Der Beitrag eines sehr populären Bloggers hier auf FischundFleisch hat mich dazu veranlasst, einen Blick in die Geschichte meiner Familie zu werfen und mich mit der Frage zu befassen: Was macht einen Nazi aus, falls es einen gibt?
Mich mag mein Eindruck ja täuschen, aber das Wort Nazi lese ich (mit Ausnahme von Junggrünen, Jungsozis und Antifas, die ja kein vernünftig denkender Erwachsener ernst nehmen kann) fast ausschließlich von Menschen, die erklären wollen, dass sie keiner sind. Vielleicht ist das eine Form von Selbstvergewisserung - also das Mantra: "Ich bin ein Guter, ich bin ein Guter, ich bin ein Guter."
Ich halte es, falls es so ist, auch für zu einfach, Menschen als Nazis abzustempeln, denn nicht jeder mit chauvinistischen, rassistischen oder totalitären Ideen ist ein Nazi. Warum ich das weiß? Hier wird es, zumindest für mich, sehr persönlich:
Der Bruder meiner Großmutter war einer der führenden Nazis in Österreich nach 1933 und mein Großvater war Unteroffizier bei der SS. Sie können mir also glauben, wenn ich sage, ich kenne die Stereotype, Feindbilder und Werte, die Nazis vertreten. Ich weiß auch um die Empathielosigkeit, die mit dieser Gedankenwelt einhergeht. Aber um das auch klarzustellen, ich liebe meinen Großvater, er ist der unumstrittene Held meiner Kindheit, der gütigste Mensch, wenn es um mich geht, und er fehlt mir. Ich habe aber leichte Zweifel, dass die französischen Wiederstandskämpfer, die als letztes den Lauf seiner MP gesehen haben, ihn auch so vermissen würden. Ich kann, werde und will ihm daraus keinen Vorwurf machen. Weder weiß ich welche Gewissenskämpfe er vielleicht mit sich auszutragen hatte, noch kann ich mir sicher genug sein damals nicht selbst ein glühender Nazi gewesen zu sein.
Der bekannte Blogger bekrittelt in seinem Beitrag, dass die "Nazikeulen Werfer" es nicht kapieren, dass es weder "braun" noch "rechtsextrem" noch "Nazi" ist, den Islam oder die Asylpolitik sachlich und differenziert, wohinter er ein Ausrufezeichen setzt, zu kritisieren. Auch wenn mir die Differenziertheit in der Diskussion, zu denen von ihm genannten Themen, weitestgehend fehlt, hat er natürlich Recht damit. Es sei denn Sätze wie folgende vom österreichischen FP-Politiker Johann Gudenus gelten heute als differenziert: "Jetzt heißt es Knüppel aus dem Sack für alle Asylbetrüger, Verbrecher, illegalen Ausländer, kriminellen Islamisten und linken Schreier."
Gudenus ist deshalb noch lange kein Nazi. Sich differenziert ausdrückende Menschen klingen für mich allerdings anders. Das Problem der AfD und der FPÖ, wie auch deren Vertretern, ist die Trivialisierung großer gesellschaftlicher Fragen, bis sie in marktschreierische, skandalisierende Phrasen passen. Das konnten übrigens die Nazis sehr gut. Was sie auch gut konnten, war, ihre eigene Geschichte zur Heldensaga zu stilisieren. Mein Großvater, war bis zu einem "Bekehrungserlebnis" im hohen Alter davon überzeugt, das beste für Deutschland getan zu haben (dass er eigentlich Österreicher war nur so nebenbei), und nur Trug, Lug und Verrat an der Heimatfront hätten den glorreichen wie verdienten Sieg über die feigen Amerikaner verhindert. Denn sie hätten gekämpft wie echte Männer, während die Amis alles feige mit Bomben niedermachten. Es ist nun einmal so, dass fast alles Böse im Namen des Guten geschieht. Das eint den Islamisten mit dem IRA Attentäter, mit dem Stalinisten und dem Nazi. Sie alle verkaufen Ihre Sache als die des kleinen Mannes. Nein schlimmer: Sie halten sie für die Sache des kleinen Mannes. Leider ist bisher nicht überliefert, dass der kleine Mann, abgesehen von einem frühen Tod, von diesen profitiert hätte.
Ebenfalls ein Kennzeichen der Nazis war der Glaube an die Volksgemeinschaft, das Stellen der Gesellschaft über das Individuum - übrigens ein Merkmal, dass sie sich mit Islamisten, radikalen Christen und der AfD/FPÖ teilen. Wenn das Wohl des großen und ganzen über dem Wohl des einzelnen Bürgers steht, dann sind wir auf dem Weg zum Totalitarismus. Denn natürlich ist die davon abweichende Meinung dann Verrat. Dann ist man schnell ein "linker Schreier", der mit dem Knüppel aus dem Sack zu behandeln ist. Übrigens nur zur Ehrenrettung der FPÖ/ AfD: Andere Parteien wie die Grünen stehen ihnen in diesem Punkt kaum nach, die Ausdrucksweise ist nur intellektueller, sonst hätten sie mehr Erfolg.
Was die Sichtweise der Nazis mit jener der AfD/FPÖ auf die Welt eint, ist das Bild eines großen Kulturkampfes. Ein ewiger Krieg der Kulturen und Rassen, in dem man gewinnt oder untergeht. Während das anno dazumal eben die Bolschewiken und die Juden waren sind es heute Islam und die amerikanische Weltverschwörung (natürlich Ostküste), sowie der Liberalismus an sich, der wegen seiner Beliebigkeit zum Untergang führt. “Die europäische Homosexuellenlobby will eine absolute Gleichberechtigung von Homosexuellen und Lesben, darunter auch das Recht auf Adoption von Kindern, das es bereits in einigen EU-Staaten gibt. Es ist schwer vorstellbar, wohin das alles führen wird”, klagt Gudenus in der Moskauer Erlöserkathedrale. Kulturelle Einheit ist eine wichtige Idee des Nationalsozialismus. Nicht umsonst musste sich die Frau des Bruders meiner Oma ihr ganzes Leben lang die Haare blond färben. Eine richtige deutsche Frau hat nämlich blond zu sein. Als ich noch ein Junge war und dies das erste Mal hörte, hielt ich das für einen harmlosen Spleen. Doch letztlich war das auch nur eine Burka, halt die germanische Version: "Sei nicht Du. Sei wie alle."
Heute muss man folgendes sagen: Die echten Nazis, jene die Vertreter dieses menschenverachtenden Regimens sind, gibt es nicht mehr. Sie sind so gut wie alle gestorben. Das bedeutet aber nicht, dass die Ideen, die den Nazionalsozialismus angetrieben haben, nicht mehr existieren. Ich glaube, die meisten Menschen, ganz egal, für wie furchtbar ich ihre Ideen halte, wollen kein solches Regime, weder errichten, noch darin leben. Daher sind sie für mich keine Nazis. Aber: Ich glaube nicht, dass die Vorkämpfer der französischen Revolution das darauf folgende Terroregime im Kopf hatten, oder die Kämpfer der Oktoberrevolution daran dachten, dass dies der Ausgangspunkt für Millionen von Toten sein würde.
Wer Menschen dazu bringen will, auf eine bestimmte Art zu leben, kann dies auf zwei Arten tun, durch Missionierung/ Überzeugung oder durch Zwang. Staatlicher Zwang wird, wenn er die bürgerlichen Freiheiten mißachtet, was schneller der Fall ist als einem lieb sein kann, totalitär. Zwang bis zum äußersten war ein Mittel der Nationalsozialisten, genauso wie der Kommunisten und Zwang ist auch das Mittel der Islamisten. Wer sich das insgeheim wünscht (solange es für ihn in die richtige Richtung geht) ist vielleicht kein Nazi, aber er nimmt eine Entwicklung in Kauf, ohne zu wissen wie weit sie führen wird.
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