Eretz Zen Channel / YouTube Screenshot
Der vergangene Freitag, der 3. August, markierte den vierten Jahrestag des Angriffs des Islamischen Staats auf die Yeziden in Sindschar. Es war der Beginn seiner Völkermordkampagne gegen die Religionsgemeinschaft der Yeziden.
In zahlreichen Städten Deutschlands und ganz Europas fanden Gedenkveranstaltungen yezidischer und kurdischer Kulturvereine statt.
Schenk uns bitte ein Like auf Facebook! #meinungsfreiheit #pressefreiheit
Danke!
Doch auch vier Jahre später warten die Opfer und ihre Angehörigen noch immer auf Gerechtigkeit.
Trotz des erschütternden Ausmaßes der Verbrechen des IS gegen Zivilpersonen, in erster Linie Angehörige religiöser Minderheiten, haben sie immer noch nicht zu Anklagen oder Strafverfolgungen geführt.
Auch Armeniens Yeziden erinnerten am 03. August mit Lichtern auf dem Freiheitsplatz in Jerewan an das Schicksal ihrer Glaubensgemeinschaft https://www.lragir.am/wp-content/uploads/2017/08/arm150165762331.jpg
MDR-Literaturpreisträgern Ronya Othman schildert in einem Artikel auf The Region ihre Erinnerung an den 3. August 2014. Othman ist in der Oberpfalz geboren. Sie studiert in Leipzig. Ihr Vater ist yezidischer Kurde. Ihr Urgroßvater wurde aufgrund seiner Religion getötet. Ihre Familie musste einst ihr Heimatdorf verlassen, um vor religiösen Fundamentalisten zu flüchten.
Niemals würde sie vergessen, wie sie diesen Tag erlebt hat. Stundenlang verbrachte sie damit, TV- und Presseberichte zu studieren. Die Menschen, die damals bei sengender Hitze in die Berge flohen, hätten ihre Verwandten sein können. Alte und schwache Menschen, die nicht fliehen konnten, wurden getötet. Für andere, oft Kleinkinder und ebenfalls alte Menschen, wiederum war die Flucht so beschwerlich, dass sie in den Bergen verdursteten.
Kinder und junge Frauen wurden verschleppt, und in die Sklaverei gezwungen oder als Kindersoldaten missbraucht.
Othman zitiert aus den bewegenden Worten der yezidischen Abgeordneten Vian Dakhil im irakischen Parlament:
"Es gab 72 Völkermorde an den Yeziden, und jetzt im 21. Jahrhundert wiederholt sich die Geschichte. Wir werden abgeschlachtet. Wir werden ausgerottet. Eine ganze Glaubensgemeinschaft wird vom Angesicht der Erde getilgt. Brüder, ich appelliere an Sie im Namen der Menschheit, uns zu retten!"
Als sie diese Bilder sah und diese Worte hörte, sei ihr Leben in Deutschland zwar weitergegangen, aber in ihrem Inneren ging etwas zu Bruch, schreibt Ronya Othman.
Letztes Jahr im Juni besuchte sie Angehörige in der kurdischen Autonomieregion im Nordirak. Sie leben dort als Flüchtlinge und konnten bis dato nicht in ihre Heimat zurückkehren. Zwar ist der IS besiegt, aber Sindschar ist weiterhin nicht sicher. Die Einwohner trauen weder den, derzeit in der Region sehr präsenten, schiitischen Milizen der Volksmobilmachungskräfte (Hashd al-Shaabi) und schon gar nicht dem türkischen Machthaber Erdoğan, der immer wieder droht, militärisch in Sindschar aktiv zu werden.
Darüber hinaus befinden sich auch heute noch 2000 Yeziden in der Gewalt des IS, was Othman zu der Aussage bewegt, der Völkermord sei noch nicht vorbei.
Die Bewegung kurdischer Frauen Frankreichs, französisch MOUVEMENT DES FEMMES KURDES – FRANCE (TJK- F), vertritt dieselbe Ansicht.
In ihrer Pressemitteilung vom vergangenen Donnerstag wird zum einen kritisiert, dass die Verbrechen gegen die Yeziden Sindschars noch immer nicht juristisch geahndet wurden.
Ebenfalls gehen die Aktivistinnen mit der türkischen Invasion im kurdischen Kanton Afrin in Nordsyrien hart ins Gericht. Dabei sei es seitens der türkischen Armee und ihren alliierten Dschihadistenmilizen zur Zerstörung zahlreicher yezidischer Dörfer und Verbrechen gegen deren Einwohner gekommen.
In Bezug auf eben diese Invasion äußerte sich Othman bereits im Mai ebenfalls kritisch angesichts der Tatsache, dass dabei deutscher Panzer zum Einsatz kamen.
Im selben Zusammenhang prangert die Frauenbewegung den Einfluss des türkischen Staats in Europa, vor allem in Frankreich und Deutschland, an.
Die TJK- F spielt in ihrer Pressemitteilung auf die Ermordung von Sakine Cansız, Fidan Doğan und Leyla Şaylemez in den Räumen des Kurdischen Informationsbüros in Paris im Januar 2013 an, für die, ihrer Ansicht nach, der türkische Geheimdienst verantwortlich ist.
Auch in Deutschland sehen sich kurdischstämmige Akteure aus Politik, Sport und Kultur immer wieder harschen Angriffen von Sympathisanten der türkischen Regierung ausgesetzt.
Durch die Unterstellung von PKK-Nähe und willkürlichen, aber dafür umso inflationärer geäußerten Islamfeindlichkeitsvorwürfen, wird immer wieder versucht, Politiker wie Ali Ertan Toprak, Vorsitzender der Kurdischen Gemeinde und gleichzeitig Präsident der BAGIV, Bundesarbeitsgemeinschaft der Immigrantenverbände e.V., Fussballer Deniz Naki und Düzen Tekkal, Journalistin und Autorin in Verruf zu bringen.
Letztgenannte veröffentlichte 2015 mit „Hawar – meine Reise in den Genozid“ eine, viel beachtete, Dokumentation über das Schicksal der Yeziden Sindschars in jenem Sommer 2014.
Im Rahmen der aktuellen #MeTwo-Debatte, einer Hashtagaktion gegen die Diskriminierung von Menschen mit Migrationshintergrund, twitterte sie:
„Ich sitze an einem Abendessen gemeinsam mit „erfolgreichen Migrantinnen“aus der Politik, die mich beim reinkommen begrüßen mit “Oh Hallo, die Islamfeindin ist auch da”. Fühlte mich in diesem Moment sehr einsam u.alleine.Sie hatten keinen deutschen Hintergrund. Auch das ist #MeTwo“
Hat der Völkermord an den Yeziden seit 2014 bis heute nicht aufgehört?
Es wäre eine traurige Erkenntnis, doch manchmal kann man sich diesem Eindruck leider nicht erwehren. Gerade die Zeit um den 3. August sollte uns zum Nachdenken bewegen.
Quellen
- Othman, Ronya: „On the 73rd attempt to exterminate us, I wept with my Yazidi ancestors“, The Region, 03.08.2018
- Toranian, Ara: „Quatre ans après, le génocide et le féminicide des Yézidis continuent...“, Nouvelles d’Arménie en ligne, 02.08.2018
- Mania-Schlegel, Josa: „Das ist... Ronya Othmann, neuer Literaturstar mit kurdisch-jesidischen Wurzeln“, Jetzt, 14.05.2018