Nach dem Mauerfall in der DDR hat sich dort vieles geändert. Die Grenzen sind weg, der Sozialismus ist weg, die Zäune sind weg - bis auf 1 bzw. 2 Sperrgitter an der Autobahn A9 von München nach Berlin. Dort spielt sich seit Jahren ein hirnrissiger, irgendwie typisch deutscher, Streit ab. Es geht um den Verkauf von Bratwurst hinterm Zaun.
Zu den Fakten: im Jahr 2009 kauft eine Frau Christina Wagner den Autobahn Rasthof Rodaborn, der älteste Rasthof Deutschlands, genaugenommen der Welt. Dort beginnt sie mit dem Verkauf von Bratwürsten, eine an Autobahnen übliche Dienstleistung. Im Jahr 2013 wird ihr der Verkauf auf Druck des Bundes verboten.
Die maximale Anzahl an Konzessionen für Raststätten an der A9 sei zwischenzeitlich vergeben.
So scheint der Minibetrieb an der Autobahn eine echte Konkurrenz für den Konzern „Tank und Rast“ zu sein. Nun ja, wer seine Bratwurst für 2,50 € verkauft, der kann einen solchen Monopolisten schon mal ganz schön nervös machen.
Nun wird der Besitzerin ein Zwangsgeld von 2000 € angedroht. Angeblich sei der Verkauf schon seit 2004 nicht mehr erlaubt gewesen, was offenbar niemand wusste. Der Zugang zum Rasthof vom Autobahnparkplatz aus wird mit einem Metallgitterzaun blockiert. Eine integrierte Sicherheitstür wird mit Blogschloss verrammelt (das bei einem PKW-Brand auf dem Parkplatz von Frau Wagner bereits gewaltsam geöffnet werden musste, um Schlimmeres zu verhindern). Der Wurstverkauf durch den Zaun über eine Klappe wurde behördlich verboten.
Frau Wagner allerdings ist kreativ. Wenn ich nicht durch den Zaun verkaufen kann, warum dann nicht über den Zaun? Kunden können sich mit einer am Zaun befestigten Glocke bemerkbar machen, die Wurst wird dann in einem Tragekorb über den Zaun gereicht.
Auf der anderen Fahrtrichtung der Autobahn in Richtung Berlin gibt es einen Parkplatz sowie eine Fußgängerbrücke, die zum Rasthof Rodaborn führt. Auch hier wurden die Behörden wieder kreativ und montierten einen Zaun, um Bratwurstwillige am Überqueren der Autobahn zu hindern. Und um den Bratwurstverkauf auf der Westseite der Autobahn zu verunmöglichen wurden vom Landesamt für Bau und Verkehr mittlerweile Verbotsschilder für Fußgänger aufgestellt sowie behindernde Stachelbüsche angepflanzt. Behörden können schon kreativ sein, wenn sie etwas blockieren wollen. Wer heute an dem alten Rasthof vorbeifährt, der sieht ein Transparent, das an den Berliner Bürgermeister Reuter erinnert: „Ihr Völker der Welt schaut auf dieses Haus“.
Und so wie die Protestler in der DDR sich nicht vom Staat einschüchtern ließen, so lässt sich Frau Wagner ebenfalls nicht beeindrucken: „Im Notfall sollen die mich verhaften“. Eine Petition auf Change.org erbrachte mittlerweile 30.000 Stimmen, die sich für den Erhalt der historischen Stätte und den Mut der Besitzerin einsetzen. In der DDR hat das Volk schon einmal für Änderungen gesorgt. Vielleicht gelingt es auch dieses Mal.