3. Lektion: Gendern macht die deutsche Sprache hässlich und kompliziert
Ich weiß, dass es im Augenblick drängendere Themen gibt als das Gendern von Sprache. Ich beschäftige mich trotzdem weiter damit, weil ich glaube, dass uns dieses Thema noch länger beschäftigen wird und beschäftigen muss.
Ein Angestellter des Baseler Gesundheitsdepartements protokolliert die Sitzung eines Ausschusses und liefert folgenden Text ab (Auszug):
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„Bereits die mildeste und häufigste Form des Trennung einer ‚Rolle des Verantwortungstragens‘ (Arzt) von einer ‚Rolle des sich-Anvertrauens und sich-Unterordnens‘ (Patient) reduziert die Eigenverantwortlichkeit, mit der der Patient Entscheidungen in Bezug auf seine Gesundheit trifft. Damit werden der ‚beratende Arzt‘ zum entscheidenden Arzt. In bestimmten Situationen hat der Patient und der Arzt natürlich keine andere Wahl (zum Beispiel bei einer Notfallbehandlung eines Bewusstlosen). Doch bereits die Entscheidung, ob ein vom Arzt empfohlener Wahleingriff durchgeführt werden soll, will der mündige Patient in Eigenverantwortlichkeit selbst treffen. Demgegenüber nimmt der unmündige Patient seine Eigenverantwortlichkeit nicht wahr, ohne dass er durch zwingende Gründe daran gehindert würde.“
Das ist ein recht sperriger Text, wie er in Verwaltungen und Behörden jedoch an der Tagesordnung ist, er ist aber noch einigermaßen verständlich. Der Protokollant hat selbstverständlich die generischen Formen benutzt:
der Arzt, die Ärzte, Ärzte
= Menschen, die den Arztberuf ausüben, Sexus spielt keine Rolle
der Patient, die Patienten, Patienten
= Menschen, die in ärztlicher Behandlung sind, Sexus spielt keine Rolle
der Bewusstlose, eines Bewusstlosen
= Mensch, der das Bewusstsein verloren hat, Sexus spielt keine Rolle
Nach kurzer Zeit bekommt er den Text zurück mit der Anweisung: „In dieser Behörde wenden wir laut Beschluss vom Soundsovielten die gendergerechte Sprache an. Bitte benutzen Sie die aktuellen Gender-Anweisungen!“
Der Angestellte grummelt vor sich hin, aber er setzt sich an seinen Schreibtisch, und nach geraumer Zeit entsteht folgender Text:
„Bereits die mildeste und häufigste Form der Trennung einer ‘Rolle des Verantwortungstragens’ (Arzt/Ärztin) von einer ‘Rolle des sich-Anvertrauens und sich-Unterordnens’ (Patient/in) reduziert die Eigenverantwortlichkeit, mit der der/die Patient/in Entscheidungen in Bezug auf seine/ihre Gesundheit trifft. Damit wird der/die ‘beratende Arzt/Ärztin’ zum/zur ‘entscheidenden Arzt/Ärztin’. In bestimmten Situationen haben der/die Patient/in und der/die Arzt/Ärztin natürlich keine andere Wahl (zum Beispiel bei einer Notfallbehandlung eines/einer Bewusstlosen). Doch bereits die Entscheidung, ob ein vom/von der Arzt/Ärztin empfohlener Wahleingriff durchgeführt werden soll, will der/die mündige Patient/in in Eigenverantwortlichkeit selbst treffen. Demgegenüber nimmt der/die unmündige Patient/in seine/ihre Eigenverantwortlichkeit nicht wahr, ohne dass er/sie durch zwingende Gründe daran gehindert würde.“
Bei diesem zweiten Text handelt es sich um das Original des Protokolls!
Ich habe bewusst ein Textbeispiel aus einer Behörde ausgewählt, weil dort (und nicht nur in Basel!) die Frauen- und Gleichstellungsbeauftragten die Deutungshoheit über die Sprache und das Sprechen übernommen haben. Dasselbe gilt für Universitäten, Kirchen, Gewerkschaften und manche Parteien (wobei auch bei den Grünen etwa 60% das Gendern ablehnen!). Die sprachfeministische Lobby hat es geschafft, die Kritiker und Verweigerer des Genderns in diesen Institutionen in den moralischen Schwitzkasten zu nehmen und mit Sanktionen zu drohen. Hätte der Angestellte das Gendern verweigert, wäre er mindestens abgemahnt worden. Er wäre von Kolleginnen geschnitten worden, und wahrscheinlich hätte man ihm Etiketten wie „frauenfeindlich“, „reaktionär“, „gestrig“ aufgeklebt, vielleicht sogar „rechts“. Das ist alles nicht strafbar, aber es vergiftet die Atmosphäre und den Diskurs.
Als Kritiker des Genderns habe ich folgende Fragen dazu:
- Liest sich dieser Text noch flüssig? Animiert er zum Lesen? (Machen Sie einen Versuch!)
- Können Menschen, die mit der Sprache Schwierigkeiten haben, diesen Text einigermaßen lesen und verstehen? (Machen Sie einen Versuch und lassen Sie einen bildungsfernen Menschen den Text lesen!)
- Ist ein solcher Text für Menschen, deren Muttersprache nicht Deutsch ist oder die gerade Deutsch lernen, ansprechend? (Machen Sie den Versuch und legen Sie den Text einem Menschen vor, der gerade Deutsch lernt!)
- Worin besteht hier der Gewinn für mehr Geschlechtergerechtigkeit? (Machen Sie einen Versuch und fragen Sie Menschen auf der Straße!)
Nun ist die Baseler Gender-Variante nicht die einzige, die im Umlauf ist, sie ist auch schon etwas älter. Je nachdem, welche Feminismus-Fraktion man befragt, gibt es zurzeit andere Formen des Genderns (Gender_Gap, Binnen-I, /innen, x, a usw.). Die aktuellste und „gendergerechteste“ würde wahrscheinlich so aussehen:
„Bereits die mildeste und häufigste Form des Trennung einer ‚Rolle des Verantwortungstragens‘ (Ärzt*in) von einer ‚Rolle des sich-Anvertrauens und sich-Unterordnens‘ (Patient*in) reduziert die Eigenverantwortlichkeit, mit der die Patient*innen Entscheidungen in Bezug auf ihr*e Gesundheit treffen. Damit werden die ‚beratende Ärzt*in‘ zur entscheidenden Ärtz*in. In bestimmten Situationen hat die Patient*in und die Ärzt*in natürlich keine andere Wahl (zum Beispiel bei einer Notfallbehandlung eine*r Bewusstlos*en). Doch bereits die Entscheidung, ob ein von der Ärzt*in empfohlender Wahleingriff durchgeführt werden soll, will die mündige Patient*in in Eigenverantwortlichkeit selbst treffen. Demgegenüber nimmt die unmündige Patient*in ihr*e Eigenverantwortlichkeit nicht wahr, ohne dass sie durch zwingende Gründe daran gehindert würde.“
Ich habe diese Variante erfunden. Ich bitte alle Genderistinnen, mich zu beraten, wie denn die richtige (oder eine richtigere) Form auszusehen hätte. Außerdem bitte ich um eine Sprachnachricht, damit ich hören kann, wie denn das Ganze klingt, wenn es vorgelesen wird.
Mein Fazit: Gendern macht die deutsche Sprache nicht „gerechter“, sondern hässlicher und komplizierter. Sprachökonomie und Sprachästhetik werden der feministischen Agenda untergeordnet. Wenn ich das in Diskussionen äußere, bekomme ich zur Antwort: „Du wirst dich daran gewöhnen müssen.“ Meine Antwort: „Nein, ich werde mich nicht daran gewöhnen. Und schon gar nicht müssen.“
Als ich mit meiner italienischen Freundin Carla, die gerade Deutsch lernt, über das deutsche Gendern sprach, lachte sie laut und sagte: „Siete pazzi, voi tedeschi!“ (Ihr seid bescheuert, ihr Deutschen!) Und dann fügte sie noch hinzu: „Che merda!“ (Keine Übersetzung nötig). Carla würde jedem die Augen auskratzen, der es wagen würde, ihr geliebtes Italienisch so zu behandeln.
Hat Carla recht? Sind wir Deutsche bescheuert? Ja und nein. Nicht DIE Deutschen sind dafür verantwortlich, sondern eine kleine Minderheit aus dem akademischen Umfeld, die der Mehrheit eine feministische Agenda überstülpen will und dabei moralischen und politischen Druck ausübt. Einige willige Helferinnen und Helfer unterstützen sie eifrig, weil sie alle zusammen wenig Ahnung von Sprache, aber dafür umso mehr von „richtiger“ Gesinnung haben. Einige, vor allem Politiker, machen auch aus Opportunismus mit, weil sie es sich mit der Frauenlobby nicht verderben wollen.
Ich wünsche mir, dass in Zukunft vor allem Frauen den Mut haben, sich dem Gendern zu verweigern oder (noch besser) die Genderisten dazu auffordern, in einen Diskurs einzutreten und sich einer fundierten Kritik zu stellen. Ich stelle mich gerne als Diskutant zur Verfügung.