Die französische Hauptstadt Paris erlebte am Sonntagnachmittag eine Großdemonstration auf dem Place du Trocadéro, von der rechts des Rheins kaum jemand Notiz zu nehmen scheint. Anhänger der konservativen Partei LR (Les Républicains) hatten sich versammelt, um ihren angeschlagenen Präsidentschaftskandidaten zu unterstützen. Laut Angaben der Partei trotzten 200.000 Menschen dem launischen Wetter und hüllten den Platz in ein Fahnenmeer.
Sowohl linksgerichtete Medien als auch die französische Ausgabe von Russia Today zweifeln die Zahl an. Unterm dem Strich bleibt abseits von Zahlenstreits festzuhalten, dass Fillon und seine Partei eine enorme Menschenmasse mobilisieren konnten.
Facebookscreenshot der offiziellen Seite von François Fillon https://www.facebook.com/FrancoisFillon/videos/10155113864937533/
Sozialisten wollten Demonstration verhindern
Anne Hidalgo (PS / Parti socialiste, Schwesterpartei der SPD), sozialistische Bürgermeisterin von Paris, hatte mit Vehemenz dazu aufgerufen, diese Demonstration für den konservativen Präsidentschaftskandidaten abzusagen!
Für sie stellte die Kundgebung einen „Akt schwerwiegender moralischer Schwäche“ dar.
Es liegt ein politisches Manöver Hidalgos nahe. Am Tag der Demonstration wurde bekannt, dass drei ihrer wichtigsten Berater sich Emmanuel Macron, ebenfalls Präsidentschaftskandidat und größter Profiteur der Scheinbeschäftigungsanschuldigungen gegen Fillon, anschlossen.
Fillons Parteikollege Eric Giotti griff Hidalgo dafür scharf an. Dafür erntete er frenetischen Applaus von der Menge, auch von seiner Parteikollegin, der Frauen- und Minderheitenrechtlerin Valérie Boyer aus Marseille (links, knapp hinter Ciotti im nächsten Video).
Der Politiker aus Nizza warf der Pariser Bürgermeisterin vor, eine Politikerin zu sein, die gewaltbereite, linksextreme Randalierer und islamismusaffine Gruppierungen bereitwillig aufmarschieren ließe, aber einer großen, demokratischen Volkspartei ihr Grundrecht auf Demonstrationsfreiheit zu verwehren versuche. Außerdem schüre Hidalgo aktiv Hass gegen Polizisten, so Giotti.
Tatsächlich war von Hidalgo und ihrer Partei nichts zu hören und zu sehen, als bei Demonstrationen und Randalen genannter Gruppierungen u.a. Bengalos in Polizeiautos geworfen und Polizisten mit Eisenstangen attackiert wurden. Frankreichkennern ist in diesem Zusammenhang der kürzlich geehrte Polizist, der als "Kung-Fu-Cop Kevin" einige Prominenz erlangte, ein Begriff.
Hidalgos Verhalten im Vorfeld der Demonstration auf dem Trocadéro wirft einmal mehr dunkle Schatten auf das Demokratieverständnis Moralkeulen schwingender, sozialistischer und sozialdemokratischer Parteien in Mittel- und Nordeuropa.
Konkurrenz und Unterstützung trotz Penelope Gate
Nach der bewegenden, und von seinen Anhängern lautstark gefeierten, Rede in Nîmes am Donnerstagabend, muss diese erneute, immense Rückhaltsdemonstration Balsam auf die Seele des durch „Penelope Gate“ angeschlagenen Fillon gewesen sein.
Fillon sah noch Mitte Januar wie der sichere Sieger der Präsidentschaftswahlen aus. Dann kam der Skandal um die angebliche Scheinbeschäftigung seiner Ehefrau. Nach aktuellen Umfragen wird er es nicht schaffen in die Zweite Runde der Präsidentschaftswahlen einzuziehen. Dort wartet, mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit, die rechtsnationale Marine Le Pen vom Front National. Sie wird wahrscheinlich die erste Runde der Wahl für sich entscheiden, hat aber in der zweiten Runde keine reelle Chance zur Präsidentin gewählt zu werden.
Seinem Parteikollegen Alain Juppé, gegen den Fillon sich im Rahmen der parteiinternen Vorwahlen durchsetzen konnte, werden aktuell deutlich bessere Chancen auf die Präsidentschaft eingeräumt. Einige Umfragen berechnen ihn mit ein, und sehen ihn in beiden Wahldurchgängen auf dem Spitzenplatz.
Der Bürgermeister von Bordeaux genießt national und international großes Ansehen.
Seine große Schwäche aber, legte Patrick Karam Ende 2016 offen. Karam ist der wichtigste Vertreter orientalischer Christen in Frankreich und führte damals detailliert aus, warum Juppés Sympathie für Mursis ägyptische Muslimbruderschaft und die türkische AKP, auch und gerade angesichts der Terroranschläge von Paris und Nizza, als fatale Fehleinschätzungen gewertet werden müssen.
Der ruhige und erfahrene Fillon will trotz Allem nicht aufgeben, und bekräftigte am Sonntagabend seine Kandidatur. Nicht nur die zahlreichen Unterstützer am Sonntag in Paris, sondern auch jüngste, klare Positionierungen der, in Frankreich bedeutenden, Bauernverbände und Mittelstandvereinigungen auf seiner Seite, sind Argumente für sein Durchhaltevermögen.
Favorit für die Wahl bleibt ein Anderer
Der große Nutznießer des Skandals um Fillon war und ist der parteilose Kandidat Emmanuel Macron.
Des Weiteren kommt ihm zu Gute, dass François Bayrou, Bügermeister der Pyrenäenstadt Pau und ehemaliger Präsidentschaftsanwärter der kleineren Partei „Demokratische Bewegung“, vor gut zwei Wochen seine Präsidentschaftskandidatur zurückzog, und gleichzeitig offen dazu aufrief für Macron zu stimmen.
Dies geschah just zu einem Zeitpunkt als Macron leicht verlor und Fillon ihn in den Umfragen beinahe wieder eingeholt hatte.
Der Bankierssohn punktet außerdem vor allem bei linken Stammwählern und jungen gut situierten Großstädtern, die von der Regierung Hollande zu enttäuscht sind, um den sozialistischen Kandidaten Benoît Hamon zu wählen.
Auch viele deutsche Journalisten scheinen dem bekennenden Merkelfan überaus wohlgesonnen. Einige, wie der Deutschlandfunk, sinnieren angesichts seiner Favoritenrolle gar über eine Revolution im positiven Sinne.
Dass ausgerechnet Macron als ehemaliger Wirtschaftminister der Regierung Hollande, und damit maßgeblich Mitverantwortlicher für dauerhafte Rekordarbeitslosigkeit und ein, in der französischen Geschichte beispielloses, Mittelstandssterben, ein strahlender Revolutionär sein soll, nun ja...
Nicht zuletzt, weil sie diese Zusammenhänge erkannt haben dürften, stellen sich die Bauernverbände und Mittelstandvereinigungen nun demonstrativ hinter den konservativen Fillon.
Keine Auswirkungen der Demonstration auf erste Umfrage
Die erste Umfrage von "PrésiTrack" OpinionWay / Orpi für die Zeitung Les Echos und Radio Classique vom Montag, den 06.März sieht keine Positivwirkung für Fillon.
Demnach führt Le Pen mit 27% (unverändert zur Vorwoche) vor Macron mit 24% (unverändert zur Vorwoche), Fillon mit 19% (unverändert zur Vorwoche) und Hamon mit 15% (unverändert zur Vorwoche).
In der zweiten und entscheidenden Runde würde sich Macron mit 60% (-2%) gegen Le Pen mit 40% (+2%) durchsetzen.
Bis zum 23. April kann noch Einiges passieren, und auch ein kleiner Trumpeffekt ist nicht gänzlich auszuschließen.
Spannend ist es in Frankreich allemal!
Denn nur wenige Stunden nach Veröffentlichung der Umfrage, riefen Fillons Parteikollegen um den Ex-Präsidenten Nicolas Sarkozy ihn überraschend auf, seine Kandidatur niederzulegen und persönlich einen Nachfolger zu bestimmen.
Ob Fillon Kandidat bleibt oder nicht, wird sich wahrscheinlich entscheiden, wenn am Donnerstag die nächsten Umfrageergebnisse bekannt gegeben werden.