Stell dir vor, es ist ÖH-Wahl, und keiner geht hin: allzu viel Imaginationskraft dürfte es zur Vergegenwärtigung dieser Situation nicht brauchten, wird sich eben dieses Szenario doch in Kürze (wieder einmal) in dieser Form über die Bühne gehen. Am 19. Mai wird das offizielle Vertretungsgremium der Studierenden neu gewählt, wobei sich der Grad der Erneuerung tatsächlich in Grenzen halten dürfte. Alles deutet darauf hin, dass der regierende Linksblock aus Sozialisten (VSSTÖ), Grünen (die unter dem bezeichnenden Namen GRAS firmieren) und den ihnen zuordenbaren Steigbügel-Splittergruppen auch in Zukunft nach Belieben schalten und walten wird können, notdürftig legitimiert durch eine überschaubare Wahlbeteiligung von unter 30%. Für dieses Jahr haben sich bisher 5000 Studierende auf Facebook als voraussichtliche Wahlgänger deklariert - da bleibt weiterhin Luft nach oben.
Woher aber rührt der mangelnde Enthusiasmus der Studierenden, bei der Auswahl ihrer Repräsentanten mitzuwirken? Immerhin ist es im objektiven Interesse aller Studierenden, mit einer schlagkräftigen Vertretung ausgestattet zu sein, die aktiv in der Gestaltung des Hochschulbetriebes mitwirkt. Ein Verweis auf eine vermeintliche, generelle Politikverdrossenheit der Jungen greift zu kurz und ist empirisch auch nur bedingt haltbar. Wahrscheinlicher mutet da schon ein anderer Grund an, namentlich weniger Politik- als vielmehr Ideologieverdrossenheit, ist die ÖH doch mittlerweile in den Augen vieler Studierender allzu weit von ihrem formalen Daseinszweck als überparteiliches Repräsentationsorgan für alleStudierenden abgerückt und zu einer ideologischen Spielwiese für Schmalspurrevolutionäre und ideologietrunkene Propagandisten verkommen. Dies manifestiert sich unter anderem in der unverhohlen erzlinken Ausrichtung der ÖH, die sich wie ein roter Faden durch viele ihrer Projekte und Forderungen (NO-WKR-Demos, Couleurverbot, Café Rosa, etc.) zieht und auch als Grundkonstante für ihre diversen Verlautbarungsorgane ("progress", "Unipress", "Unique", etc.) dient, die inhaltlich irgendwo zwischen "Pravda" und "Falter" und qualitativ zwischen "Taz" (immerhin!) und "Bravo" oszillieren.
Viele Studierende fühlen sich von den imperativ vorgetragenen politischen Parolen, die die ÖH nie zu betonen müde wird, vor den Kopf gestoßen und haben die ideologische Dauerbeschallung durch VSStÖ und GRAS satt, zumal diese sich nicht in theoretischen Elaborationen erschöpft, sondern sich mittlerweile auch in Angriffen auf den politischen Pluralismus an der Universität manifestiert, wie die Posse um das von der ÖH geforderte Couleurverbot zeigt, das auf einer Kombination von eklatanter historischer Unkenntnis über den Ursprung und die Mission von bürgerlichen Studentenverbindungen und erschreckendem Autoritarismus fußt und die Vermutung nahelegt, die rot-grüne ÖH wolle ihren augenscheinlichen Allmachtsanspruch durch die Verbannung von aus ihrer Sicht unbotmäßiger, weil ideologisch unerwünschter Symbolik endgültig zementieren. Wie in einem derart feindseligen Klima, in dem sich die Studierendenvertretung nicht als Anlaufstelle für Anliegen aller Art, sondern primär als weltanschaliches Überwachungskommissariat versteht, eine demokratische Debatten- und zwischenmenschliche Respektskultur gedeihen soll, erscheint äußerst fraglich.
Es wäre in diesem Sinne interessant, die ÖH und ihre Proponenten einmal ganz im Vertrauen zu fragen, wie man sich eigentlich einerseits derartig einseitig ideologisch versteifen ("kapitalismuskritisch", "feministisch" "ökologisch", "progressiv", "antiklerikal", etc.) kann, ohne gleichzeitig unwillkürlich den Anspruch verlieren zu müssen, als überparteiliche Interessensvertretung für die Gesamtheit der Studentenschaft zu fungieren. Oder, anders gefragt: wozu eigentlich wählen gehen, wenn sich das zu besetzende Gremium schon im Vornhinein auf die zu verfolgende programmatische Stoßrichtung festlegt, indem sie sich a priori mit allerlei linksdralligen ideologischen Attributen auflädt? Demokratie kann nur in einem pluralistischen Klima funktionieren, das nicht nur diverse Schattierungen von Links kennt - auch an der Universität, weshalb auch eine linke Mehrheit es lernen muss, mit der Präsenz von bürgerlichen, liberalen, konservativen, aber auch unpolitischen Studenten leben zu können, die sich nicht für eine unverhohlen sozialistische Agenda vereinnahmen lassen wollen. Mit ihrem destruktiven, verleumderischen und unkonstruktiven Umgang mit politischen Abweichelrn und ihrem maßlosen ideologischen Missionierungsdrang tut die rot-grüne ÖH- Führung alles dafür, um ein solches Klima zu verhindern. Sollte man da nicht langsam einmal aufstehen und ihr an der Wahlurne Einhalt gebieten?