Ein „teuflischer Kult“ – staatlicher Organhandel in Fernost und die Großinquisitoren politischer Korrektheit

Ende 2015 geriet die deutschsprachige Ausgabe der internationalen Internetzeitung „Epoch Times“ und mit ihr die Religionsgemeinschaft Falun Gong ins Visier politisch korrekter Großinquisitoren, die u.a. von Prof. Norbert Bolz als eine Art moderne Jakobiner klassifiziert werden. Dabei erfolgte eine sachlich falsche Stigmatisierung, die sich bis jetzt bei vielen Teilnehmern an politisch-weltanschaulichen Debatten im Netz manifestiert hat.

Public Domain Picture found at pixabay.com https://pixabay.com/de/tibetischen-buddhismus-dharma-rad-1359603/

Kronzeuge und Pionier ist dabei im Wesentlichen ein Bericht des Deutschlandfunks, der von der Autorin Brigitte Baetz verfasst wurde. Dieser Bericht taucht in nahezu jedem Thread zur Kritik an der Internetzeitung auf. Dabei entlarvt er bereits recht früh im Text, dass er weder qualitativ hochwertig noch auch nur ansatzweise differenziert ist. Ein Satz, der u.a. auch vom, viel gelesenen, Antifablog „igsstoppmissbrau

ch.wordpress.com“ 1:1 übernommen wurde, ist dabei überaus aufschlussreich und verräterisch. Im Blogeintrag werden die Epoch Times und andere Portale auf eine Stufe mit ausgewiesenen Neonaziblogs, die nur über ein Thema schreiben und vorsätzlich Falschmeldungen verbreiten, gestellt.

Es heißt:

„Doch die Verantwortlichen der "Epoch Times" sind nicht nur Chinesen, sondern auch Anhänger des sogenannten Falun Gong. Die chinesische KP verurteilt diese Heilsbewegung auf der Grundlage der Bewegungs- und Meditationslehre Qi-Gong als teuflischen Kult und hat sie verboten.“

Screenshot von der Webseite der Deutschlandfunks, Stand 27. Juli 2016

Screenshot von der Webseite des https://igstoppmissbrauch.wordpress.com, Stand 27. Juli 2016

Allein schon an der Formulierung „sind nicht nur Chinesen“ sollte sich der kritische Leser bereits stoßen. Sie impliziert nämlich, dass es grundsätzlich verwerflich sei, wenn Chinesen ein Nachrichtenportal führen. Es sollte eigentlich die Aufgabe des Antirassismus bzw. -faschismus sein, solche Sätze und deren Urheber zu kritisieren, anstatt sie wortwörtlich zu zitieren und ihnen zuzustimmen.

Darüber hinaus scheut man sich folglich nicht, die Argumentation eines undemokratischen Einparteiensystems zu übernehmen, mit der auf mittelalterliche Weise im Stile der Rhetorik eines Tomás de Torquemada Verbrechen an einer religiösen Minderheit gerechtfertigt werden (Stichwort: „teuflischer Kult“). Eine derartig diskriminierende Wortwahl und Klassifizierung spricht weniger gegen Falun Gong und ihr Portal, die Epoch Times, als vielmehr gegen Brigitte Baetz, ihren Arbeitgeber, den staatlichen Deutschlandfunk, und den Blog der vermeintlichen Antifaschisten, die das Zitat im selben Wortlaut übernehmen.

In Folge auf den DLF-Bericht stehen von Befürwortern merkelscher Regierungspolitik außerdem gegenüber Falun Gong Nationalismusvorwürfe im Raum. Das ist angesichts der Tatsache, dass es sich um eine spirituell-religiöse und nicht-völkische Religionsgemeinschaft handelt, die zu keiner Zeit separatistische Bestrebungen gegenüber dem chinesischen Staat verfolgte, schlichtweg falsch. Falun Gong ist nicht nationalistisch.

Die britische Standardenzyklopädie „Britannica“ klassifiziert Falun Gong als spirituelle Bewegung und bietet zudem einen nüchternen Blick auf Qi Gong. Tatsächlich ist Falun Gong eine in China teilweise brutal verfolgte Religionsgemeinschaft mit mehr als 25 Millionen Gläubigen, die Elemente des Buddhismus und Daoismus vereint.

Die Einordnung als "Sekte" oder „teuflischer Kult“ erinnert an das Vorgehen der Inquisition gegen die Katharer im Mittelalter. Auch sind Parallelen zu den, ebenfalls von ihren Verfolgern als „Teufelsanbeter“ gebrandmarkten, Yeziden erkennbar. In der Causa Falun Gong handelt es sich um ein Druckmittel der kommunistischen Partei Chinas. Sie geht auf das ehemalige Staatsoberhaupt Jiang Zemin zurück. In einem Artikel von Adam Klasfeld für die juristisch fokussierte US-Nachrichtenseite „Courthouse News Service“ heißt es dazu:

„Anhänger der Falun Gong, einer 1992 in China begründeten Religion, zu der sich Millionen von Gläubigen bekennen, werfen der kommunistischen Partei Chinas seit Ende der 90er Jahre vor, Handel mit den Organen zu Tode gefolterter Mitglieder zu betreiben. Vor zehn Jahren rief dies ein erhebliches Medienecho hervor. Grund dafür war eine Studie des kanadischen Politikers David Kilgour und Menschenrechtsanwalts David Matas“

(aus: Falun Gong Organ Harvesting Decried in House Committee von Adam Klasfeld)

Die 2006 erbrachte 66-seitige Studie von Kilgour und Matas kann hier nachgelesen werden: REPORT INTO ALLEGATIONS OF ORGAN HARVESTING OF FALUN GONG PRACTITIONERS IN CHINA

Die Meditationstechnik Qi Gong spielt eine zentrale Rolle in der Lehre der Religionsgemeinschaft. Mit einem „teuflischen Kult“ hat sie nichts zu tun. Darüber hinaus haben viele Kampfsportschulen und Wellnesshotels Qi-Gong-Kurse im Programm. Gemäß der Logik des Deutschlandfunks und seiner Nachahmer, würde dort also ein „teuflischer Kult“ praktiziert.

Die Mitglieder der Falun Gong machen auf ihre schwierige Lage und politische Verfolgung aufmerksam. Missionierung liegt ihnen aber fern. Falun Gong verwendet das, kaligraphisch dem Hakenkreuz ähnliche, Swastika als Symbol. Dies wird im Westen als Nähe zu Nazisymbolik interpretiert. Hier liegt aber ein schwerwiegender kultureller Interferenzfehler vor.

In buddhistischen Religionen steht das Swastika für göttliche Erleuchtung (vgl. Lee, Jonathan H. X., Nadeau, Kathleen (2011): Encyclopedia of Asian American Folklore and Folklife, Band 1. ABC-Clio, Santa Barbara, S.87).

Auch nach hinduistischem Verständnis haben wir es mit einem lebensbejahenden Symbol zu tun (siehe u.a.: Hakenkreuz als Hindu-Symbol: Wenn das Hakenkreuz religiös wird).

Rassismusvorwürfen war die Religionsgemeinschaft zu Beginn der Verfolgung um das Jahr 2000 ausgesetzt. Grund dafür waren Vorwürfe, es gäbe ein Endogamiedogma und getrennte Himmelreiche für Angehörige verschiedener Volksgruppen, von denen aus Exogamien hervor gegangene Kinder ausgeschlossen wären. Zum einen leben aber viele Mitglieder von Falun Gong in ethnisch heterogenen Ehen. Darüber hinaus wäre es schlichtweg unlogisch und zum Scheitern verurteilt, eine derartige religiöse Lehre in einem Vielvölkerstaat wie China, der fünf Dutzend Ethnien und Sprachgruppen beherbergt, etablieren zu wollen.

Man kann die Epoch Times, ebenso wie viele andere vermeintlich renommiertere Nachrichtenmagazine und Portale, kontrovers bewerten und diskutieren.

Einige Artikel sind weniger gut und bewegen sich auf Yellowpressniveau, andere wiederum sind durch Querverweise auf internationale, oft osteuropäische, Presse aber auch zu beispielweise Nahostkorrespondenten der britischen BBC sehr gut recherchiert und lesenswert.

Ähnliches gilt im Übrigen auch, wie der anfangs genannte und verlinkte Beitrag des Deutschlandfunks zeigt, auch für Medien, mit einem allgemein besseren Ruf.

Heribert Seifert von der Neuen Zürcher Zeitung, kurz NZZ, veröffentlichte am 14.Mai diesen Jahres in ähnlichem Kontext einen überaus lesenwerten Kommentar unter der Überschrift "Journalismus im Kampfmodus: Hetzer, Idioten und Dumpfbacken".

Darin attestiert er der deutschen Presselandlandschaft den "Verzicht auf recherchegestützte Information und ruhige Argumentation".

Die Tatsache, dass Baetz sich bereits ganz früh auf die diskrimierende Kategorisierung Zemins beruft, macht ihren Artikel zu einem guten Beispiel für die Richtigkeit von Seiferts Zitat.

Des Weiteren kann man den, von Baetz erhobenen, Vorwurf reißerischer Überschriften allen Zeitungen und Magazinen machen. Mit den Überschriften sollen natürlich Leser interessiert und angelockt werden. Das ist eine allgemein gängige Praxis.

Daher werden auch bei großen und renommierten Zeitungen Überschriften und Einleitungstexte nicht von den Autoren sondern den Redaktionen zum Zweck der Lesergewinnung verfasst.

Die Epoch Times in einem Zug mit rechtsextremen Blogs wie „Michael Mannheimer“ oder „Netzplanet“ zu nennen, passt zwar zum gegenwärtigen Stil der fraglichen Gruppierung, ist aber in jedem Fall unzulässig.

Das unhinterfragt übernommene Zitat der Kommunistischen Partei Chinas, mit seinem an eine sachlich vollkommen falsche Kategorisierung von Qi Gong geknüpften inquisitorisch anmutenden Kampfbegriff, sagt viel über seine Benutzer aus. Sind sie es doch, die sich in Diskussionen als Krone der Moral versuchen zu verkaufen, und jede noch so berechtigte und differenzierte Kritik an ihren Positionen mit Rechtsradikalismus- und Menschenfeindlichkeitsvorwürfen versuchen zu diskreditierten. Da sie keine Probleme haben, die brutale Verfolgung einer kompletten Religionsgemeinschaft für ihre Zwecke zu rechtfertigen, fallen diese Vorwürfe hier 1:1 auf sie zurück!

Sie fallen umso schwerwiegender auf sie zurück, da hinzu kommt kommt, dass der Deutschlandfunk und alle, die besagten Artikel übernehmen und zitieren, sich direkt auf den ehemaligen chinesischen Staatschef Jiang Zemin berufen.

Zemin hat sich während seiner Amtszeit als Parteivorsitzender von 1989 bis 2002 nicht „nur“ der grausamen Verfolgung von Falun Gong im Rahmen der sog. „Douzheng“, übersetzt "Kampf", -Kampagne schuldig gemacht. Darüber hinaus gelten diverse Kriegsverbrechen in seiner Regierungszeit in Tibet als gesichert.

Die 25-seitige Anklageschrift der Human Rights Law Foundation gegen das ehemalige chinesische Staatsoberhaupt kann hier nachgelesen werden:

Criminal Comlaint PEOPLE’S PROCURATORATE Vs. JIANG ZEMIN for TORTURE, MURDER, EXTRAJUDICIAL KILLING, ORGAN HARVESTING, RAPE AND SEXUAL VIOLENCE, ENSLAVEMENT, WRONGFUL ARREST AND IMPRISONMENT, CORRUPTION, PERSECUTION, and THEFT AND DESTRUCTION OF PROPERTY

Tibetische Menschenrechtsaktivisten hatten Zemin deshalb 2013 vor einem spanischen Gericht angezeigt. Aufgrund einer Besonderheit im spanischen Rechtssystem, die es erlaubt ausländische Regierungen zu verklagen, war dies damals möglich. Der Klage wurde zunächst stattgegeben. Als Chinas Führung der spanischen Regierung mit Wirtschaftssanktionen drohte, wurde sie allerdings fallen gelassen.

In jedem Fall offenbart es eine bedenkliche Methodik und äußerst fragwürdige Weltsicht, sich auf Jiang Zemin zu berufen.

Die Übernahme chinesischer Staatspropaganda zur Verunglimpfung der Falun Gong durch Merkelanhänger, besagten Antifablog und den vorgeblich linken Mainstream ist leider nur ein Beispiel von vielen und geradezu exemplarisch. Es zeigt, wie unmoralisch sich tatsächlich jene verhalten, die ihre Befugnis zu notorischer Rechthaberei und Bevormundung Andersdenkender aus einer Illusion moralischer Überlegenheit beziehen. Auch die Schicksale weiterer Minderheiten aus anderen Teilen der Erde (z.B. dem Vorderen Orient) stören offensichtlich das Weltbild der politisch korrekten Großinquisitoren und Neojakobiner.

So werden sie von ihnen häufig ausgeblendet oder, noch schlimmer, nicht selten sogar ins Gegenteil verkehrt. Dabei bedürfen eigentlich gerade sie besonderen Schutzes und Aufmerksamkeit. Humanitär, demokratisch und weltoffen geht gänzlich anders!

„Wenn der Faschismus wiederkehrt, wird er nicht sagen: «Ich bin der Faschismus» Nein, er wird sagen: «Ich bin der Antifaschismus», soll Ignazio Silone laut François Bondy gesagt haben.

Ob er es nun tatsächlich gesagt hat oder nicht, ist umstritten. Tatsache ist hingegen, dass sich die Indizien für den Wahrheitsgehalt des Zitats stark verdichten, wenn eine staatliche Rundfunkanstalt und selbsternannte Antifaschisten einen Kriegsverbrecher wie Zemin zitieren.

4
Ich mag doch keine Fische vergeben
Meine Bewertung zurückziehen
Du hast None Fische vergeben
6 von 6 Fischen

bewertete diesen Eintrag

Nikolaos Loutas

Nikolaos Loutas bewertete diesen Eintrag 03.08.2016 10:11:30

Aranxo

Aranxo bewertete diesen Eintrag 01.08.2016 22:14:02

Kurmenistan News

Kurmenistan News bewertete diesen Eintrag 31.07.2016 16:14:28

Margaretha G

Margaretha G bewertete diesen Eintrag 31.07.2016 15:28:51

1 Kommentare

Mehr von Julian Tumasewitsch Baranyan