Eines der Formate, das ich mir ziemlich regelmäßig ansehe ist die ORF-Sendung „erLesen“.
Zum einen weil ich Bücher gerne mag. Zum anderen gefällt mir das Setting im Studio. Der heimelige Lichtkegel hat was vom Adventsingen. Der Herr Heinz moderiert mit einer militanten Konzillianz. Die Gäste werden mit Bestätigungsfloskeln zu Boden gerungen. Ich schätze diese konfliktbefreiten Momente.
Zuletzt rissen mich allerdings Gäste aus Heinzens heiler Welt.
Einmal die 90jährige Frau Erni. Ihr übles Vorgehen folgt, das musste ich schon öfter feststellen, einem raffinierten Muster: Zunächst wird das Lebensalter in die Runde geschleudert wie ein Vorbombardement. Ab hier wäre jeder Widerspruch ein Sakrileg. Dann entwickelt sie, stets sehr jovial, ihre Thesen. Ob sie nun am Wort ist oder auf nicht gestellte Fragen antwortet ist einerlei. Diesmal musste man ihr glauben, dass die Gegenwart den Vorkriegsjahren dermaßen gleicht, dass – nach Frau Ernis Lebenserfahrung – das Böse unmittelbar vor der Tür steht. Was sie auch sehr verärgert, ist das aufkommen dieser unerträglichen Sprache. Diese einfache, verkürzende Sprache. Wenn ich richtig deute, erkennt sie Parallelen zum Nazisprech. Ihr scheint nicht in den Sinn zu kommen, dass es sich womöglich um die Sprache der einfachen Leute handelt, die sie da so anekelt. Eine, die aus dem veröffentlichten Raum verschwunden war. Stimmt schon: Die wird immer lauter. Dass das dem gehobenen Bürgertum nicht konveniert mag sein. Auch ihren weltrettenden, homöopathisch behandelnden, misttrennenden und natürlich gendernden Enkerln, stößt das schon irgendwie sauer auf. Man hat sich eine Lebenswelt geformt, in der diese Prolos maximal Randnotizen waren. Was sollte man mit denen auch anfangen? Mit Leuten die vor dem Fernseher sitzen und nicht ins Theater gehen. Die lieber fettes Zeug essen anstatt eines Salates mit Putenstreifen. Es wird, da kann man sicher sein, falsche Musik gehört, in indiskutablen Hotelanlagen geurlaubt und – ganz schlimm – falsch gewählt.
Und plötzlich werden die sichtbar. Und erklären, dass die Welt, die die Frau Erni und ihre Freunde da gebastelt haben, ihnen auf den Senkel geht. Dass sie sich die generelle Abwertung ihrer eigenen Vorlieben nicht mehr bieten lassen werden. Dass sie nicht weiter ausbaden werden, was die modernen, urbanen und progressiven ihnen beständig einbrocken.
In einer anderen Runde, Werner Schneider war dabei, die anderen Namen sind mir entfallen, wurde ein Bekenntnis zum Feminismus abgefragt. Eigentlich analog zum Katechismus von anno dazumal. Anscheinend ist der Begriff so klar ausdefiniert, dass von allen, ohne weitere Erläuterung, ein solches abgegeben werden konnte.
Eine Dame aber war etwas beunruhigt. Sie hegte die Befürchtung, dass da etwas im Gange sei. Dass das Pendel womöglich wieder zurück schlagen könnte. Und zwar deswegen, weil da welche kräftig anschieben. Sie wenigstens, fürchtet um die Zukunft ihrer Tochter. Na wenn da die Revisionisten am Werk sind! Ich konnte sie bis dahin gut verstehen. Sie war mir zwar unsympathisch wie die Erlagscheine der gewerblichen Wirtschaft, aber trotzdem. Ich habe ja auch eine Tochter. Die weiteren Ausführungen bliesen mich jedoch um. Diejenigen denen sie empörten Widerstand entgegensetzt sind nicht Proponenten eines steinzeitlich- religiösen Weltbildes das Frauen verschleiert, steinigt, in der Wohnung einsperrt und ehrenmordet. Nein! Es sind Donald Trump und seine europäischen Entsprechungen. Norbert Hofer versetzt die Anwesenden in Angst und Schrecken – na wenn’s um die Kinder geht.
Und das in meiner schönen Büchersendung. Ich werd sie mir trotzdem weiter anschaun.
Wir Prolos sind halt fernsehsüchtig.