Vor kurzem las ich einen Artikel über eine Flüchtlingshelferin in Österreich. Die engagierte Frau setzt sich bereits seit Jahren für Familien ein, die in Österreich eine Zuflucht und eine Zukunft suchen. Sie berichtet gegenüber dem Magazin profil von den vielen frustrierenden Momenten, die sie in ihrer ehrenamtlichen Arbeit erleben muss.
Die Helferin erzählt von einem afghanischen Mädchen und ihrer Familie. Nach anfänglich gutem Start und einer lebensrettenden Operation für das Mädchen muss die Helferin zunehmend mit Frustration umgehen: Die mittlerweile junge Frau lässt Schul- und Ausbildung schleifen, der nur wenig ältere Bruder bekommt nun ein Kind mit seiner Freundin, der Vater lernt kein Deutsch und bemüht sich nicht genug um Arbeit. Fokus und Tonalität des Artikels liegen klar auf den Enttäuschungen, die die ehrenamtliche Tätigkeit mit sich bringen können. Verallgemeinernd berichtet die Journalistin, dass viele Helfer „von Erfolgsgeschichten lesen, die nicht zu ihren eigenen Erfahrungen passen“.
An diesem Artikel hat mich einiges gestört. Es ist wichtig, die Probleme und die Frustration in der Hilfe klar zu benennen. Wer sich für andere einsetzt, erlebt glückliche, sinnstiftende Momente. Und große Enttäuschungen. Aber es ist ebenso wichtig, die eigene Haltung einer Überprüfung zu unterziehen.
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Wer Geflüchteten hilft, ihnen in der Not beispringt und sie unterstützt, erwartet Dankbarkeit und Wertschätzung. Das ist vollkommen normal. Gerade bei ehrenamtlichen Tätigkeiten, die wir neben der eigentlichen Erwerbstätigkeit und Familienarbeit leisten, ist oft die einzige Anerkennung die Dankbarkeit der Menschen, denen wir helfen. Aber Dankbarkeit nutzt sich ab. Die lebensbedrohlichen Situationen verblassen und weichen einer Normalität. Menschen, die sich ehrenamtlich einsetzen, erwarten allerdings häufig etwas Nicht-normales: Sie erwarten, dass die Dankbarkeit die jungen Menschen trägt und anspornt, aus den ihnen gegebenen Möglichkeiten das Beste zu machen. Was „Das Beste“ ist, entscheiden oft unsere eigenen Maßstäbe: Vernünftige Schulbildung, lernen, sich anstrengen, Erwerbstätigkeit. Und sie erwarten, dass die Dankbarkeit die bereits etwas Älteren dazu verpflichtet, ihr Möglichstes zu tun, um etwas zurückzugeben. Auch hier wissen wir als Gesellschaft exakt, was das ist: Einer Tätigkeit nachgehen, Steuern zahlen, das System unterstützen, das sie aufgefangen hat.
Das Problem dabei: Zu uns kommen unterschiedlichste Menschen. Einige sind so glücklich und dankbar, dass sie genauso reagieren wie es unsere hohen Ansprüche an sie nahelegen. Andere wiederum können diesen hohen Ansprüchen nicht genügen. Sie sind nicht von Natur aus faul, antriebslos oder undankbar – sie sind hier einfach nicht zuhause, begreifen langsamer als andere, haben keine Ambitionen, das Potential der Systeme, die sie auffangen, für ihre persönliche Bildung auszunutzen. Ist das ein Versäumnis, das die Helfenden extrem frustrieren kann? Natürlich. Aber jede_r Sozialarbeiter_in kennt die gleichen Probleme aus der deutschen Jugend- und Familienarbeit. Oder noch wesentlich Schlimmeres.
Es sind Menschen
Zu uns kommen Menschen, die unsere Hilfe benötigen. Diese Hilfe wird gebraucht und missbraucht. Es gibt unter den Geflüchteten Menschen, die ihr Leben lang dankbar sind und der Welt um sie herum sehr viel zurück geben. Andere Geflüchtete sind einfach nur froh, ihrem Schicksal entronnen zu sein. Sie wollen sich zunächst ausruhen, zu sich kommen, ein ganz normales Leben führen. Gerade bei Jugendlichen ist dieser Wunsch verständlicherweise sehr stark. Und dann gibt es leider noch Menschen, die hierher kommen, um anderen weh zu tun. Besonders treffend hat die Bloggerin Julia Herz-el Hanbli darüber geschrieben: „Es sind nur Menschen“.
Die Frustration in der Geflüchtetenhilfe entsteht durch zwei Fehler, die wir machen:
Wir stellen an die Menschen, die zu uns kommen, oft genug zu hohe Ansprüche.
Wir betrachten einzelne Zeitabschnitte in ihrem Leben, häufig genau die Zeitspanne, in der viele von ihnen traumatisiert und durcheinander sind. Und nehmen an, ihr Unvermögen, das eigene Potential zu nutzen, ginge immer so weiter.
Beides ist letztlich nicht vermeidbar: Wir können unsere Ansprüche nicht einfach hinten anstellen, und wir haben als Menschen oft nicht die Geduld und Weitsicht, um zu sagen: „Das wird schon. Wenn nicht jetzt, dann eben später.“ Aber die Hilfe, die wir geben, und die Arbeit, die wir leisten, ist alternativlos. Vielleicht können wir alle etwas stärker einberechnen, dass ganz unterschiedliche Menschen zu uns kommen. Einige werden den Ansprüchen an sie gerecht, andere nicht. Eben wie bei allen Menschen.
Auch der Artikel über die engagierte Helferin schließt mit den Worten „Wir müssen etwas tun. Anders wird es nicht gehen“. Und weil sie das so sagt, habe ich auch Hoffnung, dass sie mit ihrer so wichtigen Arbeit trotz der Frustration weitermachen wird.
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