Es reicht! Ab in die Vorstadt mit dem Strache-Ball.

54 Festnahmen, zehn Verletzte, Böller, bengalische Feuer, Eskalationen mit Vermummten, aber auch 5.000 großteils friedlich Demonstrierende auf den Straßen und keine groben Ausschreitungen wie im Vorjahr. Der Akademikerball 2015 und der Protest vor den Türen der Hofburg gehen als Kräftemessen ohne tragischen Ausgang in die Geschichtsbücher ein. Die Polizei verhinderte mit dem rekordverdächtigen Aufmarsch inklusive Wasserwerfer, Helikopter, Spezialeinheiten und einer vorwiegend deeskalierenden Strategie brutale Szenen wie 2014. Das ist ein wichtiges Zeichen, weil die öffentliche Sicherheit in Wien auch an so einem Tag garantiert sein muss. Aber diese Perspektive greift zu kurz.

Erstens ist der Preis für etwa zwölf Stunden Sicherheit zu hoch. Die Polizei investierte mindestens 1,5 Millionen Euro. Umgerechnet auf die laut Veranstalter kolportierten 1.200 Ballgäste in der Hofburg heißt das, dass ein Ballgast um 1.250 Euro Steuergeld geschützt wurde. Die Rechnung ist möglicherweise naiv, aber durchaus zulässig, weil sie aufzeigt, wie absurd die Diskussion zum Akademikerball in diesem Land geführt wird und wie nachlässig die Republik agiert. Und das eigentliche Problem unter den Tisch gekehrt wird.

Es ist für mich ein Armutszeugnis, dass die rechte Gesinnungsgemeinde diesen Ball seit Jahren in der Hofburg, dem ehrwürdigsten Veranstaltungsort Österreichs, abhält. Es ist zum Schämen, dass Burschenschafter mit Schmiss im Gesicht, Schärpen und Mützen in diesem geschichtsträchtigen Umfeld tanzen dürfen. Dass die ganze Stadt stundenlang still steht, dass Demonstranten aus dem Ausland, bewaffnet mit Messern, Schlagringen und Sturmhauben, nach Wien reisen, dass Mütter Angst haben müssen, an diesem Nachmittag ihre Kinder zum Musikunterreicht in der Innenstadt zu schicken und dass sich Touristen zu Recht fragen, ob Wien wirklich zu einer der lebenswertesten Städte Europas zählt.

Der "Erfolg" der Polizei, wenn er denn bei 54 Festnahmen und 10 Verletzten wirklich ein solcher ist, birgt die Gefahr in sich, dass wieder nichts passiert. Dass ein Jahr vergeht und sich ganz Österreich am 30. Jänner 2016 erneut fragen muss: Warum?

Es gibt nur eine Lösung: Der Akademikerball von Heinz-Christian Strache, der heuer trotz Abwesenheit echter rechter Granden weiter ein hochgefährliches Vernetzungstreffen der europäischen Rechten ist, gehört endlich raus aus der Hofburg.

Dieser Ball gehört an die Peripherie der Bundeshauptstadt, in einen Veranstaltungsort weit weg vom Zentrum Wiens, weg vom geschichtsträchtigen Heldenplatz. Die rechte Lobby im Hintergrund hat es schon viel zu lange geschafft, sich in diesem imageträchtigen Ort zu halten.

Stutzig macht nicht, dass so viele Leute auf die Straße gehen. Stutzig macht nicht, dass sie den Ball verhindern wollen. Stutzig macht nicht, dass die Polizei wegen drohender Gewalt mit dieser Mannstärke auftritt und der Bevölkerung dieses Mal beweisen musste, dass sie gerüstet ist. Stutzig macht, dass der Ursprung, der Akademikerball selbst, konstant in der Hofburg seine Heimat findet.

Es ist unverständlich, dass weder der Bundespräsident noch der Bürgermeister oder letzten Endes die "Wiener Kongresszentrum Hofburg Betriebsgesellschaft" als Vermarktungsinstanz auf den Tisch hauen. Wenn der Ball in die Vorstadt wandert, wird der Protest hoffentlich nicht weniger. Aber es wäre ein erster Schritt, diesen Blutfleck Österreichs zu bekämpfen. Und es wäre ein wichtiger Impuls für diese Stadt, um endlich mit dieser dunklen Tradition des Akademikerballs zu brechen.

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Silvia Jelincic

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fischundfleisch

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