Die Zahlen sind alarmierend: Zwei von drei Arbeitnehmern halten ihren Chef für fachlich ungeeignet, zeigte eine Studie der Beratung Rochus Mummert zum Thema „Emotionale Führung am Arbeitsplatz“. Hierbei ist nicht die Qualifikation als Fachmann oder Fachfrau gemeint, sondern die Fähigkeit, andere Menschen zu führen – die eigentliche Aufgabe einer Führungskraft. Die Umfrage unter 1000 Arbeitnehmern in Deutschland zeigte die häufigsten Mängel der Führungskräfte auf, zum Beispiel der Umgang mit Kritik. 80 Prozent der Chefs haben hier offenbar ein Problem, sachlich und emotionsfrei Kritiken anzunehmen und zu verarbeiten. Ebenso scheint die Fähigkeit, Kritik zu üben ohne Vorwürfe oder Verletzungen, für die meisten noch Neuland zu sein. Laut einer Studie des Instituts für Konfliktmanagement und Führungskommunikation (IKuF) besitzt jeder dritte direkte Vorgesetzte nicht die Kompetenz, angemessen Feedback zu geben.
Empathie, Einfühlungsvermögen, ein Gespür für Menschen – offenbar für die meisten Chefs immer noch Fremdworte. Wer in seiner beruflichen Karriere sich als hervorragender Schräubchendreher profiliert hat, der muss nicht unbedingt auch verstanden haben, dass Führen ein anderes Geschäft ist als die bisherige Fachtätigkeit.
Und wer von der Fachposition in die Führungsposition hineingerutscht ist oder hineingehievt wurde, für den sind Begriffe wie „Psychologie“ Böhmische Dörfer. Der wird auch kaum verstehen, dass er nun nicht mehr dafür bezahlt wird, dass „er es tut“, sondern dass „es getan wird“. In seinem Buch „Psychopathen – Was man von Heiligen, Anwälten und Serienmördern lernen kann“ führt der Autor Kevin Dutton eine Psychopathen Top-Ten-Liste auf. Danach sind die meisten Psychopathen in Chefetagen zu finden. Führungskräfte träfen häufig Entscheidungen gegen den Willen anderer, ließen Gefühle außen vor und dächten vor allem an sich selbst, so der Autor. Kein Wunder, dass es so wenige Firmen mit einer angstfreien Kommunikationskultur gibt.
„Muss ich jetzt der Seelsorger meiner Abteilung sein?“ fragte eine angehende Führungskraft auf einem Seminar. Nein, aber sie sollte sich als Problemlöser und Streitschlichter betrachten – und als Verantwortlicher für das Betriebsklima. Eine Führungskraft muss sich auch ihrer Außenwirkung bewusst sein. So stellte sich bei einem Firmenseminar der Abteilungsleiter breitbeinig, mit offener Jacke und in die Hosentaschen versenkten Händen vor seine Untergebenen und klärte sie über seine zukünftige Erwartungshaltung auf. Die Teilnehmer äußerten nach seinem Abgang unmissverständlich, was sie von seinem Erscheinen hielten. Beim Abschluss-Gespräch wurde er vom Seminarleiter auf seinen suboptimalen Auftritt aufmerksam gemacht. Seine Reaktion: „Die sollen sich nicht so anstellen“. Der Elefant im Porzellanladen? Eine ähnliche Reaktion zeigte ein Schwäbischer Kleinunternehmer, als es um das Thema Humor und Spaß am Arbeitsplatz ging: „Die sollet schaffe und koin Spaß han“. Dementsprechend humorlos zeigte sich das ganze Unternehmen bei der Betriebsbesichtigung.
Da fragt man sich schon, wie solche Führungskräfte zukünftig auf Mitarbeiter einer anderen Generation wirken, wie attraktiv sie für den zukünftig benötigten Personalnachwuchs erscheinen. Ganz abgesehen davon fragt man sich, ob solche Beziehungskrüppel überhaupt in der Lage sind, multikulturelle Gruppen, die es immer häufiger geben wird, erfolgreich zu führen. Auf einer Veranstaltung sagte ein Teilnehmer, der über seine Erfahrungen mit verschiedenen Chefs berichtete: „Deutsche Führungskräfte und Psychologie, das ist so wahrscheinlich wie ein Friedensnobelpreisträger aus Rest-Jugoslawien. Nicht ganz ausgeschlossen, aber recht unwahrscheinlich“. Es gibt also noch viel zu tun im Wirtschaftsleben.
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