Traiskirchen: Die undurchsichtige Rolle der Betreiberfirma ORS

Die grausamen Bilder aus der Erstaufnahmestelle Traiskirchen dringen täglich tief in unsere Herzen und machen uns wütend: Wir sehen Babys, die auf nichts außer auf Decken am Boden kauern müssen, egal ob bei 37 Grad Hitze oder bei Regenfällen. Wir sehen Schlangen von hungrigen Menschen, die stundenlang um Essen anstehen müssen, das ihnen nicht schmeckt. Wir sehen eine völlig überfüllte Betreuungsstelle – trotz Aufnahmestopps. Die Flüchtlinge selbst bezeichnen Traiskirchen längst als „Staat im Staat“ und was wirklich hinter den hohen Zäunen passiert, lässt sich nur erahnen. Flüchtlinge erzählen von schrecklichen hygienischen Verhältnissen und Gerüchte über Diebstahl, Schlägereien, Drogenhandel und durchs Lager ziehende Gangs halten sich seit Wochen hartnäckig. Die Politik ist seit Monaten auf allen Ebenen überfordert. Weder das Innenministerium, die Bundesländer noch die Gemeinden schaffen es, die Massenobdachlosigkeit zu verhindern.

Glaubt man den Flüchtlingen, dann hat die triste Lage auch mit der Betreuung vor Ort zu tun. In einem Video von „Artbliss“ beklagt eine Frau die fehlende Informationskultur im Lager, sie weiß nicht, an wen sie sich wenden soll. Mehrere Schutzsuchende sprechen gegenüber Medien immer wieder von fehlender oder mangelhafter Betreuung – und immer wieder fällt dabei ein Name. Die kollektiven Vorwürfe richten sich gegen die private Betreiberfirma ORS (Organisation für Regie und Spezialaufträge), die sich seit 2012 in Zusammenarbeit mit dem Bund um die Flüchtlinge kümmern soll. Die Aktiengesellschaft mit Hauptsitz in Zürich und Büro in Döbling ist laut Gesetz „ausschließlich für die Betreuung der Flüchtlinge in den Betreuungsstellen zuständig“ und beschäftigt in Traiskirchen aktuell 140 Mitarbeiter, darunter Sozialarbeiter und Psychologen.

Die Details dieser „Dienstleistung“ sind jedoch undurchsichtig und nicht nachvollziehbar. Erstens: Um den Auftrag zu bekommen, musste die ORS im Jahr 2011 ein Betreuungskonzept vorlegen – und hat es bis heute nicht geändert. Obwohl sich die Zahl der Asylwerber seit 2011 mehr als verdoppelt hat und teilweise auf 4.600 Flüchtlinge gestiegen ist, „wurde das Betreuungskonzept nicht adaptiert“, wie aus einer aktuellen parlamentarischen Anfrage der Grünen Alev Korun hervorgeht. Aus dem Ministerium heißt es dazu offiziell, dass ORS zumindest die Quantität der Betreuer nach oben korrigiert hat. Zweitens: ORS wird durch Steuergeld finanziert, die Gesamtaufwendungen in vier Betreuungsstellen (eine nur für Traiskirchen ausgewiesene Zahl gibt es nicht) betrug 2014 fast 21 Millionen Euro. Doch trotz offensichtlicher Überforderung wurde das Konzept bisher nicht veröffentlicht. Warum, ist unklar. Drittens: Die Einhaltung der Leistung von ORS wird durch das Innenministerium laufend überprüft, aber trotz der schrecklichen Zustände beurteilt der Bund die Tätigkeit von ORS positiv: „Der Bund ist mit der Dienstleistung von ORS zufrieden. Dass man in der Betreuung an Grenzen stößt, ist nicht die Schuld von ORS, sondern das liegt an den fehlenden Räumlichkeiten“, heißt es dazu von einem Ministeriumssprecher.

Für die Betroffenen in Traiskirchen wird sich kurzfristig nichts ändern, trotzdem muss die undurchsichtige Rolle des Schweizer Privatanbieters genau überprüft werden – schon alleine deshalb, weil die ORS mit einem unbefristeten Vertrag ausgestattet ist.

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