Spätestens seit der Weltwirtschaftskrise 2008 sollten wir uns Gedanken machen wie unser Wirtschaftssystem eigentlich funktioniert. Seit der Finanzkrise macht sich in der Gesellschaft nämlich ein Gefühl der politischen Ohnmacht gegenüber den Finanzmärkten breit, während die Politik scheinbar zwischen der Bevölkerung und den Märkten lediglich als "Mediator" fungiert. "Die Märkte beruhigen" scheint die Hauptaufgabe der EU-Regierungschefs zu sein und die sozial-politische Dominanz der Märkte wird als "alternativlos" dargestellt. In diesem Beitrag werde ich nicht weiter auf die Krise, bzw. auf die negativen Aspekte des Wirtschaftssystems eingehen, sondern aufzeigen, dass es doch Alternativen gibt!
Einer der wichtigsten Aspekte der Ökonomie ist die monetäre Politik. Hierbei ist die Rede vom "Geld". Sprüche wie: "Geld regiert die Welt" sind in der Alltagssprache integriert und wohl bekannt. Doch wer das Geld wirklich besitzt, bzw. wer wirklich die Macht hat den Wert des Geldes festzulegen und die Scheine zu drucken, ist weniger bekannt. Die viel wichtigere Frage, "Wer regiert das Geld?", die bleibt hinter einer nebeligen Wolke versteckt. Unzählige Bücher wurden schon geschrieben und kritisieren dabei die privaten bzw. semi-privaten Zentral- und Geschäftsbanken (FED; EZB...), welche durch die Steuerung des Zinssatzes und mittels Ausgabe von "Fiat-Geld" (intrinsisch wertlos) die gesamte Wirtschaft buchstäblich enteignen. Weitere Details zur Kritik am bestehenden Finanzsystem, finden Sie im Literaturverzeichnis, wo zahlreiche Ökonomen, Historiker und Wirtschaftsexperten zitiert werden.
Ist angesichts der ökonomischen Machtstruktur eine bessere Welt überhaupt möglich? - so die zentrale Frage meines Beitrags:
Dieser Frage bin ich im Interview mit dem österreichischen Theologen Karl Immervoll nachgegangen. Der Betriebsseelsorger aus dem Waldviertel interessiert sich aus ethischer Sicht wie Geld die Menschen beeinflusst. Er studierte die Geldsysteme in Wales und England und initiierte eine Alternativwährung im Waldviertel (Österreich). Über 200 Unternehmen akzeptierten dieses Währungssystem, welches er einführte. Damit tritt der "Waldviertler", wie die Währung genannt wird, in die Fußstapfen des Wunders von Wörgl. Als 1932 der Bürgermeister Michael Unterguggenberger eine umlaufgesicherte Währung, nach dem theoretischen Modell von Silvio Gisell einführte, schützte er damit Wörgl vor Abwanderung, Arbeitslosigkeit und Wirtschaftskrisen - und das zur Zeit der Weltwirtschaftskrise 1929. Genau vor diesen global-ökonomischen Tendenzen des Kapitalismus schützt auch der Waldviertler.
Laut Immervoll fliehen jährlich 12 Mio. Euro aus dem Waldviertler Gebiet. Diese verlorene Wertschöpfung wird in der Region durch diese alternative Währung gehalten. Überspitzt formuliert könnte man meinen, dass eine gelungene ökonomische Revolution mit der Einführung dieser Komplementärwährung in der kleinen Stadt Heidenreichstein begann. Karl Immervoll und die von ihm initierte Währung schaffte darüber hinaus ein Bewusstsein, dass es doch eine Alternative gibt. Der "Waldviertler" hat Menschen in das Wirtschaftssystem integriert, die beim "Euro-System" ausgeschlossen worden sind. Ein besseres Leben ist also doch mögich! Kooperation statt Konkurrenz heißt das Motto. Als Beispiele hierfür zählen:
Werkstätte für Menschen mit Behinderungen;
Regelmäßige Regionalmärkte zur Förderung von kleinen Unternehmen;
Arbeitsloseninitiativen;
Die Einführung eines Solar-Taxis (das erfolgreichste Gemeinde-Taxi Österreichs)
Solche Initiativen werden gestartet, sobald das Geld eine kooperative und gemeinnützige Funktion hat. Der Kerngedanke sollte Solidarität sein, denn wir dürfen nicht vergessen, dass der Mensch ein soziales Wesen darstellt. Ich persönlich frage mich, warum dieses Paradebeispiel eigentlich nicht in den Mainstream Medien gezeigt wird?
Könnte doch der Waldviertler zum Dominoeffekt werden und andere Gemeinden und Städte dazu motivieren einen ähnlichen Weg zu gehen. In einem Stadtteil von Tripoli (Libanon) hat Michael Mayerhofer ein Projekt gestartet, welches sich am Waldviertler orientiert (WRN, 35/2016). Das Varna Friedensforschungsinstitut VIPR plannt in einem "Öko-Dorf" in Bulgarien ein ähnliches Experiment.
Ein Vorbild für Karl Immervoll und seine "Waldviertler" Währung ist sicherlich die größte Genossenschaft Spaniens, namens Mondragón. mondargonMit einem 12 Mrd. € Umsatz jährlich ist es die produktivste Genossenschaft der Welt, welche nach solidarischen Prinzipien aufgebaut wurde. Intern können Arbeitnehmer auch im demokratischen Abstimmungsprozess teilnehmen. Die Baskenregion könnte insofern also ein Vorzeigebeispiel nicht nur für die Waldviertler Region sein, sondern vor allem für die wirtschaftlich schwächeren Regionen und Städte Europas. In Österreich gibt es auch eine solidarische basisdemokratische Genossenschaft, welche auf eine regionale Stärkung und mehr Autonomie hinarbeitet - Allmenda. Das Genossenschaftsprinzip und die Einführung von Regionalwährungen sind also revolutionäre Mittel für mehr Autonomie und wirtschaftliche Stabilität!
Eine Ökonomie welche auf Egoismus und Konkurrenz basiert, fördert Krieg und ungerechte Wohlstandsverteilung. Die Geschichtsbücher belegen dies eindrucksvoll. Schon allein deswegen müssen wir zurück zu ethischen Tugenden. Vielleicht sogar zurück zur "Schenkökonomie" (Prof. David Gräber)? Versuche sich gegen die zentrale Macht zu wehren gibt es auch in Vorarlberg. Dort kursierten eine Zeit lang fünf Regionalwährungen: der Klostertaler, der Walsertaler, der Walgauer, die Langenegger Talente und der V-Thaler. Doch als dieses Bundesland sich emanzipieren wollte und versuchte eine starke regionale Währung auf die Beine zu stellen, stießen die Initiatoren auf eine bürokratisch- zentralistische Repression. Fazit: Die Legitimationsgrundlage des Währungsmonopols muss in Frage gestellt werden, damit die Demokratie leben kann!
Ein Perspektivenwechsel: "Soziale Anerkennung, sollte man nicht über intrinsisch wertlose Scheine erhalten, sondern durch die kooperative Zusammenarbeit in einer Gesellschaft" - so das Fazit von Immervoll.
Denkanstöße:
Fördern Sie die regionale Wirtschaft, insbesonders die kleinen Unternehmen;
Vereinigen Sie sich, bzw. schließen Sie sich Genossenschaften an;
Führen Sie in diesen Genossenschaften alternative Währungssysteme ein, nach dem Vorbild vom Wörgler Schwundgeld - denn damit verhindern Sie dass man ohne Arbeit Geld aus Geld macht (Zinseszinssystem);
Meiden Sie multinationale Konzerne, welche aufgrund von Steueroasen einen großen Teil der Wertschöpfung der Gesellschaft entziehen;
Besprechen Sie folgende Fragen mit Ihrer Familie, Nachbarn, Freunde und mit Experten:
Wem schulden die Staaten eigentlich das Geld (Staatsschulden)?
Ist Vertrauen das wertvollste Gut, mit dem Banken handeln, angesichts der ungedeckten und intrinsisch wertlosen Scheine?
Auf welcher Legitimationsbasis setzt sich bis heute das Währungsmonopol durch?
Literatur:
Waldviertler Regionalwährung Newsletter 125, September 2016, Woche 35, S.1.
Margrit Kennedy - Geld ohne Zinsen und Inflation: Ein Tauschmittel das jedem dient, Goldman, 2006.
Margrit Kennedy, Bernard Lietaer - Regionalwährungen, Riemann Verlag, 2004.
Ludwig von Mises - Theorie des Geldes und der Umlaufmittel, Duncker & Humbolt, 1924.
Ludwig von Mises - The Theory of Money and Credit, Liberty Fund, 1981.
Murray N. Rothbard - What Has Government Done to Our Money?, Auburn University, 1990.
W. V. Harris - The Monetary System of the Greeks and Romans, Oxford University Press, 2008.
Esther Leitgeb - Bachelorseminararbeit: Regionalwährungen in Österreich im geschichtlichen Verlauf, 2014.
Charles A. Lindbergh - Banking and Currency and The Money Trust, OMNI Publications, Kansas.
Bernd Senf - Der Zins bei Marx und Gisell, 1998.
Nigel Dodd - The Social Life of Money, Princeton University Press, 2014.
Friedrich August Hayek - Denationalisation of Money, The Institute of Economic Affairs, 1978.
Geoffrey Ingham - Capitalism, Polity Press, 2008.
Geoffrey Ingham - The Nature of Money, Polity Press, 2004.
Georg Simmel - The Philosophy of Money, Routledge, 2004.
Hjalmar Schacht - The Magic of Money, Oldbourne Book, 1967.
Irving Fisher - 100% Money and the Public Debt, Yale University, 2009.
Irving Fisher - The Money Illusion, 2009.
James Rickards - Währungskrieg, Finanzbuch Verlag, 2012.
Jocelyn Pixley, G.C. Harcourt - Finacial Crisis and the Nature of Capitalist Money, Palgrave Macmillian, 2013.
Joseph Volg - Das Gespenst des Kapitals, Diaphanes, 2010.
Karl Walker - Das Geld in der Geschichte.
Gaettens, Richard: Inflationen - Das Drama der Geldentwertungen vom Altertum bis zur
Gegenwart.
Michael Mann - The Sources of Social Power, Cambridge University Press, 1986.
Jürgen von Hagen, Michael Walker - Money as God?, Cambridge University Press, 2014.
Noam Chomsky - Profit over People, Steven Stories Press, 1999.
Paul Kellermann (Hrsg.) - Geld und Gesellschaft, VS Verlag für Sozialwissenschaften, 2005.
Dieter Suhr - The Capitalistic Cost-Benefit Structure of Money, Springer Verlag, 1989.
Stephen Zarlenga - Der Mythos vom Geld- die Geschichte der Macht, Conzett Verlag, 1999.
Rory Naismith - Money and Power in Anglo-Saxon England, Cambridge University Press, 2012.
Mit Bildern: http://wp.me/P5Y2mZ-ou