Memoiren einer Geschäftsreisenden - wie der isländische Vulkan und die Deutsche Bahn meine Blase testeten, 1. Teil

Im März 2010 flog ich nach Stockholm auf eine Geschäftsreise. Meine Partner holten mich ab und erwähnten, dass der Flughafen in einer Stunde schließen würde, weil in Island ein Vulkan ausgebrochen sei. Für mich war das eine Randnotiz. Ich würde sowieso ein paar Tage bleiben, und danach würde schon alles wieder vorbei sein. Außerdem, wer weiß, vielleicht übertrieben die Skandinavier und waren übervorsichtig?

Am Abend im Hotel drehte ich den Fernseher auf und sah nur Vulkan, Vulkan, Vulkan! In ganz Europa wurde schon darüber berichtet. Ich fand es aufregend, dass ich sozusagen mitten drin war in der Geschichte, dachte mir aber noch immer, dass es bald vorbei sein würde.

Dann kam ich aber schon ans Ende meines Aufenthalts und begann mich zu fragen, wie ich wohl wieder nach Hause kommen könnte. Ich musste länger im Hotel bleiben. Das war aber kein Problem, denn die einen konnten nicht weg, die anderen nicht rein ins Land. Die Hotelrezeption versorgte mich und alle anderen mich den letzten News bezüglich Reiselogistik. Was ich herausfand, war, dass die Bahn heillos überbucht war, dass auch die Fähren keine Plätze mehr hätten und dass es keine Mietautos mehr gäbe. Alle diese Organisationen hatten ihre Websites stillgelegt, und alle Versuche, anzurufen, schlugen fehl.

Was sollte ich jetzt tun? Ich beschloss, mich weiter zu bemühen, wieder von Stockholm wegzukommen, nutzte aber die Gelegenheit und besichtigte gleich die Sehenswürdigkeiten der Stadt. Im Vasa-Museum ist das 1628 vor Stockholm gesunkene Schiff zu bestaunen. Es war eine Fehlkonstruktion gewesen und ging während seines ersten Einsatzes noch im Hafen unter. Heute steht es vollkommen konserviert im Museum.

Leider ist im April in Schweden noch Winter, nicht einmal ein winziges grünes Pflänzchen gab es. Und das Wetter war bescheiden, kalt, regnerisch, stürmisch.

Auch mein Geschäftspartner bemühte sich redlich, mich und einen deutschen Lieferanten, der zur selben Zeit angereist war, wieder "loszuwerden", jedoch ohne Erfolg. Ich fuhr zum Bahnhof, um meine Möglichkeiten zu erkunden. Die meiste Zeit waren die Schalter geschlossen, aber nach langem Warten schaffte ich es doch irgendwann, zu einem freundlichen Herrn vorzudringen. Mir war aufgefallen, dass die Reisenden vor mir alle mit einem Ticket weggegangen waren. Vielleicht wäre es doch nicht so schlimm! Als ich an der Reihe war, erfuhr ich, dass es nur Tickets nach Kopenhagen gab. Was sollte ich in Kopenhagen? Da wäre ich zwar ein Stück südlicher und näher an der Heimat. Was aber, wenn es von dort keine Bahn weiter gab und alle Hotels ausgebucht waren? Ich hatte nämlich schon solche Meldungen gehört. Ich befand, dass das Risiko zu gross wäre und ich lieber in meinem sicheren Hotelzimmer in Stockholm bleiben würde.

Der deutsche Lieferant meines schwedischen Geschäftspartners lag dem aber permanent in den Ohren, dass er ihm ein Auto leihen sollte, mit dem er nach Deutschland fahren könne. Wie kommt dann aber das Auto wieder zurück nach Schweden? So eine kurze Strecke ist das auch wieder nicht, "nur" zwölf Stunden. Nach einiger Suche fand sich ein Pensionist, der uns gegen Entgelt bis Hamburg bringen würde. Hamburg erschien mir schon besser. Ich malte mir aus, dass meine Chancen, von dort weiterzukommen, höher sein würden. Ich stimmte also zu, es auf diesem Wege zu versuchen.

Schwedische Autobahnen sind wunderbar! Es fährt so gut wie keiner auf ihnen. Ein großes Land und wenige Menschen. Stressig beim Fahren war es nicht. Nur ein bisschen langweilig. Mit 100 km/h immer geradeaus. Zweimal mussten wir die Fähre nehmen. Wir hatten keine Nachrichten, ob wir eine bekommen würden, wir stellten uns auf stundenlanges Warten ein. Hoffentlich mussten wir nicht im Auto schlafen! Aber siehe da, wir kamen bei der ersten Fähre an, hatten genau keine Wartezeit, fuhren auf sie drauf, und sie schipperte auch schon los! Das war schon einmal ein guter Beginn. Vielleicht würden wir auch bei der zweiten Glück haben! Und so war es, ebenfalls keine Wartezeiten. Waren die Medien wieder einmal voll mit falschen Angaben gewesen.

Mein deutscher Mitpassagier hatte inzwischen unermüdlich auf dem Rücksitz des Autos das Internet bemüht, um für uns ein Hotel und eine Bahnfahrt ab Hamburg zu finden. Nach mehreren Stunden war er erfolgreich. Im Hamburg gab es noch zwei Zimmer in einem Luxushotel mit Blick auf die Alster, beste Lage also. Und Bahntickets erster Klasse mit Sitzplatzreservierung ergatterte er auch noch. Zu blöd, dass nur noch das Beste vom Besten zu haben war. Aber unsere Arbeitgeber zahlten das gerne, schließlich hatten sie ja ihre Arbeitnehmer wieder zurück in der Arbeit.

Nach Mitternacht erreichten wir endlich das Hotel, genehmigten uns vor lauter Freude einen Drink und betteten uns dann in den vornehmen Laken zur Ruhe....

6
Ich mag doch keine Fische vergeben
Meine Bewertung zurückziehen
Du hast None Fische vergeben
6 von 6 Fischen

bewertete diesen Eintrag

Bernhard Juranek

Bernhard Juranek bewertete diesen Eintrag 14.12.2015 23:17:08

Silvia Jelincic

Silvia Jelincic bewertete diesen Eintrag 14.12.2015 23:17:08

sumsum

sumsum bewertete diesen Eintrag 14.12.2015 23:17:08

irmi

irmi bewertete diesen Eintrag 14.12.2015 23:17:08

Herbert Erregger

Herbert Erregger bewertete diesen Eintrag 14.12.2015 23:17:08

fischundfleisch

fischundfleisch bewertete diesen Eintrag 14.12.2015 23:17:08

3 Kommentare

Mehr von Judith Innreither