Kampf dem Klassenfeind: Wenn die Grünen ihr Herz für Law and Order entdecken

Als Partei der aggressiven Verbrechensbekämpfung und der strafrechtlichen Rigidität sind die Grünen bisher selten in Erscheinung getreten. Abgesehen von einigen wenig authentischen Versuchen des bekannten U-Ausschuss-Fetischisten Peter Pilz, sich als Innenminister in spe zu profilieren, und diversen schikanösen Verbotsvorschlägen legen sie zumeist eher eine laxe Haltung an den Tag, wenn es um kriminalpolitische Belange geht: egal ob militante Aktivisten oder randalierende Demonstranten - die meiste Kulanz erfahren Rechtsbrecher oder des Rechtsbruchs verdächtigte Elemente seit eh und je aus dem Lager der Grünpartei, wohl ein Relikt aus einer Ära der blindwütigen Rebellion gegen alles, worin ein Quantum von Autorität und Hierarchie zu finden war. Ringt man sich doch einmal zu halbherziger Distanznahme gegenüber den Verursachern von Straftaten durch, so geschieht dies meist nur in einem Atemzug mit relativierender Kritik an mutmaßlicher Polizeigewalt oder einem Mangel an deeskalierender Rücksichtnahme.

Umso verwunderlicher, dass die Grün-Abgeordnete Daniela Musiol nun ausgerechnet mit der Forderung nach einer Strafmaßerhöhung aufhorchen lässt. Wer dabei aber an eine Novelle im Sinne der gerade forcierten Strafrechtsreform denkt, die sich auf dem löblichen Anspruch gründet, Delikte gegen Leib und Leben härter zu ahnden, hat weit gefehlt - was Musiol in Rage bringt, sind nämlich weniger handfeste Tatbestände wie Körperverletzung, Raub oder andere tätliche Auseinandersetzung, sondern die Allüren einer Gesellschaftsschicht, die weitestgehend von der öffentlich einsehbaren Bildfläche verschwunden ist: konkret geht es ihr um § 2 Adelsaufhebungsgesetz, das das Führen von Adelstiteln unter Strafe stellt. Ein Scherz, wie man ob der überschaubaren Relevanz dieser Problematik im strafrechtlichen Tagesgeschäft meinen möchte, für die im Bereich Verbrechensbekämpfung sonst so kleinlauten Grünen aber offenbar ein Bedürfnis sondergleichen, wenn sie dafür ihre Verfasserungssprecherin an die Medienfront schicken.

Konkret stößt sich Musiol daran, dass das ursprünglich happige Strafmaß (eine Verwaltunsstrafe von bis zu 20000 Kronen und alternativ bis zu sechs Monate Arrest) nach Umrechnung auf heutige Werteinheiten unter Einbeziehung der langfristigen Geldentwertung sich auf nur noch 14 Cent beläuft. „Eine derart niedrige Geldstrafe hat keinen abschreckenden Charakter und hält die Täter nicht davon ab, mit ihrem rechtswidrigen Verhalten aufzuhören“, wettert die Grüne ob dieser skandalösen Tatsache da in bester Law-and-Order-Rhetorik. Ein Statement, das interessante kriminalpolitische Gewichtungskriterien im Umfeld grüner Rechtspolitiker erahnen lässt, hatte ihr Justizsprecher, Albert Steinhauser, doch erst vor kurzer Zeit die Pläne der Innenministerin, das Strafmaß für Einbruch anzuheben, als "lächerlich" und unwirksam abgetan. Kulanz für Einbrecher, Härte gegen ausgewiesene Aristokraten - so oder so ähnlich ließe sich eine treffliche Überschrift für das Kapitel Kriminalpolitik im grünen Parteiprogramm formulieren.

Man kann über die wahre Motivation für Musiols bizarren Vorstoß nur spekulieren: nahe liegt die Vermutung, dass selbstbewusst auftretende Adelige die latent under dem grünen Lack köchelnden marxistischen Gefühlswallungen zum Überkochen bringen und längst vergessen geglaubte klassenkämpferische Lebenskräfte revitalisieren zu vermögen. Altlinke Ressentiments gegen den Klassenfeind haben sich in der Ideologie der Grünen offenbar tief genug festgekrallt, um auch fast 100 Jahre nach dem Fall der Monarchie noch an die Oberfläche zu treten, wenn sich eine günstige Gelegenheit dafür bietet. Dass Musiol darauf verweist, dass das Führen von Adelstiteln das republikanische Prinzip in Frage stellt, wirkt da notdürftig vorgeschoben, zumal im geschichtlichen Rückblick gerade die Adeligen nicht selten an vorderster Front gegen monarchische Autoritätsanmaßungen auftraten. Auch das republikanische Deutschland gibt sich gelassen im Umgang mit seinen ehemaligen Blaublütern und lässt deren Titel als Namensbestandteile bestehen. Dass dadurch der Republikanismus gefährdet werde, glaubt dort kein Mensch.

Es stimmt schon: für symbolische Beträge von 14 Cent lohnt sich die Strafverfolgung nicht und hat ihren Zweck verfehlt, zudem die Kosten für den administrativen Aufwand die dadurch lukrierbaren Strafzahlungen hoffnungslos übersteigen. Anstatt aber einem derartig lächerlichen Legalanachronismus durch höhere Strafmaße wieder Leben einzuhauchen, gilt es, den Paragraphen 2 Adelsaufhebungsgesetz aus dem Gesetzbuch zu streichen und ihn, am besten im Verbund mit dem Habsburgergesetz und ähnlichen sinnentleerten Überbleibseln aus der Umsturzära, auf den juristischen Müllhaufen zu werfen. Eine Nation, die ihre kaiserliche Vergangenheit mit Pomp und Prunk zelebriert und in Form von allerlei kitschigem Tand gewinnbringend vermarktet, macht sich lächerlich, wenn sie gleichzeitig mit großem Pathos den republikanischen Geist beschwört, sobald irgendein unbedeutender Freiherr auf die nicht minder nostalgische Idee kommt, seinen historischen Titel vor dem Namen zu führen.

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