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Gestern am Abend soll es gewesen sein. Da bist du gestorben. Du hattest dir im Spital eine Lungenentzündung geholt. Ich hab manchmal gehört, dass das Liegen das Risiko wohl vergrößert. Keine Ahnung ob das wirklich so ist – es wird halt gesagt. Bei dir kam das zu einer allgemeinen Schwäche noch dazu. Wegen der bist du eingeliefert worden. Vor ein paar Tagen ist das gewesen. In der letzten Zeit ist das öfter vorgekommen. Es hat dich zusammengeprackt und du musstest wieder aufgepäppelt werden. Wir haben dann gesagt: „Er ist ein Stehaufmanderl“. Wir haben uns gefreut; jedes Mal wenn du wieder heim gekommen bist. „Aber ewig wird das nicht mehr gehen. Er ist ja immerhin schon 98. Man muss damit rechnen…“
Ich hab dich eigentlich kaum gekannt. Vor etwa 10 Jahren habe ich zum ersten Mal von dir gehört. Der Lebensgefährte meiner Schwiegermutter war gestorben. Sie hatte einen kleinen Freundeskreis. Der hat sie nach dem Verlust getröstet. Zu ihm hast du wohl auch gehört. Als sie selbst einen schweren Schlaganfall erlitt, waren viele der Freunde nicht mehr so nah. Es war ja auch irgendwie verständlich: Es ist schon schwierig mit jemandem, der nicht sprechen kann. Du bist geblieben. Ein treuer Freund warst du. Eigentlich ein seltsames Gespann: Du, der wirklich sehr schlecht gehört hat und sie, die nur mehr die Worte einstreuen konnte, die irgendwo in ihrem Kopf überlebt hatten. Trotzdem hast du sie regelmäßig besucht. Jede Woche habt ihr in einem Lokal gespeist. Ich glaub, immer am Samstag. Manchmal seid ihr in deinen Garten gefahren. Du hast da meistens herumgewerkelt. Duschabflüsse konntest du reparieren und auch sonst fast Alles. Das weiß ich von dir. Sonst fast nichts. Ich weiß zum Beispiel nicht, wie es dir im Krieg ergangen ist. Eigentlich musst du als junger Mann manches erlebt haben. Und wieso warst Du alleine? Hat es eine Frau gegeben, die schon vor langer Zeit gestorben ist? Kinder hast Du keine gehabt – ich habe wenigstens nie von welchen gehört. Aber es gab Neffen und Nichten die sich um dich gekümmert haben. Obwohl: Du hast nicht sehr viel Hilfe gebraucht. Vielleicht in den letzten Monaten ein wenig.
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Du warst ein zäher, kleiner Mann. Ich bilde mir ein, dass das gute Voraussetzungen sind um ein hohes Alter zu erreichen. Selten habe ich füllige, sehr alte Menschen getroffen.
Du hast eine Krebserkrankung überstanden. Das muss schon lange her sein. Welcher Krebs das war, das weiß ich nicht. Wahrscheinlich einer der „Besseren“. Aber bestimmt hat deine Mentalität dazu beigetragen, dass du ihn um Jahrzehnte überlebt hast – den Krebs.
Bei deinen Spitalsaufenthalten der letzten Zeit hat dich meine Schwiegermutter besucht. Ihre Tochter, meine Frau, versuchte herauszufinden wo du untergebracht warst und schrieb ihr das auf einen Zettel. Durchfragen konnte sich sie, die nicht sprechen kann, ja nicht. Aber sie hat dich immer gefunden. Selbst als Patient im Krankenhaus hast du ihr Sicherheit gegeben. Du bist ein wichtiger Fixpunkt ihrer geschrumpften Welt gewesen.
Sie weiß „es“ noch nicht. Sie ruft jeden Tag in der Früh bei meiner Frau an. Die kann sich irgendwie mit ihr verständigen. Ich weiß nicht wie. Heute wurde ihr gesagt, dass sie dich nicht besuchen, sondern zu uns kommen soll – auf einen Kaffee. Sie wird sich sehr kränken. Ich glaub zwar, dass sie es schon ahnt – trotzdem.
Weißt du, ich hab schon vielen lieben Menschen Lebewohl sagen müssen. Als engster Angehöriger, in der ersten Reihe stehend.
Jetzt ist es anders. Wir waren uns nicht nahe. Ich hab nur manchmal zu meiner Frau gesagt: „Das ist ein wirklich lieber alter Mann. Viele gibt es nicht mehr von dieser Art.“
Ich hab da immer so ein Bild im Kopf: Diese blauen Arbeitshosen, die mit einem Bandl am Bund zusammengezogen werden, ein weisses Unterleiberl und dazu ein Schirmkapperl. Im Idealfall steht da „Puch“ drauf. Ich hab dich nie so adjustiert gesehen, aber es hätte zu dir gepasst.
Ich hab heute, nach dem ich von deinem Tod gehört hab, staubgesaugt, ein bissl Gitarre gespielt und dann einen überbackenen Leberkäs mit Kartoffelpüree gekocht. Und ich hab über dich und dein unbekanntes Leben nachgedacht; ich hoffe, es war ein gutes. Und dein letzter Atemzug soll ein ruhiger, friedlicher gewesen sein. Ich bin traurig aber ich stell mir deinen jetzigen Zustand wie einen tiefen Schlaf vor. Das kann ich, ohne mich selbst anzulügen, oder mich in Märchen für Erwachsene flüchten zu müssen.
Schlaf gut, lieber Willi! Das Wenige, das ich von dir weiß, bleibt mir in ewiger, guter Erinnerung.