Nun ist es soweit. Nach sieben Jahren Ermittlungsarbeit, unzählingen Kontoöffnungen, Hausdurchsuchungen, Kommunikationsüberwachungen gibt es eine Anklage gegen Karl Heinz Grasser und fünfzehn weitere Beschuldigte. Gut? Schlecht? Wurscht? Kein anderer Fall der österreichischen Politik polarisiert das Land so stark wie dieses Strafverfahren.
Soweit ich als Laie das beurteilen kann gibt es so etwas wie eine fehlerfreie, gerechte Justiz nicht. Doch wir leben in einem Land mit Gewaltenteilung und unabhängigen Gerichten und das sollten man mit einem Blick auf die Türkei erstmal schätzen. An KHG haben sich schon immer die Geister geschieden. Er ist halt zu schön, zu jung und zu intelligent, wie er gerne selbst zu Protokoll gibt. Sympathisch ist anders, aber gut, dass soll in einem Strafverfahren keine Rolle spielen. Allerdings: Auch Richter und Staatsanwälte sind letztlich nur Menschen und daher Emotionen unterworfen. Ich habe erst unlängst gelesen, dass eine Studie gezeigt hat, dass die Urteile von Richtern mit dem Abstand zur letzten Mahlzeit immer strenger werden.
Österreich ist in zwei Lager geteilt. Da sind die Einen, die meinen Grasser und Co. hätten einen Promibonus, denn sonst müssten sie schon lange einsitzen, und außerdem wäre es eine Frechheit, dass Beschuldigte mit juristischen Tricks, sich so lange einem Verfahren entziehen können, und dann gibt es jene die meinen, dass es sich um politische Verfolgung handelt. Ich denke beides ist ein bisschen wahr, aber in Summe völlig verfehlt.
Politopfer
Möglicherweise wäre der Fall ohne die prominenten Beschuldigten schnell eingestellt worden, denn die Beweislage war ja zu Beginn nicht wirklich üppig. Aber große Fälle machen große Karrieren. Da schaut man dann doch noch mal genauer hin. Auch jetzt handelt es sich letztlich "nur" um eine Indizienkette. Andere Beschuldigte hätten auf eine Einstellung oder eine dementsprechende Weisung aus dem Justizministerium hoffen können. Doch nicht Grasser und Co. Kein Justizminister dieser Welt würde den öffentlichen Druck überleben, die eine Einstellung nach Weisung nach sich ziehen würde und die Karrierechance kann sich kein Staatsanwalt entgehen lassen - was nicht bedeutet, dass die zuständigen Staatsanwälte nicht gut gearbeitet haben. Man kann nur mit etwas Lebenserfahrung vermuten, dass die Aussicht einen großen Fall zu verhandeln zumindest nicht extrem abschreckend war.
Promibonus Kohle.
Was Grasser und Co. nützt ist weniger die Prominenz, denn das ausreichende Vermögen um die besten Anwälte und Berater des Landes beschäftigen zu können. Menschen wie Sie oder ich könnten uns eine derartige Abwehrschlacht über Jahre finanziell schlicht nicht leisten. Im Falle einer Verurteilung, die ja im Raum steht, müssen sich die nun Angeklagten wohl fragen ob nicht ein schnelles Ende mit Schrecken besser gewesen wäre als die jahrelange Unsicherheit, die unzähligen Schlagzeilen und die faktische Unmöglichkeit ein Leben aufzubauen. Allerdings muss auch klar sein, dass ein Beschuldigter, ganz egal wie er heißt, das Recht haben soll alle Möglichkeiten zu nutzen um einer möglichen Verurteilung entgegen zu wirken. Jeder Einspruch, der rechtlich möglich ist, ist gleichzeitig auch legitim. Denn man muss es schon sagen: Die Ressourcen des Staates bei der Strafverfolgung sind ungleich mächtiger als die eines Beschuldigten.
Spannung
Ich glaube, dass sich bei KHG und Co. Vor- und Nachteile des gesellschaftlichen Standings ganz gut aufwiegen. Ich bin jedenfalls gespannt auf den Prozess und das Urteil, das vermutlich noch lange auf sich warten lassen wird. Von einem Freispruch aus Mangel an Beweisen bis hin zu einer Verurteilung aller Angeklagten ist denke ich alles drin. Aber auch eines ist ein Faktum im österreichischen Recht: Bis zum Schuldspruch sind alle Angeklagten unschuldig. Was gut ist.
Das Verfahren nähert sich endlich der Entscheidung. Ich gehe davon aus, dass das letztlich auch die Beschuldigten erleichtern wird.