Ich liebe Tiere. Zugegeben, mit Reptilien bin ich nie so recht warm geworden. Sonst aber spüre ich eine tiefe Verbundenheit mit ihnen. Ich bin mit Katzen, Hunden, Hamstern, Hasen, Meerschweinchen und Wellensittichen aufgewachsen. Auch Pferde, Kühe und Ziegen waren die Gefährten meiner Kindheit.
Die letzten Jahrzehnte hielt ich Hunde verschiedener Rassen. Rottweiler, Neufundländer, Bullterrier, Englische Bulldoggen und Bordeaux Doggen begleiteten mich.
"Wieso müssen es Rassehunde sein?", wird sich mancher fragen. Zu Recht. Es gibt so viele arme Tiere, die in Tierschutzhäusern oder auf Pflegeplätzen auf ein neues zu Hause warten. Nun, ich mache mir das Aussuchen meines neuen Freundes - genau das soll er ein Leben lang sein - nie leicht. Ich prüfe welche Eigenheiten der Rasse zugesprochen werden und überlege, wie die zu meiner jeweiligen Lebenssituation passen. Dann suche ich nach einem anerkannten, seriösen Züchter. Das ist aus verschiedenen Gründen wichtig. Einmal wird er bemüht sein, passende Elterntiere zu verpaaren. Es soll ein rassetypisches Wesen gefördert und vererbbare Krankheiten möglichst ausgeschlossen werden. Gerade riesenwüchsigen Rassen leiden oft unter HD und ED. Elterntiere müssen hier einen möglichst guten Untersuchungsbefund vorweisen.
In der Regel wechselt der Welpe etwa in der 8. Lebenswoche vom Züchter zu seinem Besitzer. Das bedeutet, dass er eine wichtige Zeit seines Lebens nicht bei mir verbringt. Die "Prägungsphase" durchläuft der Hund zwischen Woche 4 und 7. In dieser Zeit wird ein guter Züchter das Tier mit möglichst vielen Situationen und Reizen konfrontieren, die es in seinem späteren Leben brauchen wird. Man spricht gerne von einem Fenster, das in dieser Zeit aufgeht und sich dann wieder schließt. Was hier versäumt wird, ist später schwierig nachzuholen. Die "Sozialisationsphase" erstreckt sich etwa zwischen Woche 9 und 12. Hier ist es wichtig, dass der Welpe lernt, wie er sich seinen Artgenossen und auch Menschen gegenüber zu verhalten hat. Jetzt ist bereits der Besitzer gefordert. Hier Versäumtes ist im Nachhinein eher nachzuholen als dies bei der Prägung der Fall ist. Es sei erwähnt, dass es sich hier um eher traditionelle Erkenntnisse (Eberhard Trumler) handelt. Einige sind heute der Ansicht, dass der Welpe besser erst nach der 12. Woche den Züchter, die Hündin und seine Wurfgeschwister verlassen sollte, weil so eine noch bessere Sozialisation erreicht werden kann.
Was auch immer man für richtig hält, es handelt sich jedenfalls um eine wichtige Phase im Hundeleben und sie wird damit das Zusammenleben mit seinen Menschen beeinflussen.
Suche ich mir meinen neuen Freund im Tierschutzhaus, dann habe ich darauf keinen Einfluss, weiß meist nichts darüber. Oft hört man, Mischlinge – oft landen diese in der Vermittlung - seien tendenziell gesünder, weil nicht überzüchtet. Das stimmt nicht. Wieso auch? Ein Mischling kann etwa aus der Verpaarung eines Deutschen Schäferhundes mit hochgradiger HD und einem Boxer mit ebenso kranker Hüfte entstehen. Niemand hätte das untersucht.
Andererseits gibt es bei vielen Rassen rassetypische Probleme auf Grund von Übertypisierung und einem recht engen Genpool. Allerdings können auch diese Hunde eben wieder Eltern von erblich belasteten Mischlingen sein. Ich sehe hier also keinen Unterschied. Es gibt ebenso kranke Rasse- wie Mischlingshunde. Allerdings bin ich beim Mischling auf mein Glück angewiesen. Beim Rassehund kann ich durch Züchter- und Rassewahl das Risiko minimieren. Trotzdem habe ich immer ein wahnsinnig schlechtes Gewissen, wenn ich mir einen Welpen vom Züchter hole und keinen armen Hund aus dem Tierschutzhaus. Höchsten Respekt an Menschen, die diesen Tieren ein schönes zu Hause geben!
Was mir bei der Rassewahl zunehmend auffällt ist jedoch eines: Es wird kaum mehr eine Hunderasse ohne das Attribut "toller Familienhund" angeboten. Und das halte ich für sehr bedenklich. Mich begeistern oft ursprüngliche Rassen. Etwa Mastin Espanol oder Boerboel. Nun ist etwa der Boerboel ein südafrikanischer Wach- und Schutzhund. Er wird nicht selten 90 kg schwer. Kein Zweifel, er ist ein toller Familienhund. Allerdings besonders dann, wenn sie ein Anwesen bewohnen, dass er mit großer Ernsthaftigkeit gegen menschliche Bösewichte und Großkatzen verteidigen kann. Er wird das unter Einsatz seines Lebens tun. Wenn Sie dann am Morgen auf den Feldern arbeiten, werden sie wieder sicher vor großen Beutegreifern sein. Er wird Sie und Ihre Kinder nicht aus den Augen lassen. Wenn Sie sich zur Mittagszeit Ihr Kaninchen jagen, kann er auch hier eine große Hilfe sein. Aber einen Hund dieser Rasse dem Herrn Müller und seiner Gattin als geeigneten Mitbewohner im städtischen Reihenhaus und Spielgefährten für die eigenen Kinder und deren Freunde anzupreisen, das ist schon sehr problematisch.
So sehr mir diese Hunde gefallen, ich hätte mir nicht zugetraut einen solchen zu halten. Und ich habe doch einige Hundeerfahrung.
Sicher, es gibt bestimmt den einen oder anderen, der einen Vertreter dieser Rasse im wenig geeigneten Umfeld hält, und dies ohne Probleme tut. Vielleicht sogar in der Stadt. Gratuliere! Hunde sind natürlich auch Individuen und als solche verschieden. Trotzdem! Unter "Familienhund" versteht der unbedarfte Käufer etwas anderes. Haben Sie jedoch einen einsam gelegenen, großen Hof am Land, dann haben Sie in einem solchen Hund einen wunderbaren Gefährten. Er ist kein "böser Hund". Menschen hatten ein Bedürfnis nach einem Tier mit eben diesen Eigenschaften. So wurde er seit vielen Generationen durch züchterische Selektion zu dem gemacht was er ist.
Ich beobachte auch mit Sorge, dass Herdenschutzhunde wie Mastin Espanol, Kangal oder Sarplaninac an völlig Unbedarfte verhökert werden. „Ein zuverlässiger Familienhund“. Die Leute wissen oft gar nicht, dass diese Rassen für einen ganz bestimmten Zweck gezüchtet wurden. Sie sollten Viehherden, sehr autonom gegen Wölfe, Bären oder Diebe verteidigen. Also nicht, wie etwa Hirtenhunde, in enger Kooperation mit einem Menschen die Tiere zusammenhalten, sondern selbständig verteidigen. Sie liegen meist energiesparend an einem Punkt von dem aus sie die Herde überblicken können. Sie sehen ja oft tagelang ihre Menschen nicht und müssen mit mageren Futterrationen auskommen. Sie ziehen eine gedankliche Linie um die Tiere. Bei fremder Annäherung stehen sie erst drohend auf. Wird darauf nicht reagiert, tun sie das wofür sie gezüchtet wurden: Sie verteidigen. Das birgt, wenn der Hund in Ihrem Garten ruht und Sie Besuch bekommen, das Potential für allerlei Missverständnisse.
Wenn Sie allerdings Schafe halten und Probleme mit Wölfen haben – wollen wir hoffen dass sie wieder bei uns heimisch werden – dann haben Sie eine unschätzbare Hilfe in diesen Hunden.
Wir Mitteleuropäer kennen, so scheint es, einen einzigen legitimen Hund: Den Familienhund.
Entsprechend ist leider das Wording einiger Züchter. Ich meine, das ist verantwortungslos.
Es ist nun so, dass nahezu jede Rasse ursprünglich für einen bestimmten Zweck gezüchtet wurde.
Vom Dackel bis zum Mastino Napolitano. Bei einigen dieser Züchtungen liegt jedoch der ursprüngliche Aufgabenbereich in weiter Vergangenheit. Es ist lange her, dass die Römer mit ihren großen Hunden ins Feld gezogen sind. Es gibt im Mastino Napoletano zwar noch den Nachfahren, allerdings ist er seit langem ein durchaus friedlicher Begleithund. Kein Züchter versucht kriegerische Eigenschaften in seinem Wesen zu verankern. Wenn Sie keine Bedenken wegen seiner vielen rassetypischen Krankheiten haben, dann haben Sie in ihm einen imposanten Begleiter, mit dem Ihre Gattin um Mitternacht gefahrlos durch den Prater spazieren kann. Er machts einfach mit seiner Größe.
Anders ist es aber bei den beschriebenen Herdenschutzhunden und den neuerdings in Mode kommenden „Exoten“. Sie werden bis heute auf ihre Funktion gezüchtet. Sie agieren oft noch sehr „knackig“. Auch und gerade wenn sie von einem guten Züchter stammen. Er ist ja bemüht ihre – für den Verwendungszweck – tollen Eigenschaften zu erhalten.
Also bitte: Keine unsinnigen neuen Listen. Diese Hunde sind nicht böse oder per se gefährlich.
Sie haben einfach ihren genuinen Verwendungszweck und der ist etwas spezieller und passt nicht in jedes Umfeld.
Ich appelliere an das Verantwortungsbewusstsein der Züchter. Geben Sie ehrlich Auskunft. Informieren Sie die Interessenten genau. Sie lieben doch Ihre Hunde und wollen nicht, dass wenn sich die ersten Probleme ergeben, sie im Tierschutzhaus oder an der Autobahn landen.
Und die zukünftigen Besitzer: Bitte informieren Sie sich genau! Sie treffen eine Entscheidung für viele Jahre. Sie tragen Verantwortung für das Tier aber auch für Ihre Umwelt.