Es ist sehr leicht zu wissen was andere richtigerweise tun oder unterlassen sollten. Aus der nicht betroffenen Außenperspektive ein Urteil zu fällen ist heute modern geworden. Egal worum es geht: Antifa, Political Correctness, Flüchtlinge oder Wirtschaftspolitik. Wir wissen immer wie die anderen sich verhalten sollen. Nicht umsonst gibt es in Österreich 8 Mio. Nationaltrainer.

Wir bedenken aber oft nicht, dass (Achtung Phrasenschwein) jede Medaille zwei Seiten hat und die Realität oft viel kompexer ist als wir das gerne wahrhaben wollen. So haben wahrscheinlich viele unterschiedliche Perspektiven auf ein Thema ihre Berechtigung. So auch garantiert das Flüchtlingsdilemma. (Als ein Dilemma bezeichnet man übrigens einen unauflöslichen Gegensatz, neudeutsch: eine klassische lose-lose Situation).

Vor einigen Jahren habe ich mir ein Buch zugelegt, das sich mit Gedankenexperimenten beschäftigt, nach dem Motto: "Wie würdest Du Dich entscheiden?". In Erinnerung geblieben ist mir das "Soldatendilemma". Ein deutscher Wehrmachtssoldat bekommt von seinem Offizier den Befehl eine Frau zu vergewaltigen und sie anschließend zu töten. Ein moralisches Dilemma, wenn wir mal unterstellen, dass für die meisten Menschen vergewaltigen und anschließend töten nicht so ganz in Ordnung ist. Aber was ist die Alternative? Wenn der Soldat sich weigert muss er damit rechnen wegen Befehlsverweigerung erschossen zu werden. Der Frau würde er nichts ersparen, da sich vermutlich nicht viele unter seinen Kameraden finden werden, die sich lieber selbst umbringen lassen. Hier ein Urteil zu fällen geht nur, wenn man weit genug von der Situation entfernt ist, örtlich und zeitlich.

Zurück zum Asyldilemma. Wenn wir Flüchtlingen (bei uns) helfen kommt es offenbar dazu, dass sich noch mehr auf den Weg machen. Das führt dazu, dass viele dabei sterben. Wenn wir es nicht tun werden zwar wengier ermutigt, es sterben aber im Verhältnis mehr. Wenn wir viele zu uns kommen lassen gefährdet das unsere Kultur und Werte. Wenn wir die Menschen vor unserer Tür erfrieren und verhungern lassen leider ebenso (Manche meinen vielleicht sogar noch sicherer). Das ist, weil eben ein Dilemma, weder mit Gesinnungsethik noch mit Verantwortungsethik - übrigens zwei schöne Kunstbergriffe für: "Ich ziehe aus den komplett gleichen Fakten völlig unterschiedliche Schlussfolgerungen." - beherrschbar.

Daher denke ich kann man hier, egal welchen moralischen Ansatz man wählt, nur scheitern. Das einzige was in einer solchen Situation hilft, so meine Überzeugung ist eine gehörige Portion Pragmatismus. Jenen, die schon bei uns sind oder vor der Türe stehen helfen und gleichzeitig möglichst viele zum Bleiben bringen, durch Hilfe vor Ort. Abschreckung durch möglichst viele Tote auf der Fluchtroute, wie im Prinzip, wenn auch nicht direkt, von unserem Außenminister und unserer Innenministerin vorgeschlagen halte ich für falsch. Ich bin aber eben auch in der angenehmen Position es weder entscheiden zu dürfen noch zu müssen und schon gar nicht muss ich mich wählen lassen.

Ich kann mich daher gemütlich auf meinen philosophisch zweifellos richtigen Kantschen Kategorischen Imperativ zurück ziehen: "Tu nur jenes von dem Du wollen kannst, dass es zu einer allgemeinen Handlungsmaxime werde." Womit wieder einmal der Beweis erbracht wäre, dass sich allgemeine Regeln sehr schlecht auf individuelle Probleme anwenden lassen.

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fischundfleisch

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julbing

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