Europa geht für Erdoğan auf Journalistenjagd: Der Fall Maxime Azadi

In Belgien reichte ein bloßer Antrag türkischer Behörden aus, um einen kurdischen Aktivisten zwei Wochen lang essentieller Grundrechte zu berauben.

Er bereitete sich darauf vor, Weihnachten zu feiern. Wie gewohnt, war er auch in der Adventszeit zwischen Belgien, Frankreich und den Niederlanden unterwegs. Seine Abonnenten in den sozialen Netzwerken ließ er an seinem Leben teilhaben, teils mit melancholischen und nachdenklichen Beiträgen, mal mit liebenswerten Fotos von seiner Katze und natürlich mit politisch brisanten Infos und Kommentaren über die Situation der Kurden in der Türkei.

Doch am 15.Dezember verstummten plötzlich alle Lebenszeichen des kurdischstämmigen, französischen Journalisten Maxime Azadi.

Maxime Azadi / Mediapart https://static.mediapart.fr/etmagine/default/files/2016/12/21/pesho.jpg?width=219&height=396&width_format=pixel&height_format=pixel

Der Direktor der kurdischen Nachrichtenagentur ANF und Blogger der, viel gelesenen, französischen Plattform Mediapart wurde an diesem Tag von der belgischen Polizei in Brüssel bei einer routinemäßigen Personenkontrolle festgenommen. Obwohl bereits am Nachmittag des 23. Dezember entschieden wurde, dass er auf Kaution freikommen solle, hielt man ihn bis zum Morgen des 28. Dezember fest.

Azadis Einsatz gegen ethnisch motivierte Unterdrückung und Doppelmoral seitens europäischer Politik und Behörden wurden ihm offenbar zum Verhängnis. Der Grund seiner Festnahme war ein Amtshilfeersuchen türkischer Behörden, das über Interpol verbreitet wurde. Darin wird dem Journalisten „Zusammenarbeit mit einer terroristischen Organisation“ vorgeworfen. Wann immer in den letzten gut hundert Jahren ethnische Säuberungen und Repressionen gegen Minderheiten in der Türkei und ihrem Vorgängerstaat Hochkonjunktur hatten, war und ist dies stets der Standardvorwurf gegen Aktivisten.

Dass Europa bereitwillig als Komplize dieses perfiden Spiels der Minderheitenverfolgung und Unterdrückung der Pressefreiheit Spalier steht, sollte zu denken geben. Gerade jetzt, da man, auf Druck der Regierung Obama, Israel extrem ins Visier nimmt, um mit Vehemenz die Gründung eines 23. arabischen Staates zu fordern, wiegt eine solche Doppelmoral umso schwerer. Schließlich stellt man sich nicht nur gegen den einzigen jüdischen Staat der Welt, sondern ist williger Vollstrecker eines nationalistischen und religiös-fundamentalistischen Regimes, wenn es darum geht, den Kurden im Südosten der Türkei einen eigenen Staat oder auch nur Autonomie vorzuenthalten.

Wie dubios die Untersuchungshaft Azadis ablief, berichten interne Quellen der belgischen Polizei. Die Beamten hatten zwar Anweisungen den jungen Journalisten festzunehmen. Jedoch wussten sie offenbar nicht, wie sie weiter verfahren sollten. Eine Befragung habe erst stattfinden können, nachdem ein Verhörkatalog aus der Türkei eintraf, berichtet das linke Onlinemagazin „Front du gauche“ unter Berufung auf eine anonyme Quelle. Die Jutiz- Willkür und Unterdrückungsmaschinerie der AKP scheint auf allen Ebenen in Europa angekommen.

Maxime Azadi selbst kommentierte die Situation nach seiner Freilassung auf seiner Facebookseite wie folgt:

„Nach meiner Festnahme in Belgien auf Anfrage der türkischen Staatsmacht, wurde ich am Mittwoch, den 28. Dezember freigelassen. Ich habe 14 Tage in einer Zelle verbracht. Ich hatte keine Möglichkeit zur Außenwelt Kontakt aufzunehmen. Ich durfte keinen Besuch empfangen, mir wurde das Recht auf einen Anruf verweigert, Hofgang war Tabu, nicht einmal ein Buch durfte ich lesen. Es gab lediglich einige Treffen mit meinem Anwalt. Meine Rechte wurden mit Füßen getreten. Die Entscheidung meiner Freilassung wurde am 23. Dezember von einem Gericht in Turnhout getroffen. Die Ausländerbehörde jedoch intervenierte gegen diese Entscheidung. Sie verfügte ihrerseits, dass ich in Haft bleiben müsse, bis zu meiner Auslieferung an einen anderen Staat. Und das obwohl ich Staatsbürger eines europäischen Landes bin! Das ist eine Serie von Ungerechtigkeiten und Absurditäten. Ich werde mich an späterer Stelle weiter dazu äußern…

Ich danke allen, die mich unterstützt haben, allen die gegen die Ungerechtigkeit und die Komplizenschaft europäischer Behörden mit einem Despoten gekämpft haben, und allen die die freie Rede und Pressefreiheit verteidigt haben. Der Widerstand ist schön…“

5
Ich mag doch keine Fische vergeben
Meine Bewertung zurückziehen
Du hast None Fische vergeben
6 von 6 Fischen

bewertete diesen Eintrag

Matt Elger

Matt Elger bewertete diesen Eintrag 31.12.2016 11:05:18

Waldschrat der Erste

Waldschrat der Erste bewertete diesen Eintrag 31.12.2016 10:18:58

Silvia Jelincic

Silvia Jelincic bewertete diesen Eintrag 30.12.2016 13:08:40

Aysel Stern

Aysel Stern bewertete diesen Eintrag 30.12.2016 11:44:51

Aron Sperber

Aron Sperber bewertete diesen Eintrag 30.12.2016 10:13:56

6 Kommentare

Mehr von Julian Tumasewitsch Baranyan