Unsere Gesellschaft wird immer mehr zu einer Gesellschaft des langen Lebens. Alter und Altern ist nicht nur ein individuelles und soziales, sondern auch ein gesellschaftliches Problem. Dass eine immer höhere Lebenserwartung mit dem von Marcus Franz porträtierten „Frühpensionismus“ nicht zusammenpasst, liegt auf der Hand, auch für versicherungsmathematische Laien: Wenn wir immer länger leben, können wir nicht immer früher in Pension gehen.
Medial überrepräsentiert ist aber nur ein Aspekt des Diskurses über das Altern, nämlich der Belastungsdiskurs, in dem die demographische Alterung und alte Menschen als soziale & ökonomische Belastung für Sozial- und Gesundheitssysteme porträtiert werden. Der Belastungsdiskurs beruft sich auf die immer größere Anzahl älterer und pflegebedürftiger Menschen, die immer weniger werdenden zahlenden Berufstätigen gegenüberstehen. Da wird das Schreckgespenst einer biologischen Vergreisung der Gesellschaft herbeibeschworen, einer Gerontokratie, in der die Alten ihre politische und soziale Macht missbrauchen, um die Ressourcen der nach ihnen Kommenden rücksichtslos aufzubrauchen. Ja, es wird ein kultureller Krieg der Generationen herbeigeredet.
Dieser Belastungsdiskurs fußt auf dem Defizitmodell des Alterns, in dem das Alter als Abbau der Leistungsfähigkeit, Degeneration und Demenz gezeichnet wird, obwohl das sicher nicht für das 3.Alter (60-80), sondern erst das 4. Alter (80plus) zutrifft.
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Welche weiteren demographischen Diskurse gibt es in unserer Gesellschaft über das Altern?
Der Potenzialediskurshingegen stellt Ressourcen & Potentiale älterer Menschen für die Gesellschaft in den Fokus und möchte Visionen eines sozial und ökonomisch „produktiven“ Alterns zeigen. Unter aktivem und gesunden „erfolgreichen“ Altern wird soziales und politisches Engagement/Ehrenamt sowie lebenslanges Lernen und Bildung im Alter verstanden. Statt dem Krieg der Generationen werden Dialog und Solidarität der Generationen betont und eine Gesellschaft für alle Lebensalter entworfen.
Der Potenzialediskurs fußt auf dem Kompetenzmodell des Alter(n)s.
Der kritische Diskurs der alternden Gesellschaft möchte Altern befreit von ökonomischer & politischer Vereinnahmung betrachten, losgelöst vom „demographischen Alarmismus“ und von der Vermarktlichung und Biomedikalisierung des Alters. Im kritischen Diskurs wird Anti-Aging als Altersdiskriminisierung gesehen und der Aufruf zum Ehrenamt als Instrumentalisierung von Alterspotenzialen.
Der kritische Diskurs geht von einem Emanzipationsmodell des Alter(n)s aus und hat als Leitbild solidarisches Altern als Aufgabe.
Ich wünsche uns allen mehr Beiträge zum kritischen Diskurs in unserer Gesellschaft des langen Lebens!
Zum Weiterlesen:Gertrud M. Backes (1997): Alter(n) als „gesellschaftliches Problem“? Zur Vergesellschaftung des Alter(n)s im Kontext der Modernisierung. Opladen: Westdeutscher Verlag.