritt die Worte “Not a Dude!“, also “Kein Kerl!“ aufgedruckt hatte. Mit dem Überschrift, dass Transgender nichts im Frauen-Leistungssport verloren hätten. Abgesehen davon,dass diese Fotos, von denen mehrere in den Sozialen Medien herumgeistern, nachweislich gefälscht sind, entlarven die Kommentare unter dem Beitrag jene primitiven Verbal-Rabauken, die in der Regel sogar für den Weg auf die Toilette eine Anleitung brauchen. Hinter einem vermutlichen Fake-Profil versteckt, lässt es sich eben leicht hirnfurzen.

So, genug der negativen Anmache, gehen wir das Problem sachlich an: Schauen wir uns zunächst an, was das Internationale Olympische Komitee dazu beigetragen hat: Vor ein paar Jahren noch war das Regulativ dahingehend ausgerichtet, dass eine Transfrau (und hier geht es einzig um Transfrauen, Transmänner sind bei dieser Problematik, verständlicherweise, außen vor), die wettkampfmäßig im Frauensport teilnehmen möchte, über einen Zeitraum von mindestens 12 Monaten einen Gesamt-Testosteronlevel von unter 10 Nanomolpro Liter (nmol/l) aufweisen musste. Bevor sie zu einem Wettkampf zugelassen wurde. Dies wurde durch Testosteronblocker sowie gegengeschlechtlicheHormongaben erreicht, wie sie jede Transfrau, die nach Erbringung entsprechender psychologischer und psychiatrischer Gutachten eine Hormonbehandlung durchführt, kennt. Als Normbereich gilt bei Männern ein Gesamt-Testosteronspiegel von 12 bis 35 nmol/l. Zur Orientierung: bei Frauen gilt ein Gesamtwert von 0,4bis 2,0 nmol/l als Normwert. Der Hintergedanke der Reduktion des Testosteronwertes: Im Allgemeinen geht damit auch eine Reduktion von Muskelmasse und somit auch ein Verlust von Muskelkraft einher. Hier kann ich auch aus eigener Erfahrung berichten: Vor Beginn meiner Hormonbehandlung schaffte ich im Schnitt 35 Liegestütz in einem Stück, bevor es schmerzhaft wurde. Heute, ungefähr eineinhalb Jahre nach Beginn, bin ich froh, wenn ich auf 25 komme. Obwohl ich keine Testosteronblocker nehme, sondern lediglich gegengeschlechtliches Östrogen in Form von Gel und Tabletten zuführe. Der Kraftverlust ist also Tatsache. Diesbezüglich gibt es auch genügend internationale wissenschaftliche Studien. Die Frage, die sich stellt, lautet also nicht, ob tatsächlich ein Verlust der Muskelkraft eintritt, sondern ob dieser Verlust auch ausreichend ist, um eine absolute Chancengleichheit zwischen biologischen Frauen und Transfrauen herzustellen. Vermutlich eher nicht. Studien, welche genau diese Problematik wissenschaftlich hinterfragen, gibt es meines Wissens nach keine. Dabei wäre genau das ausschlaggebend und würde der internationalen Sportwelt und Transgender-Sportler weiterhelfen.

Ein weiteres Argument der Experten, die Transfrauen im Damen-Leistungssport ablehnend gegenüberstehen, ist, dass sich durch die Hormonbehandlung die Längenverhältnisse der Extremitäten und somit die für Transfrauen günstigere Hebelwirkungen nicht verändern. Meiner Meinung nach ein absolut nachvollziehbares Argument.

Diesen Argumenten folgend, hat der Leichtathletik-Weltverband World Athletics im März 2023 alle Transfrauen, die eine männliche Pubertät durchgemacht haben, vom Damen-Leistungssport ausgeschlossen. Andere Sportverbände wie der Internationale Schwimmverband World Aquatics und der Internationale Radsportverband UCI sind diesem Beispiel gefolgt. Der Tenor lautete, um die Integrität der weiblichen Kategorie zu wahren. 

Die Krux an der Sache: vermutlich gibt es Sportarten, bei denen der vermeintliche Vorteil des ursprünglich maskulinen Körpers enden wollend ist. Nämlich bei solchen, wo eher Geschick gefragt ist als reine Athletik. Daher müsste auch im Einzelfall von Sportart zu Sportart entschieden werden. Und genau hier liegt das Problem: wissenschaftlich nachvollziehbare Studien zu dieser Thematik gibt es noch keine. Um Inklusion zu fördern, ohne dabei die Fairness gegenüber biologischen Frauen außer acht zu lassen, sollten wissenschaftliche Arbeiten hier ansetzen.

Als ehemaliger Leistungssportler (ich verwende hier absichtlich die männliche Bezeichnung, denn damals war von Transition, geschweige denn von Hormontherapie, noch keine Rede) könnte ich mir nicht vorstellen, als Transfrau in der Damen-Kategorie teilzunehmen. Ich könnte mich einfach über eine gute Leistung nicht freuen. Weil ich mir eben nicht sicher sein könnte, dass alles fair abläuft. In manchen Verbänden gibt es Bestrebungen, offene Klassen einzuführen, in denen auch Transfrauen starten können. Das finde ich in Ordnung, solange die Chancengleichheit nicht 100%ig gesichert ist.

Natürlich argumentieren LGBTI-Organisationen, dass mit dem Ausschluss von Transfrauen vom Damen-Leistungssport Transgender davon abgehalten werden, Sport zu betreiben oder überhaupt mit Sport zu beginnen. Diese Argumentation halte ich für vernachlässigbar. Die meisten Transgender beginnen ihre Transition erst in einem Alter, in dem eine Leistungssport-Karriere in der Regel bereits beendet ist. Und wenn ich tatsächlich schon vorher weiß, dass ich eine Transition anstrebe, muss eben eine Entscheidung getroffen werden. Warte ich, bis ich meine Leistungssportkarriere beendet habe, oder beende ich diese früher, um mit der Transition zu beginnen? Klar sind das einschneidende Schritte, aber es ist einfach nicht fair, nur egoistisch an sich selbst zu denken. Und Frauen um die Möglichkeit zu bringen, sich im fairen Wettkampf zu messen.

Michael Luenen https://pixabay.com/de/photos/wasserfall-regenschirm-natur-4751586/

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