„Eine Juristin ist mit einem Eilantrag gegen ein Kopftuchverbot vor dem Bundesverfassungsgericht gescheitert. In einer vorläufigen Abwägung gaben die Karlsruher Richter der staatlichen Neutralitätspflicht mehr Gewicht als der Religionsfreiheit der Rechtsreferendarin.“
Das schreibt die FAZ am 04. Juli 2017 zu einer richterlichen Entscheidung, die für heftige Diskussionen in den Kommentarbereichen diverser Medien sorgte.
Man liest dort vorwiegend Pro- und Kontraargument, wie sie jedes Mal zum Vorschein kommen, wenn dieses Thema Gegenstand des politischen Tagesgeschehens wird.
Einen entscheidenden Aspekt scheint aber niemand so wirklich erkannt zu haben: Die Einflussnahme ausländischer Lobbyorganisationen.
Kleidungsstück als religiös-parteipolitische Monstranz der AKP
Zunächst einmal haben wir ein ganz normales unproblematisches Kleidungsstück, das auch in ländlichen Gebieten hiesiger Breiten bis vor einem halben Jahrhundert recht gängig war, und, auch heute, betrachtet man die globale Ebene, lange nicht nur von konservativen muslimischen Frauen getragen wird.
Allerdings haben es mittlerweile, vor allem AKP-nahe, ausländische Lobbyverbände zu ihrem Kampfsymbol erkoren.
Das zeigt sich in den letzten Jahren deutlich und wiederholt.
Gerade bei der Bewertung des vorliegenden Urteils sollte dieser Punkt eine ganz entscheidende Rolle spielen.
Vergleiche mit Kreuzen, Kippas, etc., wie sie von Kritikern des Urteils immer wieder gezogen werden, führen stets ins Leere.
Wenn überhaupt ein Vergleich mit anderen religiösen Symbolen herhalten soll, der dem Kopftuch in seiner vorliegenden Bedeutung gerecht werden soll, dann wäre es eher angebracht, sich einen Richter oder Anwalt vorzustellen, der während jeder Verhandlung, wie bei einer christlichen Prozession üblich, eine Monstranz vor sich her trägt.
Ein Vergleich mit hypothetisch existierenden Richtern oder Staatsanwälten, die Baseballcaps mit Emblemen der CDU, SPD, Pegida, Antifa, oder irgendeiner anderen politischen Partei oder Gruppierung tragen, ist noch weitaus zielführender.
Er macht die Dimension der parteipolitischen Aussage des Kopftuchs gut deutlich.
Es geht nämlich gerade nicht um ein Kreuz, einen Davidsstern, ein Faravahar, Zülfikar oder Vers eines Glaubensbekenntnisses in arabischer Schrift, das als religiös-spiritueller Talisman dezent und für die Öffentlichkeit verdeckt unter der Kleidung getragen wird.
Es geht um ein unübersehbares Bekenntnis zu einer politischen Strömung bzw. eigentlich immer sogar einer konkreten Partei.
Kopftuch und Islamophobie: Kampfsymbol und -begriff als taktische Bestandteile türkischer Außenpolitik
Das Kopftuch ist mittlerweile ähnlich wie, meist absurde, "Islamophobievorwürfe" oder Forderungen nach Toleranz, die eigentlich Privilegien meinen, ein Instrument mit denen angesprochene Lobbygruppen ihren Einfluss in Deutschland und ganz Europa erfolgreich ausgebaut haben und weiter ausbauen wollen.
Jene Vorwürfe sind oft eng mit dem Kopftuch gekoppelt.
Wer es, in welchem Kontext und aus welchen Gründen auch immer, ablehnt, wird mit dem Kampfbegriff des „Islamhasser“ oder „islamophob“ versehen.
Diese Gleichsetzung haben im deutschsprachigen Raum in aller, erster Linie Vereine und Verbände, die in unmittelbarer Abhängigkeit zur AKP, also einer ausländischen Regierungspartei die eine eindeutig islamistische Agenda verfolgt, stehen, vorangetrieben.
Dass sie mit dieser Taktik bei vielen lauten und einflussreichen, politischen Strömungen offene Türen einrennen, war dabei einkalkuliert, gewollt und auch meist erfolgreich.
Betül Ulusoy erlangte in Vergangenheit durch eine Aktion Bekanntheit, die im weiteren Sinne als Präzedenzfall für die nun abgewiesene Klage gewertet werden kann.
Sie definiert sich ganz wesentlich über ihr Kopftuch sowie ihre Verbundenheit mit der türkischen AKP-Regierung und ihre Zugehörigkeit zu einer der wichtigsten Lobbyorganisation der türkischen Regierungspartei, dem Islamverband DITIB.
Blogger Kurt Schmallekovski hat einen interessanten, gut recherchierten und exemplarischen Blogbeitrag bzgl. ihres Wirkens verfasst.
Darin schreibt er: „Islamisten haben es inzwischen gelernt, sich als eloquente und herzergreifende „Demokraten“ zu verkaufen, […]“
In einem anderen Zusammenhang, aber immer wieder und gerade hier sehr passend, schrieb der britisch-kurdische Politikwissenschaftler, Essayist, Übersetzer und Menschenrechtsaktivist Rebwar Rashed 2014:
"In nahezu allen EU Sitzungen und Verhandlungen hat die Türkei alles dafür getan, ihre aktuellen Vorrechte zu behalten bzw. sie sogar auszubauen, ohne aber dabei zu irgendeiner Form von Gegenleistung bereit zu sein. Ihre Waffe dabei ist einfach und wirkungsvoll zu gleich: Die Türkei schreit einfach immer, dass Europa Islamhass praktizieren würde.“
Die Karlsruher Richter haben ein wichtiges und richtiges Signal ausgesandt, dass diese Taktik nun keinen unbegrenzten Erfolg mehr nach sich zieht.
Durch ihren Beschluss wurde der Einflussnahme einer ausländischen Regierung eine wichtige Grenze gesetzt.
Belege zum besseren Verständnis und zum Weiterlesen:
- FAZ: „Kopftuchverbot Rechtsreferendarin scheitert in Karlsruhe“, 04. Juli 2017
- Schmalle und die Welt: „Betül Ulusoy und „die“ Linke“, 18. November 2016
- Rebwar Rashed: „NO to Turkey´s ‘Buffer Zone’ in West Kurdistan!“, The Kurdistan Tribune, 2. Oktober 2014