https://pixabay.com/de/photos/neuseeland-schafe-strasse-blockiert-3098755/ https://pixabay.com/de/photos/neuseeland-schafe-strasse-blockiert-3098755/

Ich weiß gar nicht mehr wie es war. Damals, als ich noch ungeschützt war.

Eben habe ich erfahren, dass der junge Mann mit den markanten Ohren – sein Kinn ist ganz normal – sich sorgt. Um mich und um viele andere. Ich glaub, er schläft schon ein bisserl schlecht, wirft sich hin und her, geht drei bis vier Mal pro Nacht lulu, und ist überhaupt ganz flattrig. Fast hab ich ein schlechtes Gewissen. Ich bin vernagelt, lasse mich nicht impfen, und er kränkt sich deswegen.

Aber er hat sich was ausgedacht; vielleicht nicht ganz alleine. Ich glaub es hat ihm jemand beim Ausdenken geholfen. Ich stell mir das so vor: „Denen wer ma helfen“, sagt einer aus der Runde. Tja, und dann hat man überlegt bis die Köpfe geraucht haben - rauch, rauch, rauch, knister, rauch – förmlich warm ist es geworden, in der Burschenrunde. So stell ich mir das halt vor. Und dann ist denen eingefallen, wie man helfen kann. Nämlich so: Nachtgastronomie ist gefährlich. Tagesgastronomie auch. Kino, Theater, Museum, Puff, Motorradlrennen, Schwimmbad, Sauna – ein Akt der Selbstvernichtung. Das kommt alles nicht in Frage. Da geben wir Hilfestellung. Die kommen dort nicht rein. So irgendwie könnte die Rettungsaktion gelaufen sein.

Jetzt könnte man sagen „Ja aber, bitte. Ich hätte auch selber entscheiden können, dass ich im eigenen Wohnzimmer besser aufgehoben bin. Also wenn ich so eine Angstattacke erleiden sollte. Eingerollt, zugedeckt, Lichter aus; da sollte nix passieren. Wahrscheinlich.

Tja, aber wo bliebe denn da die Hilfe? Wir haben den doch gewählt, damit er uns hilft. Das kann man ihm jetzt nicht nehmen, sonst wird der sehr traurig.

Der Schutz vor den vielen Gefahren, die das Leben so bereithält, ist überhaupt ein ganz wichtiges Kriterium, wenn ich mich politisch positioniere. Wer schützt mich vor der eigenen Unvernunft? Da darf es keine Kompromisse geben! Nein, wirklich nicht.

Ich kann mich an die dunklen Zeiten erinnern, als ich noch ungeschützt war. Ein Jahr bin ich ohne Helm mit dem Kleinmotorradl gefahren. Die Haare hab ich mir gewaschen damit sich die Dauerwellen schön ringeln und bin zur Angebeteten gefahren. Ich habe ja gar nicht gewusst, dass ich dabei auf den Kopf fallen hätte können. Bis sie mir dann endlich erklärt haben, dass alles was ich auf der Straße sehe, härter ist als mein Kopf. Da ist es mir aufgegangen. Wär aber nicht nötig gewesen, das mit dem Aufgehen. Weil der Zwang braucht kein Aufgehen.

Als ich endlich mein erstes Auto, den Datsun Cherry, bekam, galt bereits die Gurtpflicht. Das war wieder so eine Sache: Es gab in der Kiste kein Pädagogisierungspfeiferl. Der Herr Inspektor sah auch nicht aus der Entfernung, dass da ein Gesetzesbrecher unterwegs war. Eine Tragödie eigentlich. Was hilft da der beste Schutz, wenn die Leute wieder machen was sie wollen?

Jetzt gab es damals welche, die das kritisch sahen. Die wollten keinen Helm tragen und sich auch nicht anschnallen. Aber man war geduldig – trotz der Unvernunft, die fassungslos machte. „ Das ist viel sicherer, du kannst dir nicht den Kopf anhauen und auch nicht durch die Windschutzscheibe fahren wie eine Kanonenkugel“ erklärten die Informierten. Man redete sich den Mund fusselig. Und was sagten die unbelehrbaren Gfraster? Na, was? „Es hindert dich ja keiner dich anzuschnallen, einen Helm und auch eine kugelsichere Weste zu tragen. Es sind bislang keine diesbezüglichen Verbote bekannt.“ So eine Frechheit. Man versucht es im Guten, argumentiert, und dann sowas. Verstockt bis zum Gehtnichtmehr!

Besonders unangenehm war, dass das auch noch wirklich stimmte. Es hätte ja jeder machen können, was er für richtig hält. Aber das war irgendwie unbefriedigend. Wenn man schon etwas erkannt hat – auch deswegen weil einem die Segnungen ins kleine Hirn gehämmert wurden -, dann hält man es gar nicht gut aus, wenn sich welche verweigern.

Die Vernunft setzte sich letztlich durch. Wobei die auch da wieder was zu lästern hatten „Ja, ja, die Vernunft. Was soll denn das sein?“ redeten sie daher. Es gäbe die Vernunft gar nicht. Kann man sich das vorstellen!? Man könne ein Ziel definieren und dazu die Mittel es möglichst schnell oder effizient oder auch ohne Kollateralschäden zu erreichen. „Wenn es mein Ziel wäre“ redeten die daher „meinen Kopf an einem lauen Sommerabend in den Fahrtwind zu halten, meine Haare und das Leben flattern zu lassen bis in die Magengrube, dann kann ich das mit einem Helm auf dem Kopf vergessen. Da erreiche ich höchstens eine nasse, schweisselnde Birne. Es wäre dann vernünftig keinen Helm zu tragen.“ Da bleibt einem die Spucke weg, bei so viel Unvernunft.

Na gut, das war uns Vernünftigen einerlei. Wir haben ihnen eingeschenkt; Jahr für Jahr. Damit denen das Blödreden vergeht. Ein Schlag in die Weichteile war die Rauchersache. Rauchen, kann jetzt noch höchstens ein Misthaufen. Beim Wirtn haben wir ihnen das rigoros abgedreht. Und wieder: keine Einsicht, kein Mittun. Die wollten uns erklären, dass es nicht ein einziges Argument gegen eine Wahlpflicht gäbe. Jeder Wirt hängt ein Schild raus: Raucherlokal oder Nichtraucherlokal. So einfach hätten die sich das vorgestellt. Aber was ist mit dem, was wir als“ richtig“ erkannt haben? Das hätte sich doch dann nicht durchgesetzt. Wir haben dann so gesagt: „Und was ist mit den Mitarbeitern, ha? Mit den Mitarbeitern, was is mit denen?“ Das war uns zwar eigentlich genauso wurst, wie damals der volkswirtschaftliche Schaden durch die gespaltenen Köpfe der Motorradlfahrer und die unangeschnallt, von der Lenksäule gepfählten Autofahrer. Unsere Wahrheit wurde den Uneinsichtigen vermittelt, und nur darum ging es. Sie haben uns dann gefragt, was denn mit dem volkswirtschaftlichen Schaden durch Schweinebauch- und Alkoholkonsum und dem Ausüben gefährlicher Sportarten wie Radfahren sei; bitte. Lass die einfach reden.

Jetzt waren wir lange noch nicht fertig. Auf Speisekarten musste dringend die Allergikerbelehrung verankert werden – wie haben wir ohne überlebt? Die Hundehaltung hatte auch aufs Genaueste reguliert zu werden. Ja, wir haben ihnen kräftig eine verpasst. Gejammert haben sie, dass sie lieber zehn Jahre als Löwe leben anstatt 100 als Schaf verwaltet werden wollen. Unsinn! Ein gerettetes Menschenleben oder drei Zusatztage am Lebensende rechtfertigen jeden – ich betone jeden – Eingriff. Speziell in einen Mumpitz wie Freiheitsrechte.

Wahrscheinlich kam uns dann noch eine Entwicklung zupass, die wir so gar nicht richtig auf dem Zettel gehabt haben. Die großen Ziele wurden immer wichtiger – wir haben uns ja mehr um die kleinen gekümmert. Staunend beobachteten wir was alles möglich ist, wenn das Ziel nur groß genug aufgeblasen wird. Die Stunde der Gesinnungsethiker hatte geschlagen. Religion haben wir keine mehr, aber jetzt ist die Zeit der großen Ziele angebrochen. Da ist für kleine Befindlichkeiten kein Platz. Ich mein, ehrlich: Wo ist der große Benefit für den ottakringer Hilfshackler, wenn man dem eine Afghanensippe vor den Latz knallt? Jedenfalls erkennt er die Segnung der edlen Gesinnung nicht so recht, wenn er auf Zimmer/Küche überlegt, wie er seine 1.100 netto verbraten soll. Aber die, die es besser wissen, fühlen sich mit jedem edlen Ziel größer. Ihre heldenhafte Gesinnung ist ein wunderwunderschönes Manterl, das man sich gerne umhängt. Die Querulanten haben natürlich wieder geplappert „Eh klar, wer keinen inneren Kern, keine Substanz hat, der braucht das Manterl mit dem er sich verorten kann. Wer gar nicht weiß, wer er selbst sein könnte, der ist halt Rapidler. Weilll nämlllich, Rapid ist eine Rellligion!“ Jetzt weiß der, dessen Religion Rapid, und der alles andere unterzuordnen ist wahrscheinlich nicht, dass er Gesinnungsethiker ist. Die Klimabewegten und die Weltretter im Allgemeinen womöglich schon. Egal. Wichtig ist etwas ganz anderes.

In den letzten eineinhalb Jahren haben wir unsere Feuerprobe bestanden. Die Denker – das ist nicht so meins – haben vorgegeben was jetzt vernünftig ist, und wir haben unsere Erfahrungen in der praktischen Umsetzung eingebracht. Also diese Maskenpflicht war super. Zuerst die eine dann die andere. Das ist wichtig und vernünftig – beides gleichzeitig – haben die erklärt. Alles, klar Käptn. `Wir stehen bereit. Und dann sind wir ausgeschwärmt und haben die Einhaltung überwacht. Der Vernunft haben wir im Supermarkt zum Durchbruch verholfen. Das soll sich einer trauen, nicht mittun wenn es um die gute Sache geht. Und wirklich, da spürte ich auch dieses warme Gefühl das sich ausbreitet, wenn man der richtigen Idee ein hilfreiches Werkzeug sein darf. Schön!

Aber jetzt nicht auf dem Erreichten ausruhen. Große Aufgaben harren unser. Die Klimasache ist sooo wichtig. Wieder sehr angenehm: Es gibt nur ein Richtig. Das wird sonst eh nur verwirrend.

Wir warten schon bis unsere Freunde im strategischen Überbau mit denken fertig sind – das ist nicht mehr nur der junge Mann, der sich so warm um uns sorgt; es lauern schon viele mehr, mit noch weitergehenden Ansätzen. Dann schlagen wir los. Schöne, neue Welt. Haltet euch fest.

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