In der Via della Madonna im italienischen Livorno, Nachbarstadt von Pisa und nach Florenz die zweitgrößte Stadt der Toskana, stehen auf hundert Metern drei Kirchen. Sie symbolisieren die Freiheit und das Zusammenleben der Konfessionen zur Gründungszeit der Stadt. Es handelt sich um die römisch-katholische Kirche, einen griechisch-orthodoxen Sakralbau und die armenische Kirche des Heiligen Gregor der Erleuchter (Gregor Lusavorich).
Julian Tumasewitsch Baranyan Fassade der armenischen Kirche von Livorno
Dem Schutzpatron der Kirche ist es zu verdanken, dass Armenien als erster Staat der Welt das Christentum zur Staatsreligion machte.
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Von 1875 bis zum Ersten Weltkrieg unterhielt die armenische Gemeinde außerdem einen Friedhof außerhalb der Stadt, dessen Grundstück zunächst verkauft wurde und mittlerweile nicht mehr für Bestattungen genutzt wird.
Armenisches Leben in Livorno gibt es seit dem späten sechzehnten Jahrhundert. Ein 1591 vom toskanischen Großherzog erlassenes Dekret lud einige hundert armenische Händler in die Stadt ein. 1643 waren sie es, die die erste Druckerei der Stadt gründeten und betrieben. Jene Druckerei zählte lange neben Venedig und Amsterdam zu den drei wichtigsten Stätten des Buchdrucks in Europa.
Im siebzehnten Jahrhundert schließlich erhielten sie die Erlaubnis eine eigene Kirche zu bauen. Dass dies erst ungefähr ein Jahrhundert nach ihrer Ankunft geschah, lag am Widerstand aus Rom. Der dort ansässige Heilige Stuhl stand der gregorianisch geprägten, armenischen Auffassung des Christentums lange sehr misstrauisch gegenüber.
Man weiß es nicht genau, doch wahrscheinlich war die Erlaubnis dem Interesse und Engagement Ferdinando de‘ Medicis, Sohn von Cosimo III, zu verdanken. Lange wurde er darüber hinaus fälschlicherweise als Architekt angegeben. Tatsächlich verdankt die Kirche des Heiligen Gregor der Erleuchter ihr Antlitz dem Plan von Giovan Battista Foggini und dem Baumeister Giovanni del Fantasia.
Mit Foggini fiel die Wahl auf einen der größten zeitgenössischen Künstler. Von einem ästhetisch-städtebaulichen Standpunkt aus gesehen, beabsichtige der „große Fürst“ Ferdinando so, die Via della Madonna zu einer, durch barocke Bauwerke geprägten, Achse hin zum benachbarten Viertel „Venezia Nuova“ (Neu-Venedig) umzugestalten.
Obschon die Bauarbeiten bereits 1701 begannen und wenige Jahre später fertig gestellt werden konnten, wurde die armenische Kirche erst Anfang 1714 eingeweiht. Grund dafür war ein Rechtsstreit zwischen der armenischen Gemeinde und den Erben des Stifters, der den Bau finanzierte.
Weitreichende Restaurierungsarbeiten wurden in den 40er Jahren des achtzehnten Jahrhunderts vorgenommen. Damals erhielt das Innere der Kirche eine Reihe von schmückenden Verzierungen im neoklassischen Stil.
Die Bombardierung der Stadt im Zweiten Weltkrieg traf die Kirche hart. Sie verursachte heftige Schäden. Außerdem war der Sakralbau Plünderungen und Vandalismus ausgesetzt. In der Nachkriegszeit wurde die Idee, die meisten Gebäude abzureißen und die Kirche in eine kleine Kapelle umzuwandeln umgesetzt. 1957 verkaufte die armenische Gemeinde den Großteil des einstigen Areals. Von der ursprünglichen Erscheinung des Sakralbaus blieb nur die Fassade mit ihrem ovalen Relief des Heiligen Gregor und den, ihn flankierenden Symbolfiguren des Glaubens und der Barmherzigkeit.
Julian Tumasewitsch Baranyan Ovales Relief von Sankt Gregor der Erleuchter eingerahmt von den allegorischen Figuren "Glauben" und "Barmherzigkeit"
Überreste des Altars sowie diverse Mamorfresken befinden sich im Garten der verlassenen Villa Fabbricotti. Dort wurden sie insbesondere in der Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg hingeschafft. 2008 wurden einige davon auf Initiative von Prof. Giangiacomo Panessa, Repräsentant der örtlichen armenischen Kirchengemeinde, zurück in die Via della Madonna gebracht, und rechts und links der Eingangstür der Kirche positioniert.
Nach dem Zweiten Weltkrieg gehörte die Kirche, die auf Italienisch „San Gregorio Illuminatore“ heißt, der Diözese von Livorno. Seit Januar 2005 befindet sie sich wieder in offiziellem Besitz des armenischen Patriachats von Kilikien.
2010 wurde die armenisch geprägte Geschichte von Livorno zum Gegenstand des Romans „Il mercante armeno“ (Der armenische Kaufmann; ISBN: 9788860321428) von Massimo Ghelardi. Der Roman handelt von Sevag und seinem Sohn Hagan, den letzten Nachkommen einer von jenen Händlerfamilien, die in der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts in die Stadt kamen. Die Handlung spielt in Livorno, Venedig und Flandern.
Anlässlich der 100. Jährung an den symbolischen Gedenktages des Völkermords an den Armeniern durch die osmanischen Türken fand in Livorno vom 22. bis 28. Mai 2015 die Ausstellung und Vortragsreihe „Armenia: dal genocidio alla rinascita culturale“ (Armenien: Vom Völkermord zur kulturellen Wiedergeburt) statt. Organisiert wurde sie von der Stadtverwaltung in Zusammenarbeit mit örtlichen Kunst- und Kulturvereinen sowie der Banca di Credito Cooperativa di Castagneto Carducci. Aus Armenien wurden Ausstellung und Vortragsreihe vom Matenadaran, dem Institut für altertümliche Manuskripte und Dokumente in Jerewan, unterstützt. Sie fand symbolträchtig in den Hallen der Fortezza Nouva statt, jener altehrwürdigen Festung der Medici, die die armenischen Händler einst in die Stadt eingeladen hatten.
Julian Tumasewitsch Baranyan Die Medicifestung Fortezza Nuova, erbaut zwischen 1590 und 1604
Quellen:
- Stefano Ceccarini: La nazione armena e la chiesa di San Gregorio Illuminatore a Livorno
- GoNews: Marmi della chiesa Armena a villa Fabbricotti: l’assessorato alle culture risponde
- Serena Simoncini: Armenia: dal genocidio alla rinascita culturale