Im Zuge der metoo-Debatte komme ich nicht umhin, mich zu wundern - täglich mehr.

Ich bin angefixt. Ich verfolge jede Diskussionsrunde, die ich aufstöbern kann.

Dies wird ein Versuch zu ordnen, was auf dem Tisch liegt.

"Im Zentrum" wurde überlegt, wann der sexuelle Übergriff beginnt. Der Nenner, auf den man sich einigen konnte war der, dass er dort beginnt, wo die oder der Bedrängte Unbehagen empfindet. Allerdings wurde gleichzeitig festgestellt, dass es sich hier um keine verallgemeinerbare Grenze handelt. Sie sei individuell verschieden. Sie ist wohl kultur- und situationsabhängig. Das bedeutet, dass der - noch ist er ein potentieller - Belästiger erst nach seiner Aktivität, nicht aber davor, wissen kann, ob er die jeweilige individuelle Grenze überschritten hat. Ganz anders etwa, als bei einer Geschwindigkeitsübertretung. Wenn ich in einer 30er Zone 40 fahre, dann ist mir der Verstoß im Vorhinein klar. Ich setze mich bewusst ins Unrecht.

Hier ist es offenbar schwieriger. Natürlich gibt es Übergriffe, bei denen niemand auf die Reaktion des Opfers angewiesen ist, um Unrecht zu erkennen. Andererseits wird gegenwärtig, nicht zuletzt durch metoo, alles in einen Topf geworden. Der schwere Missbrauch mit dem schlechten Witz oder der Anrede "Schatzi".

Ich kann also bei den Grenzfällen nicht wissen, wie mein Gegenüber z.B. den Herrenwitz aufnehmen wird. Glücklich jene, die sofort aufgeklärt werden und direkt nach getaner Tat informiert werden, dass das individuelle Radar gerade einen Übergriff registriert hat. Nun kommt es aber in Mode, dass man 20 Jahre nach dem blöden Witz, seine Opferrolle zelebriert.

Ich glaube, bin aber nicht völlig sicher, dass Frau Rendi-Wagner es war, die eine Hilfestellung angeboten hat. Sie sagte, um völlig sicher zu gehen, sollte jeder Mann jede Frau so behandeln, wie er seine Mutter oder Schwester behandeln würde.

Ich sehe hier eine Schwierigkeit: Mutter oder Schwester sind, im Normalfall, keine potentiellen Paarungspartner. Das empfohlene Verhalten würde wohl die Anbahnung eines engeren Kontaktes zwischen Mann und Frau erheblich erschweren, hätte also unabschätzbare Auswirkungen auf Dinge wie Bevölkerungsentwicklung und Pensionssicherung.

Als besonderes Problem wurde das Ausnützen von Machtverhältnissen, wie sie etwa in der Arbeitswelt vorherrschen, identifiziert. Das würde ich zunächst auch so sehen. Wenn die junge Mutter hinter der Wursttheke ungehörig angebraten wird, dann ist sie wohl meist in einer Zwangssituation. Oft wird sie auf ihre Arbeit angewiesen sein. Der Verlust des Arbeitsplatzes wäre in aller Regel eine Katastrophe. Aber: Ich sehe bei metoo keine Wurstverkäuferinnen. Ich sehe Frauen, die, mit dem Messer zwischen den Zähnen, auf dem Weg nach oben sind bzw. es vor 30 Jahren waren. Und die wollen etwas: Eine Rolle, einen Vertrag oder das Mausi eines Greises sein. Und einige davon – vielleicht sind es auch viele – sind bereit etwas dafür zu tun. Etwas das über die eigentliche Qualifikation hinausgeht: Sie sind bereit sich zu prostituieren. Es wird wohl niemand abstreiten, dass das so ist. Und wenn nun einer der „mächtigen, alten Männer“ nachfragt, ob er es denn mit so einer Kandidatin zu tun hat, dann scheint mir das nicht ganz unlogisch zu sein. Ist das in Anspruch nehmen der Dienste einer Prostituierten das Ausnützen einer Machtposition? Mir scheint, dass diese Situation ähnlich ist. Frau Proll hat erwähnt, dass das Hüpfen von Schoß zu Schoß unter hoffnungsvollen Jungmiminen nicht ungewöhnlich ist.

Es hat mich interessiert, wie üblich solche Vorgänge in der Wirtschaft sind. Ich selbst war immer im eigenen kleinen Gewerbebetrieb – zusammen mit meiner Frau übrigens – tätig. Ich habe daher keine Erfahrung damit, wie es sich in größeren Unternehmen bei derlei Dingen verhält. Ich habe deshalb einen Freund befragt, der in einigen großen Betrieben in führender Position tätig war.

Aus seiner Sicht handelt es sich um ein viel breiteres Problem. „Es geht um unangenehme Menschen, die es gewohnt sind, sich übergriffig zu verhalten.“ erzählt er mir. Besonders unappetitlich auffallen würden solche bei Betriebsfeiern. Es treffen dort Menschen aufeinander, die sich eigentlich nicht kennen. Sie kennen einen völlig anderen Teilaspekt der Anwesenden: Den Arbeitsmenschen. Hier erfinden sich die Leute neu. Besonders tragisch sei jedoch, dass sie dies oft unter Alkoholeinfluss tun. Der saublöde Witz sei dann nur ein Teilaspekt. Da werden auch Männer von hinten umarmt (meist von anderen Männern), gedrückt und es werden ihnen, wenig interessante Geheimnisse mit alkoholschwangerem Atem mitgeteilt.

Wenn es dann ans Tanzen geht, greifen – wieder meist Männer – auf Frauenärsche. Gewöhnlich, so erzählt er mir, reagieren die Frauen allerdings mit Kichern und Quietschen. Wobei eines wichtig sein dürfte: Der Antatscher sollte in der Firmenhierarchie wenigsten eine Stufe über der Betatschten residieren. Es gäbe Sekretärinnen, die ja heute „Assistentinnen“ genannt werden – meist makellose Figur – die in der Firma von Hand zu Hand gehen. Sie werden „Wanderpokal“ genannt. Ihr Ziel sei es entweder beruflich besser voran zu kommen bzw., auch das gelingt manchmal, geheiratet zu werden. Wichtig sei jedoch, dass gesellschaftlicher Aufstieg impliziert ist. Nur selten ist der Portier an diesen Spielen beteiligt.

In einer sehr großen Firma, gelang es einer Assistentin, den aus den Medien bekannten Oberboss zu erbeuten – sie wurde vom Alphamännchen bestiegen. Von den anderen Mitarbeitern wurde sie, hinter vorgehaltener Hand, „Frau K.“, nach ihm, genannt. Es ist eine Mischung aus Anerkennung und Neid die diesen „Gewinnerinnen“ zu Teil wird. In diesem Fall war die Sache etwas delikater, weil der verheiratete Mann kurz zuvor Vater wurde. Die „oberste Etage“ sei allerdings gewöhnlich schlau genug, nicht auf Firmenfeiern aktiv zu werden. Andererseits blieben diese Dinge trotzdem selten geheim.

Es dürfte bei der Problematik vorrangig um etwas gehen, das man nicht unter der Überschrift „böser Mann vs. gute Frau“ subsumieren kann.

Viel eher scheint „der Mensch is a Sau“ zutreffend zu sein.

Und gar nichts hat all das mit Vergewaltigung, Missbrauch oder der sexuellen Ausbeutung eines Lehrmädchens zu tun.

Dadurch, dass die „Bussibussi-Mädls aus den Seitenblicken, in unheiliger Allianz mit den Frustweibern das Thema besetzt haben, schaden sie den wirklichen Opfern.

Ich hab eine Theorie: In jungen Jahren, war es kaum möglich sich mit der angebeteten Prinzessin, der Klassenschönheit, zu treffen, ohne dass ein weniger fesches Beiwagerl daneben herlief. Kann es sein, dass sich beide in der metoo-Bewegung finden? Die Prinzessinnen, beinhart kalkulierend, auf der Jagd nach Geld, Anerkennung oder nachträglicher Umdeutung: Prostituierten- gegen Opferrolle. Andererseits die weniger hübschen, denen die Oberflächlichkeit der Welt einen Strichmund ins Gesicht gezeichnet hat. Die, die keinen Deut weniger wollen als eine komplett entsexualisierte Welt. Die nämlich hätte ihnen Gleichheit verheißen.

Vor einigen Jahrzehnten war es noch so, dass man Frauen die kurze Röcke trugen vorwarf, sie hätten es ja provoziert wenn sie missbraucht wurden. Das hatten wir hinter uns. Wer würde das heute noch sagen? Es ist eher so, dass man als Mann in vielen Situationen wirklich vorsichtig sein muss. Es wird zunächst eher dem Opfer geglaubt – das finde ich an sich nicht schlecht. Nur bis metoo war zumindest ein rechtsstaatliches Verfahren nötig um einen Sachverhalt zu klären. In der gegenwärtigen Hysterie werden Existenzen im Vorbeigehen zerstört. Widerrede ist ungehörig und bestätigt nur den Vorwurf.

„„Schatzi“ hat die Machosau gesagt.“ „Wann?“ „Vor etwa 30 Jahren.“

Ich hoffe dass, wenn sich dieser billige Hype gelegt hat, nicht die Unglaubwürdigkeit der Legionen von belästigten Society-Ladies, auf die Glaubwürdigkeit der 16 jährigen Wurstfachverkäuferin abfärbt. Das wäre ein schlimmer Rückschritt.

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