Dieser Beitrag wird unsere bestehenden Denkmuster bezügliches des Staates hinterfragen. Dabei versuche ich anhand der Verflechtungsanalyse vom Deutschen Historiker Wolfgang Reinhard den Begriff „Staat“ zunächst zu dekonstruieren, um ihn anschließend zu rekonstruieren. Einfacher gesagt: Ich versuche herauszufinden wie im Gesetz, in der Alltagssprache und in der Literatur der Staat beschrieben und betrachtet wird, um anschließend über diese Vorstellung hinaus blicken zu können und somit die Entwicklung des Begriffes, als auch des Staatswesens zu beschreiben. Die Kernfragen lauten: Warum nehmen die meisten Menschen die Staatsgewalt als etwas gegebenes an? Warum fragen nur wenige interessierte welche Machtmechanismen eigentlich zur Entstehung des Staates beigetragen haben? Warum denken wir so wie wir denken?

Europa hat den Staat erfunden:

„Der Staat ist keine „anthropologische Notwendigkeit“ (Ulrich Scheuner), er ist weder „uranfänglich“ (Friedrich C. Dahlmann), noch ist „Der Staat an und für sich das sittliche Ganze, die Verwirklichung der Freiheit“ und damit das Ziel der Weltgeschichte (G. W. F. Hegel). Die politische Anthropologie hat so viele „Gesellschaften ohne Staat“ ausfindig gemacht, und der weltweite Export des europäischen Staates durch den Kolonialismus hat gezeigt, dass dieser Staat als weltgeschichtliche Ausnahme und nicht mehr als Regel gilt“ (Reinhard, 2002: 15).

Schon in den ersten Sätzen des renommierten Deutschen Historikers Wolfgang Reinhard wird klar, dass der Staat keine Notwendigkeit im menschlichen Zusammenleben darstellt und nicht seit Anbeginn der Menschheit existierte. Erst mit der blutigen Verbreitung dieses Herrschaftsinstruments (Kolonialismus) und im Zusammenspiel mit dem Aufstieg des Kapitalismus wurde unser heutiges Denkmuster von Gesellschaft und Staat geformt. Was wir heute als gegeben wahrnehmen und nicht hinterfragt akzeptieren, war vor einigen Jahrhunderten anders. Doch bevor ich auf die Entwicklungsgeschichte konkreter eingehe, will ich den Begriff Staat analysieren:

Zur Begriffsgeschichte:

Die Begriffe Status, stato, estat, estado, estate, stat usw. bezeichneten zunächst ein Landgut und im Zusammenhang damit den Zustand des Gemeinwesens im Sinne seiner Verfassung. Dann bezeichnete es den Hofstaat eines Fürsten, dessen Regime und die Sphäre seiner Politik, bis schließlich daraus im Verlauf der Zeit ein Synonym von „Res publica“ (Gemeinwesen) daraus wurde – in Italien bereits um 1500, in Frankreich im Laufe des 16. Jahrhunderts und in England im 17. Jh. In Deutschland trat diese Entwicklung etwas später ein.

Deutsche Juristen haben die Staatslehre danach ausgebaut und 1837 den Staat zur Rechtsperson erklärt und schließlich seine maßgebliche Definition entwickelt: Demnach kennzeichnen drei Merkmale einen Staat:

ein Staatsgebiet (als ausschließlicher Herrschaftsbereich bzw. als Bereich der Extraktion von Steuern und Ressourcen),

ein Staatsvolk (sesshafter Personenverband),

eine souveräne Staatsgewalt, was a) nach innen das Monopol der „legitimen“ Anwendung physischer Gewalt bedeutet, b) nach außen die rechtliche Unabhängigkeit von anderen Instanzen.

Diese juristische Definition wird der historischen Entwicklung des Staatswesens jedoch nicht gerecht, da die Machtbereiche der Eliten, die territorialen Staatsgrenzen und die soziokulturellen Bedingungen ein komplexes Geflecht darstellen, welche über den soeben definierten Rahmen hinaus gehen. Historiker sollten daher nicht den zeitlos abstrakten Staat, sondern die Konkreten Personen und Institutionen in den Mittelpunkt stellen, denn dort fanden die Machtbildungsprozesse statt, deren Endstufe „Staat“ heißt (Reinhard, 2002: 16).

Ein sprachliches Beispiel kann die erwähnte Komplexität ganz einfach beschreiben. Der deutsche Begriff „Gewalt“, den wir in der juristischen Definition unter „Staatsgewalt“ kennenlernten, zeigt die Mehrdeutigkeit der Geschichte und die soziale Komplexität hervorragend:

Gewalt bedeutet a) die rechtliche Verfügungs- oder Amtsgewalt. Bezeichnet somit b) die Ämter und die Amtsinhaber und wurde noch vor der Erringung des staatlichen Gewaltmonopols häufig in ausgesprochen gewalttätiger Weise ausgeübt: Krieg und Gewalttaten kennzeichnen den Aufstieg des modernen Staates. Gewalt setzt somit Macht voraus. Und Macht ist wie der deutsche Soziologe Max Weber beschrieb: „die Chance, innerhalb einer sozialen Beziehung den eigenen Willen auch gegen Widerstreben durchzusetzen, gleich worauf diese Chance beruht„. Das ist deswegen möglich, weil die Mächtigen organisiert sind, die Ohnmächtigen hingegen nicht (Michael Mann). Die Inhaber der Staatsgewalt bezeichnet man als die Machtelite. Individuen oder Gruppen, deren Wille als „Staatswille“ gilt, heißen Staatsorgane (Jellinek, 1959: 540). Wie spiegeln diese Aussagen der Gelehrten jedoch die Wahrnehmung der meisten Menschen wieder?

Hier wird deutlich, weshalb auf der Grundlage neuerer hermeneutischer und linguistischer Wissenschaftstheorien von der „Erfindung“ oder „Konstruktion“ gesellschaftlicher und historischer Wirklichkeit gesprochen wird, die zunächst „dekonstruiert“ werden müssen, bevor sie „rekonstruiert“ werden können. Weil Denken und Reden in Diskursen gefangen sind, die hin und wieder von Mächtigen bestimmt werden und weil Diskurse durch anonyme Selbstverständlichkeiten ablaufen, ist Wirklichkeit nie „an sich“, sondern stets nur als Konstrukt greifbar. Deswegen ist es wichtig den Begriff Staat, oder den Begriff Staatsgewalt kritisch zu hinterfragen, wenn man einen politischen Diskurs führen will. Der Staat ist weder metaphysische Substanz noch natürlicher Organismus, sondern ein durch Machtprozesse menschlichen Handelns zustande gekommenes Gedankengebilde. Niemand hat je den „Staat“ gesehen, sondern allenfalls Staatsorgane als Verwirklichung von Staatsgewalt (Reinhard, 2002: 18). Wie will man daher politische Probleme unserer Zeit lösen, wenn man die theoretischen Lösungsversuche im Kontext des zeitgenössischen Diskurses gebunden bleibt?

Eine etwas trostlose, aber nichtsdestotrotz ernste Aussage kam vom vielleicht einflussreichsten Rechtsphilosophen des 20. Jahrhunderts Gustav Radbruch: „Auch wenn diese Sicht der Dinge schon lange als „Lebenslüge des Obrigkeitsstaates“ erkannt ist, lebt sie im populären deutschen Diskurs immer noch in der Rede vom „Vater Staat“ weiter (in Reinhard, 2002: 19). Dies führt uns unweigerlich zum nächsten Kapitel und somit zur Genesis des Staates.

Geflecht von Kirche, Glaube und Staat:

Angesichts des bisher erwähnten, muss man folgendes feststellen: Der Staat wird von der Mehrzahl der Menschen auf einer religiösen Art und Weise fraglos geglaubt. Herrschaft funktioniert nur so lange, als nicht nur der Glaube an ihrer Nützlichkeit, sondern auch an ihre Rechtmäßigkeit, ihre Legitimität, bei den Untertanen aufrechterhalten werden kann (David Hume). Macht ist ja keine spezifische menschliche Eigenschaft (Foucault), sondern ein Kommunikationsmedium zwischen Personen (Niklas Luhmann)! Sie beruht a) auf Gegenseitigkeit und b) auf Vertrauen. Der moderne Begriff des Staates und seiner Verfassung ist aus der Säkularisation des Kirchenbegriffs entstanden (Friedrich, 1970: 403). Der „gottgleiche“ Souverän von Hobbes (Leviathan), nahm den Platz der christlichen Konfessionen ein. Vertragstheoretiker (Kontraktualisten) wie Locke, Hobbes und sogar Rousseau legitimierten die Staatsgewalt (also den Staat) mit der Begründung, er sei für das Gemeinwohl zuständig. Insofern verschmolzen mit der Zeit die Identitäten von Gemeinschaft (Volk) und Staat. Diesen Fehlschluss und aus meiner Sicht „Fehlentwicklung“ ist auch dem scharfen Philosophen Friedrich Nietzsche nicht entgangen: „Staat“, – so Nietzsche, „heißt das kälteste aller kalten Ungeheuer. Kalt lügt es auch; und diese Lüge kriecht aus seinem Munde: „Ich, der Staat, bin das Volk.“ (Nietzsche, 1892).

Im Wettkampf um Macht, rivalisierten sich Familien, Dynastien, Kriegerstämme und später Monarchen, Adelige, Aristokraten und der Klerus bzw. die Kirche. Den Machtbereich konnten diese im „inneren“ ausweiten (Ausbeutung, Indoktrinierung, Konsolidierung), oder im verbündeten Kampf nach „außen“ (Expansionskriege). Dieser Wachstumsdrang ist insofern pyramidal aufgebaut, da die Dynastien Helfer heranziehen mussten im Kampf gegen den verfeindeten Adel und der Kirche, wobei dadurch neue Machteliten entstanden, die an der Herrschermacht teilnehmen durften und so deren Wachstum auch zu ihrem Wachstum machten. Als sich nun einige Familien konsolidierten und die Macht so weit ausbauten, dass sie den Krieg, Patriotismus und sogar die Religion in den Dienst ihrer eigenen Zwecke missbrauchten, wuchs die Staatsgewalt kontinuierlich an. Krieg war somit, wie schon erwähnt, ein Eckpfeiler des Staatswesens und ist ein grundlegender Faktor der Machtakkumulation. Kriege wurden jedoch oftmals über Kredite finanziert, was zur Symbiose von Staat und Kapital führte. Steuern und die Münzprägung waren somit das Öl der Kriegsmaschine. Das Resultat ist logisch: Auf der einen Seite brauchte der neue Steuerstaat einen wachsenden Extraktions- und Erzwingungsapparat und auf der anderen Seite entstand ein perpetuum mobile. Ein zirkulärer „autonomer Prozess“ wurde also ausgelöst, bei dem kontingente Ausgangskonstellationen zu Motiven und Handlungen führen, die eine ursprüngliche Konstellation reproduzieren und den Prozess fast automatisch am Laufen erhalten. Ressourcen- und Steuereinnahmen und der Erzwingungsapparat schaukelten sich hoch und bedingten einander, bis auf diese Weise das ständige Wachstum der Staatsgewalt irreversibel geworden war. Dieser „coersion-extraction-cycle“ (Samuel Finer) ist zwar nicht in allen Ländern gleich ausgebildet, aber auf dem Weg zum „modernen Staat“ vorübergehend überall zu beobachten! (Vgl. Reinhard, 2002: 22ff). Diese Argumentation wird in ähnlicher Weise vom Anthropologen Prof. David Gräber vertreten. Er sieht die Münzprägung und den dadurch entstanden Markt, als konstitutiv für das neu entstandene „stehende Heer“. Das Ziel des Heeres war die wirtschaftliche und territoriale Expansion, wobei die Menschen fremder Völker versklavt wurden. Dies brachte wiederum mehr Gold zur Münzprägung in die „Staatskassen“, wobei dadurch mehr Soldaten bezahlt werden konnte. Diesen Prozess beschreibt der britische Soziologe Geoffrey Ingham, als den „Militär–Münzgeld– und Sklaverei–Komplex“. Geld, Krieg und Staat sind, wie wir aus der Geschichte kennen, sehr eng miteinander verwoben.

Legitimation und Symbolismus:

Wie kommt es, dass die Geschichte des Staates deutlich zeigt, dass diese nicht auf harmonischer Gegenseitigkeit und Kooperation beruht, sondern weitgehend von Gewalttätigkeit und Erpressungen gekennzeichnet war und trotz dieser Tatsache die meisten Menschen sowohl den Staat, als auch die liberale Demokratie als alternativlose und als bestmögliche Lebensform betrachten? Dies beruht auf einem langjährigen und sehr komplexen Gesellschaftsprozess, den ich nur kurz skizzieren werde.

Dynastie Hohenzollern, Deutsches Historisches Museum

Wie schon erwähnt: Mit dem Anstieg des staatlichen Gewaltmonopols, stieg auch der Legitimationsbedarf. Wie verschaffte man sich nun Legitimation? Das Kulturerbe des Imperium Romanum, zeugt zunächst von einer Kirche, die im Besitz des Bildungsmonopols (mit ihren kirchlichen Vorbilder), als Legitimationsgrundlage der Fürsten, Könige und Kaiser fungierte. Im antiken Griechenland wurde die Macht, also das Gewaltmonopol durch Eroberung legitimiert. „Staatsgewalt durch Gewalt“, wenn man es vulgär formulieren möchte. Doch schon im antiken Griechenland oder im auch im römischen Reich stoßen wir auf die Selbstinszenierung als probates Herrschaftsinstrument. Man berief sich dank der Kirche auf eine göttliche Abstammung und auf die Spielregeln des „Gottesgnadentums“. Mit Ehrennamen, Amtsbezeichnungen und dem „Mythos vom auserwählten“ entstand das „Majestätsverbrechen“. Dieser offensichtliche Mythos wurde dadurch gestützt, dass man Zeremonien, Rituale und Feste organisierte, während man Schlösser, Denkmäler, Gemälde und u.a. Hofpaläste baute. Die Pharaonen bauten Pyramiden um ihre Macht, Stärke und „Gottgleichheit“ zu symbolisieren. Genau so bauten die Könige Schlösser und Paläste, um mit dieser kulturellen Hegemonie auch ihre politische Hegemonie voranzutreiben (zu legitimieren). Da die Staatsgewalt eine Männer-dominierte Szene darstellt, könnte man den hegemonialen kulturellen Symbolismus, namens Ehre, Würde und Stolz als ein Teil des patriarchalen Systems definieren.

Um den Prozess etwas anschaulicher darzustellen, nehme ich ein einfaches Beispiel aus der Geschichte: Der königliche Hof, meist ein prunkvolles Schloss, war ein diplomatisches und kulturelles Zentrum. Im Hof wurde der Adel integriert und zwar in der Machtpolitik des Königs. Der Hof diente auch zur Disziplinierung der Beteiligten, indem kulturelle Spielregeln wie Prestige (als System von Symbolik und Zeichen) oder Zivilisierung (der Hof machte sie „höflich“) sozialisiert wurden. Der Hof hat einen weiteren Zweck: nämlich diente der Vernetzung mit regionalen Eliten und somit auch als Instrument zur informellen Kontrolle des Landes (dort wo die Bürokratie fehlt). Tänze, Festmähler und Orgien dienten als Abwechslungen zu den Ritualen, wurden dadurch also selbst zum Ritual. Diese Rituale bieten durch stereotypische Wiederholung eine Verhaltenssicherung. Zeremonien betonen nochmal das metaphysisch-ästhetische am Ritual nach außen und belegen klar die Hierarchie (innerhalb der Machtelite). Nach außen, dem Volk gegenüber, wirkt die Zeremonie wie ein göttliches Spektakel, von unerreichbaren Höhen. Der Glanz, Prunk und Luxus soll die Überlegenheit der Elite gegenüber dem Volk klar darstellen. Andererseits schreiben wie schon erwähnt die höfischen Zeremonien auch den Rang fest, welche im alltäglichen Umgang zu sehen waren: z.B. war es ein Zeichen des (notwendigen) Respekts wenn man im Brief an den Kaiser zwischen der Anrede und dem Text vier Fingerbreiten Abstand lässt, hingegen an den Papst sechs Fingerbreiten Abstand lässt. In Frankreich war genau festgelegt wer neben wen sitzen darf, oder wer mit wem tanzen darf. Auch die Kleidung enthielt ein sorgfältig geregeltes System von Statussymbolen. Dies sind die ersten Manifestationen der Kulturpolitik als Propaganda! Hier ist die Rede von der Übertragung der Wahrheit durch Symbole. Der Rahmen (Frame) unseres Denken und somit der Rahmen des politischen Diskurses hängt also von unhinterfragten Begriffe, Symbole und Emblematik ab. Die Emblematik, wie sie heute u.a. auch bei Freimaurern zu sehen ist, wurde zu einer Art Wissenschaft, ähnlich wie die Architektur der königlichen Schlösser. Ein Emblem besteht aus einem symbolischen Bild, einer Sentenz und einem längeren Kommentar, die eine moralische oder politische Nutzanwendung daraus ziehen. So bekam die antike Mythologie eine Verwendbarkeit (Reinhard: 2002, 81-114). Warum musste ich diesen Sozialisierungsprozess darstellen? Ganz einfach: damit wir verstehen, wie es sein kann, dass bis heute Königreiche bzw. Monarchien (England – Königin, Luxenburg – Großherzog, Monaco – Fürst…) unhinterfragt großes Ansehen haben, anstatt das sie als machtpolitische Herrscher betrachtet werden. Wie kann es sein, dass im 21. Jahrhundert der technische Ausdruck im britischen Verfassungsgesetz „King/ Queen in Parliament under God“, als eine Steigerung der monarchischen Macht, noch immer konstitutiv für das Commonwealth ist?

Staaten des Commonwealth of Nations. Nachfolge des British Empire. Bildquelle: Wikipedia

Wie kann es sein, dass der Staat und die institutionalisierte Macht (Staatsgewalt) als wissenschaftlicher Kanon akzeptiert ist?

Einen kleinen Abschnitt möchte ich nun dem Recht und Justiz widmen, die geschichtlich betrachtet eng mit der Staatsgewalt in Verbindung steht. „Recht ist heute von der Staatsgewalt monopolisiert. Recht war ursprünglich identisch mit Religion, Moral und der Sitte und geriet immer mehr in die Sphäre des politischen. Dies macht die Mehrdimensionalität jeder Rechtsentstehung deutlich, die vom heutigen staatlichen Rechtssetzungsmonopol verschleiert wird! Recht ist nämlich immer: a) ein Machtmittel der jeweiligen Herrschaft (z.B. N.S. Rassengesetze; Machterweiterung des Führers); b) ein Spiegelbild bzw. ein Reflex der jeweiligen gesellschaftlichen Verhältnisse (Hierarchie); c) ein Ausdruck der jeweiligen sittlichen Überzeugungen (z.B. Abtreibungsrecht); d) Steuerungsmittel der soziokulturellen Strukturen (z.B. Familienstruktur). Recht, wie wir hier schon erkennen können ist somit gleichzeitig materiell und ideell begründet, zugleich ein rationales Konstrukt als auch ein Ausfluss menschlicher Emotionen (Harold J. Berman).“ (Vgl. Reinhard, 2002: 281ff).

Recht und Justiz geht einher mit Bürokratie, Herrschaft, Staatsgewalt und sozioökonomische Faktoren.

Mit dem Recht werden wir zum „Berechenbaren Tier „(Nietzsche – Genalogie d. Moral), weil die Fülle des Lebens auf Standardfälle reduziert wird und der Mensch bzw. zwischenmenschliche Prozesse regulierbar gemacht werden. Der Vorteil der dabei in den Rechtswissenschaften erwähnt wird , nämlich die Reduktion von Komplexität (Niklas Luhamann), verschleiert die damit einhergehende Reduktion und Regulation des menschlichen Subjekts. Recht war in der Antike als ein religiöser Akt zu betrachten. Ohne die Zwangsgewalt des Staates basierte das Recht und die Justiz zu einem gewissen Maße auf der freiwilligen Kooperationsbereitschaft der (archaischen) Parteien, wobei der Glaube an „magische Rechtsmitteln und Gottesurteile“ (Zweikampf, Feuerprobe…) eine Rolle spielten. Dies deutet schon darauf, dass Glaube und in späterer Folge die Kirche eine große Rolle in der Entwicklung der europäischen Rechtsgeschichte spielte (juristische Revolution vom 11./12. Jh.). Fazit: Auch in diesem sozialen Bereich sind Kirche, Glaube, Staat und Macht bzw. Herrschaft eng miteinander verbunden.

Abschließend gehe ich auf die Zukunftsprognose der Entwicklung des Staates ein:

Die Zukunft:

Auf einem begrenzten Planeten können Ressourcen und kann somit Wachstum nur begrenzt stattfinden. Sobald jedoch das Perpetuum mobile, als Symbiose von Staat und Kapital, an diese Grenze gerät, beginnt eine Krise und/ oder ein Krieg. Man könnte daher meinen: „der Staat steht und fällt mit seinem Steuer- und Kreditsystem sowie der notwendig gewordenen Wirtschaftspolitik“ (Reinhard, 2002: 28). Vorher wird die Staatsgewalt jedoch massiv ausgebaut und bekommt totalitäre Züge an. Militär, Polizei und Geheimdienste werden ausgebaut, oder mit anderen Worten: Die Machtpolitik wird zum Selbstläufer! Diese Faktoren sorgen für eine Delegitimierung des Staates, da diese Prozesse offen (also nicht versteckt) und logisch-notwendig geschehen (wie es die Geschichte deutlich zeigt). Der Mythos der Einheitlichkeit der Staatsgewalt geht durch den Prozess der Globalisierung verloren und daran zerbricht gleichzeitig das Bild der Moderne. Die Zukunft liegt in den selbstorganisierten solidarischen Gemeinschaften – also in der Anarchie.

Quellen:

Wolfgang Reinhard, Geschichte der Staatsgewalt: Eine Verfassungsgeschichte Europas ovn den Anfängen bis zur Gegenwart, C.H.Beck, 2002.

Georg Jellinek, Allgemeine Staatslehre, 3. Aufl., 6 Ndr., Darmstadt, 1959.

Michael Mann, The Sources of Social Power, 2. Bde., Cambridge 1986-93.

Max Weber, Wirtschaft und Gesellschaft (Studienausgabe), Köln, 1964.

Carl Joachim Friedrich, Politik als Prozeß der Gemeinschaftsbildung: Eine empirische Theorie, Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, 1970.

Nietzsche, Also sprach Zarathustra. Ein Buch für Alle und Keinen. 1883-1885 (1. vollständige Ausgabe 1892).

Verfasst von Muehlbauer Josef am 22.03.2017, aktualisiert am 25.3.2017 und lektorisch Überarbeitet von Marc F. Mit der freundlichen Unterstützung des Varna Friedensforschungsinstitut (VIPR) - Varna Institute for Peace Research: www.vipr-bg.com/de

1
Ich mag doch keine Fische vergeben
Meine Bewertung zurückziehen
Du hast None Fische vergeben
5 von 6 Fischen

bewertete diesen Eintrag

Margaretha G

Margaretha G bewertete diesen Eintrag 29.03.2017 08:19:26

Noch keine Kommentare

Mehr von Josef Mühlbauer