Es war „arschknapp“: 31.026 Stimmen betrug der Vorsprung für Alexander van der Bellen, unseren neuen Bundespräsidenten. Quasi 50/50 und schon scheint Österreich ein gespaltenes Land zu sein. Jetzt muss man dann wirklich das Einende über das Trennende stellen.
Zunächst einmal ist auch mit dem Wechsel an der Regierungsspitze ein Ruck durchs Land gegangen. Da wird sich der eine oder andere von der Regierung enttäuschte wohl gedacht haben: Ok, dieser Kern, der steht für etwas anderes als Streiterei und Gewurschtle. Vielleicht hat das Van der Bellen geholfen oder besser Hofer geschadet. Sei es wie es ist, die FPÖ hat ja in ein paar Dinge logischerweise nicht unrecht.
Wir können tatsächlich ein höheres Maß an direkter Demokratie vertragen, mehr Teilnahme. Das geht doch heutzutage eh ganz schnell. Die FPÖ will mehr Volksbefragungen und -entscheide und damit kann ich mich durchaus anfreunden. Es gibt Fragen, die sollen Experten entscheiden. Es macht ja keinen Sinn, das Volk zu befragen, wie viele Polizeiinspektionen es gibt; und wie viele Ausländer wir reinlassen. Das muss alles finanziert werden. Aber Fragen, die die Menschen direkt betreffen, sollen sie entscheiden können. Kommt da eine neue Umfahrung? Sollen Kindergärten in kleinen Gemeinden zusammen gelegt werden?
Oder die Frage nach der Elite. Ja, ein Gudenus war auch im Privatgymnasium und viele andere Kader der FPÖ auch. Das stimmt schon. Aber es hat sich ja kaum ein Künstler oder so aus der Deckung gewagt und offen Hofer unterstützt. Da können die Wähler schon den Eindruck bekommen, dass eben die, die anscheinend eh Geld (was bei Künstlern eh oft nicht der Fall ist) haben, gegen den sind, der die kleinen Leut' vertritt. Oder die Sache mit der Bildung! Nur weil jemand Maurer - oder wie in meinem Fall „nur“ Koch und Konditor - ist, ist er ja nicht dumm. Oder g'scheit muss der Jus-Absolvent noch lange nicht sein.
Überhaupt die „kleinen Leut'“: Wer schafft denn heute schon den sozialen Aufstieg? Haben die Eltern von vor allem Burschen keine Matura und vielleicht auch noch Migrationshintergrund, dann schauen Bildungs- und Aufstiegschancen schlecht aus. Da brauchen wir mehr. Vor allem mehr Vorbilder und Geschichten. Erfolg muss, vor allem auf unternehmerischer Ebene, wieder möglich sein. Es kann ja nicht sein, dass seit gefühlt ewig Attila Dogudan von Do&Co unser bestes Beispiel für exakt diese Gruppe ist.
Wenn wir jetzt aber hergehen und allen Freunden ein Bild mit Kern und VdB zeigen und deshalb glauben, wir sind hier in Österreich eh alle super, dann ignorieren wir, dass diese Regierung bei Neuwahlen am Sonntag erstens wohl kaum noch einmal eine einfache Mehrheit zustande bekäme und gut 50 Prozent der Wählerstimmen eben nicht an Van der Bellen gingen. Ganz und überall unrecht haben die Blauen auch wieder nicht. Also her mit den guten Ideen, kurz nachdenken und umsetzen.