Vor etwas mehr als zwanzig Jahren bin ich erstmals mit dem Phänomen Antifa in Berührung gekommen. Bis zu diesem Zeitpunkt habe ich als Normalsterblicher von dieser Bewegung nichts wahrgenommen, aber eine Demo gegen Burschenschafter konnte ich mir als interessierter Beobachter nicht entgehen lassen. Nicht jedoch ohne fahrlässiger Weise nicht auf Band und Deckel zu verzichten. So offen hatte ich Hass vorher in meinem jungen Leben niemals wahrgenommen.
Als Mitglied im ÖCV (Österreichischer Cartell Verband der farbtragenden katholischen Studentenverbindungen) schramme ich für die Antifa zwar äußerst knapp am Attribut Nazi vorbei (wobei die meisten Antifaschisten die Unterschiede auf der Straße nicht einmal erkennen, wenn man es Ihnen erklären würde), bin vielmehr ein Klerikalfaschist und noch schlimmer, ein Antifeminist. In den Augen der Antifa ist es nunmal so, dass jeder, der weiß ist, männlich, schlimmstenfalls katholisch und/oder heterosexuell, und sich ob dieser Tatsache nicht in Grund und Boden schämt, ein Faschist. Ich halte das durchaus für eine legitime Meinung (nicht weniger falsch als die Ansichten der Identitären) aber weder für nützlich noch für zielführend.
Falsche Mittel
Die Ideen der Identitären halte ich durchaus für bekämpfenswert, daran habe ich ja schon oft in Kommentaren keinen Zweifel gelassen, doch Ideen kann man nur mit anderen Ideen bekämpfen. Eine grundlegende Antihaltung, gegen die ganze Gesellschaft hilft dabei nur denen, deren Ideen man verachtet. Die Identitären geben sich bürgerlich. Mit den geschätzten Sekondärtugenden*, wie ordentliche Kleidung, gepflegte Sprache, disziplinierte Ordnung beim Marschieren wirken sie auf den ersten Blick auch so, und der Otto-Normalbürger, der ja in erster Linie seine Ruhe will, sagt: "Also das sind ja ganz nette Burschen und Mädels. Ich versteh gar nicht warum sich die Linken so aufregen. Das können doch unmöglich Nazis sein diese lieben, ordentlichen Jugendlichen." Auf der anderen Seite stehen die Antifas. Dreadlocks, DocMartins, schwarze Bekleidung, Kapuzen, Palästineser-Tücher, Steine, Tomaten, lautes Geschrei, offene Gewaltdrohungen, eingeschlagene Schaufenster, brennende Mülltonnen, demolierte Autos. Otto-Normalbürger, der ruhebedürftige denkt sich: "So ein Gesindel. Das gehört verboten." Und ich muss sagen. Da hat Otto-Normalbürger nicht völlig Unrecht, denn Gewalt kann und darf kein Mittel der politischen Auseinandersetzung sein.
Infantile Strategie
Die Strategie vermeintlich rechte Veranstaltungen zu behindern, führt nur zu einer erhöhten Aufmerksamkeit. Ohne Tumulte, Krawalle, Verletzte, Polizeieinsätze hätten Gruppen wie die Identitären genau jene Bedeutung die ihnen zustünde. Nämlich keine. Die Kultur des Tumultes, abgeleitet aus der 68er Bewegung verschreckt die Menschen. Ich halte mich für einen aufrechten Antifaschisten, weil das nämlich bedeutet, dass ich jegliches Gedankengut der Nazionalsozialisten ablehne, ebenso jede Art von Totalitarismus – weil ich die Freiheit liebe. Dummerweise bin ich damit aber auch Antikommunist. (Ich finde solange man von der extemen Linken wie von der extremen Rechten gleichermaßen angefeindet wird ist man auf einem verdammt guten Weg) Der Antifa reicht das leider nicht. Solange ich nicht meine Hautfarbe ändere, meine sexuelle Ausrichtung oder zumindest meine Mitgliedschaft in meiner Studentenverbindung ruhend stelle, bin ich ein Feind. Genau mit dieser Haltung verspielt die Antifa alle möglichen Verbündeten. Wer eine unliebsame Meinung verbieten oder unterdrücken will, wird im Zweifel auch nicht vor anderen Halt machen. Die Antifa ist damit nur die andere Seite der antidemokratischen, totalitaristischen, freiheitseinschränkenden Medaille, mit dem Unterschied, dass sie diese noch weniger intelligent repräsentiert als die Identitären. Die sind dem Durchschnittsbürger wegen der Sekondärtugenden einfach sympathischer. Dass man dem "gegnerischen Lager" mit dem Schwarzen Block auch noch eine Marke bietet, die einprägsam ist und erschreckend genug für unseren Otto-Normalbürger, ist an Dummheit kaum zu überbieten.
Politische Instrumentalisierung
Lange Zeit ließen sich die Antifas von den linken politischen Bewegungen instrumentalisieren, indem alles, was nicht stramm links war, als faschistisch oder nationalsozialistisch verunglimpft wurde. Damit wurde die Antifa zur politischen Kampftruppe der Sozialisten und der Grünen, so wie es die Identitären heute für die Freiheitlichen sind, auch wenn man sich formell immer brav distanziert (Die mir bekannte Zahl der Doppelmitgliedschaften widerspricht dieser öffentlichen Distanz). Dabei ist die wahre Anitfa viel breiter, auch wenn das im öffentlichen Diskurs praktisch nicht vorkommt. In der dunkelsten Zeit unserer Geschichte war eine der wichtigsten Widerstandsgruppen, die Gruppe 105, was in lateinischen Ziffern CV bedeutet. Zahlreiche Cartellbrüder wurden für ihre Gesinnung diskriminiert, eingschüchtert, bespiztelt und schließlich ermordet, während die Burschenschaften, die angeblich verboten wurden, eine Selbstaufläsung wegen des Erreichens aller burschenschaftlichen Ziele beschlossen hatte. Und schon lange Zeit davor waren CVer und Burschenschafter erbitterte Gegner, so erbittert, dass im Gründungsjahr meiner Studentenverbindung Bundesbrüder von Burschenschaftern erschlagen wurden. Und doch sind wir der Feind, weil wir naturgemäß in etlichen anderen Punkten völlig unterschiedlicher Auffassung darüber sind wie eine Gesellschaft ausschauen soll, und das ist naturgemäß lt. Antifa-Diktion, faschistisch. 13.000 Faschisten wider Willen, denn ungefähr so viele Mitglieder hat der ÖCV in Österreich.
Wie Antifa funktionieren kann
Antifa kann nur dann funktionieren, wenn sie sich in eine ProLibO wandelt - in eine Bewegung FÜR Liberalität und Offenheit, wenn sie eine glaubwürdige Vision entwickelt, mit der sich die Mehrheit der Gesellschaft identifizieren kann. Sie muss Wege aufzeichnen die dieses Ziel realistisch erreichbar machen, ohne die Bürger dieses Landes finanziell auzubluten. Man muss einfach ernst nehmen, dass viele Menschen schlicht Angst haben noch mehr vom Staat ausgenommen zu werden, ohne eine vernünftige Gegenleistung zu erhalten. Antifa muss, will sie erfolgreich sein, ihren verheerend dummen Methoden abschwören. Friedliche Demonstrationen, Licherketten, was auch immer - aber keine Tumulte, keinen "Useren Hass könnt ihr haben", keine Steine auf Polizisten. Die Antifa muss von den Identitären lernen, insbesondere was die Anwendung von Sekondärtugenden betrifft. Wollen die Antifas Erfolg haben, müssen sie sich wie die Identitären zu den Traumschwiegersöhnen- und töchtern der Österreicher entwickeln und: sie müssen sich auf jene Kräfte einlassen, die der verlässlichste Garant gegen den Faschismus sind, wenn man sie an Bord hat - die bürgerliche Mitte. Sie müssen lernen zu differenzieren. Sie müssen auf das N-Wort verzichten und stattdessen eine eigene Botschaft von Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit predigen. Klar, das macht weniger Spaß als sich gelegentlich mit ein paar I.s zu prügeln oder über Bullenschweine zu schimpfen, dafür würde es wirken. Solange die selbsternannte Anifa das nicht begreift sind sie nicht nur die andere Seite der gleichen Medaille, sondern fördern aktiv, was sie eigentlich verhindern wollen.
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*Sekundärtugend ist ein Begriff aus dem deutschen Positivismusstreit der 1970er/1980er Jahre. Als Sekundärtugenden oder auch bürgerliche Tugenden wurden Charaktereigenschaften eingestuft, die zur praktischen Bewältigung des Alltags und zum „störungsfreien“ Betrieb einer Gesellschaft beitrügen, ohne aber für sich allein eine ethische Bedeutung zu haben, sofern sie als Selbstzweck hochgehalten würden und nicht zur Umsetzung der Primärtugenden dienten.
Zu den bürgerlichen oder Sekundärtugenden wurden insbesondere Fleiß, Treue, Gehorsam, Disziplin, Pflichtbewusstsein, Pünktlichkeit, Zuverlässigkeit, Ordnungsliebe, Höflichkeit, Sauberkeit u. a. m. gezählt, meist aus dem Katalog der preußischen Tugenden bzw. des „bürgerlichen“ Tugendkatalogs.
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