So leid es mir tut. Ich muss es los werden: Das Boot ist voll. Nein, was heißt voll – das Boot sinkt bereits und wahrscheinlich ist es schon zu spät. Oder nicht?
Ein Text, der sich sehr bemüht hat, die Ausweglosigkeit unserer Situation in verständliche Sprache zu übersetzen, hat mich dazu animiert, Ihnen eine Geschichte zu erzählen, eine, die sich abertausende Male in Österreich zugetragen hat:
Vor vielen Jahren, im letzten Jahrtausend, hat es sich auf unserem Bauernhof in der Südsteiermark zugetragen, dass einer der Knechte wegen seines übergroßen Hangs zum Most und zum Mischerl ein Pflegefall wurde. Das war in einer Zeit, als es noch keine oder nur rudimentäre Pflegeversicherung und dergleichen gab. Also wurde er am Hof einquartiert und meine Urgroßmutter und Großmutter taten ihr Bestes, um diesen Mann zu pflegen und dafür, dass es ihm so gut wie möglich ging, bis zu seinem verfrühten Ableben.
Das war für alle eine große Belastung, es kostete Geld, Zeit und Energie, trotzdem hat meine Großmutter damals daneben etliche Kinder großgezogen und am Hof und am Feld mitgearbeitet. Auf einem kleinen Bauernhof sind die finanziellen Möglichkeiten sehr begrenzt und so musste man auf das eine oder andere (mehr) verzichten. Nachdem er ein eigenes Zimmer brauchte, mussten die (6) Kinder statt in zwei Zimmern in einem einzigen schlafen. Dabei war der Mann im Grunde ein Fremder, ein landwirtschaftlicher Arbeiter, der leider keine Familie, kein Heim und auch sonst nichts hatte.
Der Grund, warum ich Ihnen das erzähle ist: Das war, obwohl es den Menschen damals finanziell und materiell viel schlechter ging als heute, nicht die Ausnahme, sondern die Regel. Wir sind heute einfach nicht mehr gut im Teilen. Schlicht, weil wir es nicht mehr notwendig haben und es gewohnt sind, dass für die extrem Bedürftigen der Staat schon irgendwie sorgt. Darunter hat die gesellschaftliche Solidarität gelitten, das sieht man ja nicht nur beim Thema Flüchtlinge.
Ich habe letztes Jahr mit meiner Familie ein Experiment gewagt. Wir haben einen Flüchtling bei uns im Gästezimmer aufgenommen. Das kostet uns praktisch gar nichts, nicht einmal Mühe. Da es uns nichts kostet haben wir auch entschieden, dass wir keine Miete verlangen, was prinzipiell möglich wäre - der Staat zahlt bis zu 150 € pro Monat, wenn man Miete will. Bin ich jetzt ein Superhero? Aus meiner Sicht nicht. Ich halte es für das normalste von der Welt das zur Gesellschaft beizutragen was einem selbst möglich ist.
Wir haben damit einen Ausländer- und Islamanteil von 25% bei uns im Haus, und ich kann Ihnen aus Erfahrung sagen, wenn man sich ordentliche Spielregeln ausmacht und die konsequent und mit Respekt einfordert, dann funktioniert das Zusammenleben reibungslos. Dass jemand mit Familienanschluss sich besser integriert als jemand der in einem 400 Man Matratzenlager haust erschließt sich wahrscheinlich auch ganz schlichten Gemütern. Mit ein bisschen gesellschaftlicher Solidarität und weniger Angst könnten wir als Österreich viel mehr beitragen. Aber wir reden und schreiben und lieber unsere Möglichkeiten klein. Das ist viel bequemer und einfacher.
Das heißt aber nicht, dass ich nicht andere Sichtweisen nachvollziehen kann. Ich denke nur, wir sehen gar nicht mehr, was wir als Gesellschaft leisten können, weil wir in Teilen bereits aufgehört haben eine zu sein. Wo das ICH regiert, gibt es eben kein WIR. Und dort wo das ICH regiert, leben die Sozialschmarozer, die Wirtschaftsflüchtlinge, die Vergewaltiger und Mörder.
Nicht nur der Flüchtlinge zu lieben, bräuchten wir deutlich mehr WIR, mehr Solidarität, mehr Gesellschaft. Und ich kann Ihnen versichern, dass ich nicht aus einem Umfeld komme in dem "linkes Gedankengut" weit verbreitet ist. Solidarität ist eine konservative Tugend und gehört aus meiner Sicht zu den zentralen Werten unseres Staates. Noch.