Es war nur eine Frage der Zeit: Kurz nach dem Attentat auf „Charlie Hebdo“ veranlasste Innenministerin Johanna Mikl-Leitner (ÖVP) Schwerpunktaktionen bei den Ausfahrtstraßen und ließ die Präsenz der Polizei auf öffentlichen Plätzen erhöhen. Jetzt will sie eine Sicherheitsoffensive mit schwer gepanzerten Fahrzeugen für Einsatzkräfte, größeren Hubschraubern und strengeren Kontrollen für Rückkehrer angehen.
Das ist alles sehr löblich, immerhin sieht der renommierte Terrorismus-Experte Rolf Tophoven für Österreich „eine erhöhte Terrorgefahr“. Ein Land, das durch den Flughafen Wien-Schwechat so etwas wie ein Knoten für Jihadisten aus Europa am Weg nach Syrien oder den Irak ist, darf nach Paris auch nicht in Passivität erstarren.
Aber: Dass Mikl-Leitner rund um das Innenminister-Treffen am Sonntag in Paris wieder die Vorratsdatenspeicherung (VDS) ins Spiel bringt, ist inakzeptabel.
Nein, Frau Ministerin, wir sind nicht alle kriminell und Terroristen. Nein, wir wollen nicht, dass unsere privaten Daten ohne Anlass gespeichert werden. Nein, wir wollen nicht, dass die Pressefreiheit eingeschränkt wird und Gespräche mit Informanten, die selbst viel riskieren und Details über Versäumnisse ausplaudern, vom Staat gespeichert und eine Veröffentlichung verhindert wird. Nein, ich will als Journalist nicht überlegen, ob ich ein Gespräch annehme, wie ich etwas formuliere, ob ich jemand anrufen kann, weil das Gespräch aufgezeichnet wird.
Es ist das Ziel von Terroristen, Grundwerte wie Freiheit zu zerstören. Aber wer Freiheit einengt, gibt dem Terror Recht. Und wer so agiert, unterwirft sich dem Bösen.
Ganz zu schweigen, dass Frankreich seit Jahren Vorratsdatenspeicherung betreibt und die Katastrophe trotzdem passierte. Ganz zu schweigen, dass VDS technisch via Skype oder Whatsapp oder Wertkartenhandys ganz einfach umgangen werden kann. Ganz zu schweigen, dass die geschätzten 15 Millionen Euro pro Jahr (Schätzung aus 2012) in andere Kanäle investiert werden soll: Der Verfassungsschutz muss personell ausgebaut werden und zwar nicht nur um 20 Kräfte wie seit vergangenem Herbst. Der Staatsschutz muss noch enger mit Spezialkräften ausländischer Geheimdienste zusammenarbeiten. Es braucht mehr Aufklärungsarbeit an den Schulen mit Vorträgen über die Gefahr des Jihadismus und Psychologen, die Schülern helfen, die Problematik zu verstehen. Es braucht mehr Stellen, an die sich besorgte Erziehungsberechtigte wenden können, nicht bloß eine Telefonnummer. Und es braucht mehr Präsenz der Polizei auf den Straßen, die Zusammenlegung von Dienststellen ist genau der falsche Weg.
Für Johanna Mikl-Leitner ist der Kampf gegen den Terror eine Gratwanderung zwischen notwendigen Maßnahmen und Panikmache. Passiert etwas in Österreich, wird sie zur Rechenschaft gezogen.