Soziale Beziehungen im Zeitalter des Egoismus

Folgt nun die Generation, in der man von Kompromisslosigkeit oder überwiegender Beziehungsunfähigkeit sprechen kann? In Zeiten von Flirtportalen, Flirtapps, Partnerbörsen, Social-Media oder Smartphones findet häufig selbst das Kennenlernen, digital statt. Unternehmen nutzten vor einigen Jahren den Zeitmangel der Menschen und entwarfen Alternativen. Für den einen oder anderen, der beruflich relativ stark eingespannt ist, ist ausgehen und viele Dates eine Unmöglichkeit geworden. Hingegen ist es schnell und einfach, jemanden digital kennen zu lernen und es ist unverbindlicher.

Heutzutage wird es nun aber immer schwieriger, eine klassische Partnerschaft zu führen bzw. auf realem Wege jemanden auszuwählen...! Auf einen Klick ist es nun möglich, einen neuen potenziellen Flirt zu finden. Es ist einfach geworden, sich den Herausforderungen in den Beziehungen häufig nicht mehr zu stellen, sondern stattdessen Ausflüchte oder neue Partner zu finden. Vorgenerationen sprechen von Wertverlust, von Wegschmeiß - Generationen, die nun folgen. Was tatsächlich klar zu erkennen ist, ist das die Scheidungsrate in Deutschland und Europa angestiegen ist und statt in den Beziehungen zu arbeiten, andere Wege häufig gewählt werden. Jeder denkt an sich selbst und vor allem, dass er nicht zu viele Kompromisse eingeht- denn es gibt ja immer Möglichkeiten, wieder jemanden neues zu finden, der diese Kompromisse nicht fordert. Viele verflüchtigen sich in den Gedanken, dass es leichter oder besser wird, wenn man sich etwas Neues sucht, allerdings nimmt man sich selbst in der Regel ja mit und somit auch seine Themen. In heutigen Beziehungen ist es fast die Regel, dass ein Betrug in der Beziehung stattfindet. Werte, wie Loyalität und Durchhaltevermögen, spielen immer weniger eine wirkliche Rolle. 

Hinzu kommt eine anhaltende Doppelmoral, dass wir einerseits kosmopolitisch, weltoffen und neugierig auf die Welt sind, und andererseits wird einem doch vordiktiert, worüber gesprochen werden darf und worüber nicht. Darüber hinaus sind die Rollenverteilungen zwar einerseits sehr emanzipiert, jedoch fehlt es an anderen Stellen an einer Anpassung bei der Rolle des Mannes. Fundamentale Bausteine einer Beziehung finden häufig nicht mehr ausreichend Gehör, d.h. selbst wenn der Mann Schwierigkeiten hat, seine Rolle zu verstehen, so muss er sich damit arrangieren, da er ansonsten häufig als Weichei, Frauenhasser etc. gilt. Einerseits befinden wir uns in einer Welt, in der wir auf jedem Kanal im Vorabendprogramm Sex und Vorspiele des Sex sehen können, aber andererseits sollten Fantasien und Vorlieben in Beziehungen nur dann als akzeptiert gelten, wenn sie denn im "Norm Bereich" sind. Was ist der Normbereich? Gibt es in einem Zeitalter, indem durch die Pornoindustrie falsche Realitäten dargestellt werden, in Zeiten, in denen die Wirtschaft Egoismus und Ellenbogengesellschaft fordert, in Zeiten, in denen wir sehr früh auf die "böse Welt" vorbereitet werden, in der wir nicht so sehr vertrauen sollten, überhaupt noch eine Norm, die auch gut oder richtig ist? Nun wird der ein oder andere denken, dass das ja jedem selbst überlassen ist, - allerdings wäre das zwar wünschenswert, entspricht allerdings nicht der Realität.

Flirtapps, sowie die Darstellungen der Pornoindustrie führen unweigerlich zu einer Entfremdung der eigentlichen Intimität und widersprechen häufig klassischen Vorstellungen von Fantasien. Die Fantasie derer, die sich allem hingeben, wird entfernt von der eigenen Vorstellungskraft, denn die Reizüberflutung sorgt für ausreichend Material- ohne große eigene Bemühung.  

Wenn man im Lexikon nachschaut, so wird eine Partnerschaft definiert, als eine gleichzeitig sexuelle und soziale Gemeinschaft zwischen zwei Menschen. Eine Partnerschaft ist im Ursprung sexuell motiviert, wobei die langfristige Entwicklung der Sexualität des Paares als Definitionskriterium ohne Belang ist. Im engeren Sinne bezeichnet man die Partnerschaft auch die Selbstverpflichtung, die zwei Menschen, die sich auf Augenhöhe begegnen, eingehen. Ist denn Partnerschaft heutzutage noch das, was der eigentliche Sinn per Definition meint?

Die Werte haben sich verändert, aber was bedeutet Partnerschaft heute noch? Wenn man die Generation 50er, 60er Jahre Geborene fragt, so würden sie gewiss antworten, dass wir die „Wegschmeiß-Generation“ sind und Dinge und Konflikte nicht mehr korrigieren, sondern es uns einfach machen und aufgeben und ersetzen. Im Kern haben sie gewiss Recht. Die heutige Zeit bringt viele Möglichkeiten mit sich wie z.B. die Bildung und die Karriere der Frau, sowie die Erlösung aus einer Ehe, wenn bspw. Gewalt im Spiel ist. Allerdings gehen auch neue Konfliktherde damit einher. Die Generation der 80er und 90er Geborene mussten um nichts mehr wirklich kämpfen und sind in einer Zeit groß geworden, wo bereits alles Notwendige vorhanden war und in den erste Welt Ländern meist sogar im Überfluss. Darüber hinaus befand sich diese Generation auch von Beginn ihres Lebens, bereits in einer Welt, in der es immer nur darum ging, noch mehr zu erhalten, von dem was vermutlich schon lange ausreichend vorhanden ist. Wenn man nun eigene Grenzen zum Glück oder der Zufriedenheit nicht bewusst setzt, so ist man gefangen in der Welt, in der es immer weiter, höher, teurer oder mehr werden muss, bis der Grad der Zufriedenheit erreicht ist - wenn dies überhaupt noch möglich ist.

Wenn das der Fall wäre, so überträgt sich das vermutlich in gewisser Weise auch auf die Partnerschaft, denn jemand, der nicht zufrieden mit sich und mit dem ist, was er hat, wird es bei anderen vermutlich genauso wenig sein.

Gegenwärtig wird es also eine immer größere Herausforderung, soziale Beziehungen unter der wirtschaftlichen Erziehung hin zum Egoismus, zu führen. Wir werden geleitet, ohne es wirklich wahrzunehmen, dass es eigentlich gar nicht annormal ist, alleine zu bleiben, weil man 60 Stunden arbeitet und bei Edeka, Rewe und Co. die Bedürfnisse ja mittlerweile auch voll und ganz auf den "Single" in der Frischetheke eingestellt sind. Der Mensch ist allerdings nicht dafür gemacht, allein zu sein. Das sollten wir uns von Zeit zu Zeit vor Augen führen, wenn der Chef mal wieder um ein "paar Minuten" Überstunden bittet, weil der Schriftsatz unbedingt heute noch raus muss.

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irmi

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bernhard.buchariensis

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