„Jo ist denn heit scho Weihnachten?“

Wer erinnert sich nicht an die nervige Werbung mit Franz Beckenbauer für einen deutschen Mobilfunk-Anbieter. Die haben sich inzwischen auch erledigt. Sowohl die Werbung als auch der Anbieter.

Aber es ist tatsächlich wieder soweit. Auch wenn die heurigen Weihnachten ganz klar überschattet werden vom unsäglichen Virus und den sozialen Einschränkungen. Abstand ist angesagt. Und Hand aufs Herz: wer hätte noch vor einem Jahr gedacht, dass das Wort „Babyelefant“ einmal derart negative Assoziationen hervorrufen würde?

Der Weihnachtsspirit ist offenbar trotzdem nicht totzukriegen. Kekse werden herumgereicht. Man trifft sich zum Punschtrinken. Natürlich draussen. Und um ein wenig Nervenkitzel zu verspüren, wird der alkoholfreie Punsch mit selber mitgebrachtem Rum gestreckt. Das beschert uns ein kleines Gefühl von Freiheit und Rebellion und die Genugtuung, es „denen da oben“ jetzt aber ganz schön gezeigt zu haben. Alles lassen wir uns eben auch nicht verbieten. Wo kämen wir da hin?

Die große Frage, die uns dieses Jahr zu Weihnachten beschäftigt, ist jene nach der Gestaltung des Heiligen Abends. Nur im kleinen Kreis? Oder doch die alljährliche große Familienzusammenkunft? Natürlich könnte man leichtfertig sagen, wir verzichten dieses Jahr auf die große Feier. Es gibt schlimmeres. Was aber wenn Großeltern dabei sind, für die es nicht absehbar ist, wieviele Weihnachten sie noch erleben? Dann muss schon genau abgewogen werden. Klar, wenn sie sich auf der Feier mit dem Virus anstecken, steigt die Gefahr, dass es tatsächlich das letzte Weihnachtsfest gewesen ist, eklatant. Andererseits können wir genau diese Gefahr reduzieren, indem wir uns unmittelbar vor dem Fest testen lassen. Ich habe den Test bereits über mich ergehen lassen. Da gibt es nun wirklich schlimmeres. Abgesehen von einem leichten kitzeln in der Nase spürt man nix. Trotz meiner kaputten Nebenhöhlen. Der ganze Spuk ist schnell erledigt.

Für viele stellt sich außerdem die Frage, an welchem Tag bei den eigenen und an welchem bei den Schwiegereltern gefeiert wird. Zum Glück haben wir ja auch noch den 25. Dezember von der Regierung zur Verfügung gestellt bekommen. Sowas von kulant und lieb. Nicht auszudenken, wäre schon der 25. Dezember zum Start des Lockdowns erklärt worden. Dramen hätten sich abgespielt, weil man sich für eine Seite der Familie hätte entscheiden müssen. Die anderen hätten gute Miene zum bösen Spiel gemacht, aber eine Kränkung wäre wohl trotzdem nicht ausgeblieben.

Mir ist das egal. Für mich sind diese Weihnachten die dritten en suite, die ich als Single verbringe. Nein, kein Mitleid bitte. Ich leide nicht. Hab’s heuer nochmal probiert mit einer Beziehung und bin kläglich gescheitert. Hat etwas gedauert, aber inzwischen genieße ich die Vorteile des Alleine-Seins. Wobei eben zwischen Alleine-Sein und Einsam-Sein unterschieden werden muss. Führt die Beziehungslosigkeit zu Einsamkeit, ist Vorsicht angebracht. Denn da ist der Weg zur Depression ein kurzer. Aber einsam fühle ich mich nicht. Natürlich wünscht man sich ab und zu jemand zum Kuscheln. Aber wenn ich keine anderen Probleme hab, kann ich gut damit leben. Freunde sorgen dafür, dass mir nicht langweilig wird, und es gibt genug zu unternehmen. Im Normalfall. Klar macht einem Corona auch hier einen Strich durch die Rechnung. Aber die Chancen stehen gut, dass der Wahnsinn in absehbarer Zeit ein Ende findet.

Ausserdem nimmt die Bereitschaft, mein Leben auf und mit einem anderen Menschen abzustimmen, mit zunehmender Dauer meines Single-Daseins kontinuierlich ab. Keine Kompromisse mehr. Egoistisch? Mag sein. Aber es ist nun mal mein Leben! Und ich muss damit klarkommen. Niemand anderes.

Und auch um Geschenke muss sich ein Single weniger Gedanken machen. Überhaupt bei einer einfallslosen Person wie mir. Ausser in dem seltenen Fall dass ich ganz genau weiß was sich die Person wünscht, bin ich schon seit geraumer Zeit dazu übergegangen Gutscheine zu schenken. Eine Ahnung, in welcher Richtung die Interessen der Beschenkten Person liegen, ist natürlich vorhanden. Und mit einem Gutschein für ein spezifisches Fachgeschäft, dass diese Interessen bedient, kann nicht viel falsch gemacht werden. Natürlich fehlt bei einem Gutschein irgendwie die persönliche Note. Andererseits macht meiner Meinung nach damit das Schenken am meisten Sinn. Und eine persönlich gestaltete Grußkarte kann ja immer noch hinzugefügt werden.

Noch besser ist natürlich das sogenannte „Wichteln“, dass sich in meiner Familie in den letzten Jahren durchgesetzt hat. Wer noch nichts davon gehört hat, hier eine kurze Erklärung: Die Familie trifft sich zeitgerecht vor Weihnachten. Zeitgerecht, um genügend Spielraum für die Beschaffung eines Geschenks zu haben. Es werden kleine Zettel vorbereitet, und auf jeden Zettel wird der Name eines Familienmitglieds geschrieben. Schließlich zieht jede(r) einen Zettel, und diese Person wird zu Weihnachten von einem beschenkt. Natürlich darf man sich nicht selber ziehen. Da es in den meisten Familien unterschiedliche Einkommensverhältnisse gibt kann man auch noch einen maximalen Betrag festlegen, den der Wert des Geschenkes nicht übersteigen darf. Um Eifersüchteleien von vornherein einen Riegel vorzuschieben.

Eine Herausforderung kann das Festtags-Menü darstellen. Zunächst mal sollte es klarerweise „Bio“ sein. Obwohl, wenn der Festtagsbraten aus Argentinien kommt und dessen ökologischer Fußabdruck die Größe des Parkplatzes der SCS aufweist, ist die Hinterfragung der Sinnhaftigkeit von Bio durchaus legitim. Zumindest für in Europa beheimatete Konsumenten. Und dann gibt es ja noch die verschiedensten Lebensmittelunverträglichkeiten. Ich bin als laktoseintoleranter Mensch leider Teil dieses Problems. Mein Mitgefühl gilt all meinen Leidensgenossen und besonders jenen, die gleich multiple Unverträglichkeiten ihr eigen nennen. Zum Glück hat sich der Handel darauf eingestellt und die betroffenen Personen als neue Zielgruppe auserkoren. Ich empfinde das als wirklich hilfreich und lebenserleichternd.

Ein ganz wesentlicher Punkt wird natürlich auch die Wahl des Outfits. Endlich wieder mal so richtig herausputzen, mit einem festlichen Kleid. Und beim Make up bitte nicht kleckern, sondern so richtig klotzen. Gerade in Zeiten wie diesen, wo Veranstaltungen mit einem passenden festlichen Charakter allzu oft der Corona-Bitch zum Opfer fallen, entwickeln derartige Lichtblicke einen existentiellen Charakter. Speziell für Tussis wie mich.

Wie auch immer Weihnachten für euch aussehen mag, ich hoffe, dass ihr die Festtage heil übersteht. Dass die Corona-Bitch nicht plötzlich als ungebetener Gast mit am gedeckten Tisch sitzt. Um euch danach in die Knie zu zwingen. Sozusagen als Neujahrsgruß. Das braucht wirklich niemand. Also passt bitte auf euch auf. Habt trotzdem ein besinnliches und frohes Fest.

Bis zum nächsten Jahr.

Eure Jessi

pixabay/geralt https://pixabay.com/de/illustrations/weihnachtskarte-weihnachten-574742/

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