Ein Deutscher, der auf einem armenischen Friedhof im Iran begraben liegt? Das liest sich zunächst einmal wie ein Märchen aus 1001 Nacht, aber es ist Tatsache.
Um der Geschichte dahinter auf die Spuren zu kommen, muss man in die drittgrößte Stadt des Iran schauen, das geschichts- und kulturträchtige Isfahan. Die kühlen blauen Kacheln der islamischen Sakralbauten der Stadt und die majestätischen Brücken der Stadt bilden einen harten aber dennoch harmonischen Kontrast zur heißen, trockenen Landschaft des Zentraliran. Isfahan wurde lange Zeit als Nesf-e-Jahan bezeichnet, was übersetzt „die halbe Welt“ bedeutet. Die Stadt ist voller architektonischer und städtebaulicher Sehenswürdigkeiten. Prachtvolle Moscheen, Basare, Museen, persische Gärten und von Bäumen gesäumte Boulevards prägen das Bild der Metropole.
Im Frühjahr 1870 unternahm der Telegraphist und Fotograf Ernst Hoeltzer seine erste ausgedehnte Expedition in die Bergregionen Isfahans, um dort Nomadenstämme zu besuchen. Im weiteren Laufe seines Lebens häufte er eine einzigartige Fotosammlung von Denkmälern, Menschen und dem Alltag in der zentraliranischen Stadt an.
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Nach dem Fall der Safawiden-Dynastie, war Irans Vorgängerstaat Persien im späten 18. Jahrhundert unter den Kadscharen wiedervereinigt worden und wieder zu einer wichtigen Macht in Westasien aufgestiegen.
Für Siemens & Halske nahm Hoeltzer zunächst an einer Reihe von Kabelverlegungsprojekten im Mittelmeerraum teil, bevor er für die „indogermanische Telegraphenabteilung“ nach Persien ging.
Aus heutiger Sicht erscheint dies als nicht wirklich besonders oder exotisch, schließlich ist Isfahan mittlerweile durch die Luft von Berlin oder Frankfurt aus mit kurzer Zwischenlandung in Istanbul oder Doha in nur neun Stunden erreichbar. Jedoch muss man sich vor Augen führen, dass unser Globus im neunzehnten Jahrhundert noch leere, also nicht kartografierte, Stellen aufwies. Dementsprechend war das Reisen mühsam und voller Abenteuer. Weitaus mehr als in der Gegenwart waren damals Reisende in fernen Ländern auf sich selbst gestellt. Es gab keine „Benutzerhandbücher“ für fremde Regionen und Kulturen, und alle Reisen wurden individuell organisiert. Diese Gegebenheiten stellten auch für die Ingenieure jener Zeit besondere Herausforderungen dar.
Im Jahr 1863 führte die schnellste Route von London nach Teheran über St. Petersburg und Moskau zur Wolga und dann über das Kaspische Meer nach Persien. Ernst Hoeltzer reiste damals in Begleitung zweier englischer Kollegen mit dem Zug nach Nischni Nowgorod. Anschließend fuhr er mit einem Dampfschiff entlang der Wolga, dem längsten Fluss Europas, zum Kaspischen Meer.
Nach Angaben des Siemens Historical Institute wurde 1863 in Teheran das persische Hauptquartier der indogermanischen Telegraphenabteilung errichtet. Hoeltzer zog für die nächsten Monate direkt neben der britischen Gesandtschaft ein und begann mit dem Aufbau der Hauswirtschaft. Der größte Teil seines sozialen Lebens fand dort statt.
Seine Hauptaufgabe war es, zukünftige persische Telegraphenbetreiber an der Dar al-Fonun, der 1851 gegründeten ersten modernen Hochschule des Landes, auszubilden.
Nachdem das Telegraphensystem er- und eingerichtet war, war die mühsame Konstruktions- und Bauarbeit erledigt. Für Hoeltzer begann ab diesem Zeitpunkt so etwas wie ein Arbeitsalltag. Zwischen der Inspektion der Sektionen, den Besuchen des Teheraner Hauptquartiers und dem Telegrafiedienst in Isfahan hatte Hoeltzer immer mehr Freizeit. U.a. nutzte er sie, um das zeitgenössische Persien in Wort und Bild zu beschreiben.
1873 begann Ernst Hoeltzer mit seiner Plattenkamera Landschaften, Gebäude und wichtige Ereignisse zu dokumentieren, darunter Reisen mit der ersten persischen Eisenbahn, die Telegraphenleitung, Alltagsszenen mit Kaufleuten, Handwerkern, Festivitäten, Handelsplätze und militärische Manöver.
Seine Fotos ergänzte er um detaillierte Beschreibungen, vor allem der Stadt Isfahan.
Z.B. schrieb er über seine Motive: „Persien und auch Isphahan steh[en] auf der Schwelle der Kulturumwandlung, und man beginnt bereits seit einigen Jahren, viel fremden, meist europäischen Stil und Luxus dort einzuführen und einzurichten. Die alten Gebäude, Sitten und Gebräuche (selbst die Kleidung) verschwinden allmählich.“
Er starb am 3. Juli 1911 in Isfahan und wurde auf dem armenischen Friedhof in Neu-Dschulfa beigesetzt. Dieses armenische Viertel Isfahans ist nach der Stadt Dschulfa benannt, welche sich in der heutigen aserbaidschanischen Enklave Nachitschewan befindet, wo sich 2005, von der Welt ignoriert, eine der verheerendsten Kulturzerstörungen des 21. Jahrhunderts abspielte. Das Viertel wurde 1606 per Edikt von Schah Abbas I gegründet. Einst lebten dort mehr 150.000 Armenier. Heute sind es noch rund 10.000.
Die armenischen Gemeinde Isfahans hält noch immer die Erinnerung an Ernst Hoeltzer hoch. Vor einigen Jahren wurden umfangreiche Restaurierungsarbeiten an seinem Haus im Stadtteil Neu-Dschulfa in Isfahan durchgeführt, um so viel wie möglich von seinem Lebenswerks für die nachfolgenden Generationen von Iranern zu bewahren.
Wikimedia; Ernst Hoeltzers Haus in Isfahan zu seinen Lebzeiten https://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/thumb/a/a6/Hoeltzer21.jpg/227px-Hoeltzer21.jpg
Bild: Behnam Minaei, Der armenische Friedhof des Stadtteils Neu-Dschulfa in Isfahan https://fa.wikipedia.org/wiki/%DA%AF%D9%88%D8%B1%D8%B3%D8%AA%D8%A7%D9%86_%D8%A7%D8%B1%D8%A7%D9%85%D9%86%D9%87_%D8%A7%D8%B5%D9%81%D9%87%D8%A7%D9%86#/media/%D9%BE%D8%B1%D9%88%D9%86%D8%AF%D9%87:Gorestan_