Auf Geschäftsreisen kann man immer etwas erleben! Abgesehen von unvorhergesehenen Wendungen in einem Meeting passieren auch so nebenher Dinge, die man nie vergisst. Im Nachhinein immer zum Schmunzeln, in der Situation oft gar nicht so lustig.
Frühflug nach Zürich. Die sogenannten Tagesrandverbindungen (erster Flug hin, letzter Flug zurück) sind voll mit Leuten, die geschäftlich fliegen. Es bietet sich ein einheitliches Bild im ganzen Flieger. Herren im Anzug, Damen im Kostüm oder sonstigen Business-Outfit. Alle schauen in den Laptop und bereiten eine Präsentation vor oder lesen Wirtschaftsblatt, Presse oder Standard.
Wer kann, stopft alles in sein Handgepäck, damit er am Flughafen nicht auf seinen Koffer warten muss und so schnell wie möglich zu seinem Meeting kommt. Ich schaffe es in all den Jahren nicht, mit kleinem Köfferchen zu reisen, ich gebe mein Gepäck immer auf.
Ein untrügliches Anzeichen für einen Geschäftsreisenden ist der schwarze Koffer. Wer viel fliegt, weiß, dass der Koffer bald dreckig ist. Deswegen haben Vielflieger ausnahmslos schwarze Gepäckstücke.
Ich stehe also am Band und warte auf mein gutes Stück. Üblicherweise passe ich dieses schon an dem Loch ab, an dem es herauskommt, damit es mir auf keinen Fall entgehen kann. Mit dieser Idee bin ich aber nicht alleine unter den Geschäftsreisenden. Mangels Platzes stelle ich mich an die gegenüberliegende Seite, und da sehe ich den Koffer auch schon aufs Band fallen! In dem Moment spricht mich ein Bekannter an, der auch im Flugzeug war und wir wechseln ein paar Worte miteinander. Inzwischen müsste mein Koffer schon auf meiner Seite sein. Ich halte Ausschau und sehe ihn nicht mehr! Verdammt, wo ist er? Es bleibt mir nichts anderes übrig, als den Durchlauf aller Gepäckstücke abzuwarten und danach den gesamten Bereich der Gepäckausgabe abzusuchen. Vergeblich! Irgendein Vollkoffer hat meinen mitgenommen.
Mein Termin beim Kunden ist in einer halben Stunde, ich muss aber noch zum Lost & Found-Schalter, um zu melden, was passiert ist. Natürlich ist eine lange Schlange vor mir. Und den Sachverhalt zu erklären, dass mein Koffer zwar schon da war, jetzt aber weg ist, ist auch nicht so einfach. Nun gut, alle Formulare sind ausgefüllt, der Kunde ist über meine Verspätung informiert.
Ich hetze Richtung Mietwagenverleih. Auf dem Weg dorthin fällt mir ein herrenloser schwarzer Koffer auf, der am Flughafeneingang steht. Es ist meiner! Der Vollkoffer, der ihn genommen hat, hat ihn einfach dort stehen gelassen, nachdem es ihm gedämmert ist, dass es nicht seiner ist. Ein Glück, dass das Ding noch niemandem aufgefallen ist, denn sonst hätte ihn die Polizei aus Sicherheitsgründen auch noch gesprengt. Zum Lost & Found-Schalter kann ich jetzt nicht mehr, um alles rückgängig zu machen, ein Anruf von unterwegs muss genügen.
Beim Mietwagenverleih erklärt mir ein freundlicher Herr, dass sie überbucht wären und dass das für mich reservierte Fahrzeug leider nicht verfügbar sei. Das einzige, was sie noch anzubieten hätten, wäre ein Renault Kangoo in Lieferwagenausführung. Ich bin eh schon spät dran und habe keine Zeit, mir bei einer anderen Firma ein anderes Auto zu suchen. Also ab in den Lieferwagen.
Mit fast einer Stunde Verspätung fahre ich in meinem Vehikel auf dem Parkplatz meines Kunden vor. Dort parken nur die feinsten Limousinen deutscher Provenienz. Richtig genieren muss man sich! Im Geschäftsleben spielen nämlich Statussymbole eine ganz wichtige Rolle. Mit einem Augenzwinkern werde gefragt, ob es denn meiner Firma so schlecht gehe, dass ich nun schon persönlich die Ware ausliefern müsse. Dann beginnt das Meeting mit fast einstündiger Verspätung. Bei der Fahrt zum anschliessenden Mittagessen wird mir großzügigerweise die Mitfahrt in der deutschen Limousine angeboten ….
PS: Ich habe mich schon einige Zeit mit dem Gedanken getragen, meine "Geschäftsreisen-Memoiren" aufzuschreiben, aber Jürgen hat mich mit seiner Schweiz-Geschichte nun endgültig dazu motiviert. Und da habe ich auch gleich mit der Schweiz angefangen.
PPS: Für alle Kenner: das Foto ist natürlich vom Flughafen Bern