Wenn wir an Cannes denken, fallen uns in der Regel an erster Stelle Filmfestspiele, Jet-Set, mediterranes Lebensgefühl und französisches Savoir-Vivre ein. Fortgeschrittene Fans der Côte d‘Azur denken vielleicht als nächstes an die malerischen Gassen des Suquet, die gesäumt von Spezialitätenrestaurants zur Festung hinauf führen.
Auf dem Pflichtprogramm eines jeden Cannestouristen steht natürlich der „Palais de Festival“.
Nur wenige hundert Meter entfernt steht die Kirche „Notre Dame de Bon Voyage“. Insidern ist der Sakralbau vor allem deshalb ein Begriff, weil er Napoleon Bonaparte im April 1814 auf seiner Rückkehr von Elba, gut ein Jahr vor der Schlacht von Waterloo, als Nachtquartier diente.
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In der katholischen Kirche fand am 03.April 2005 eine Messe nach maronitischem Ritus statt.
Notre Dame de Bon Voyage beherbergt seit diesem Datum die Reliquien von drei Heiligen aus dem Libanon.
Ein Bild am nördlichen Seitenschiff der Kirche weist auf darauf hin. Es ist besonders auffällig, weil es als Bild in einer lateinisch-katholischen Kirche aramäische Schrift enthält. Syrisch-aramäisch ist die Liturgiesprache der maronitischen Christen des Orients.
Zum ersten Mal präsentierte damals eine katholische Kirche in Frankreich ihren Gläubigen dauerhaft die Reliquien libanesischer Heiliger zur Verehrung. Das gab Jacques de Montchamp, Sprecher der Kirche und seit 1985 Vorsitzender der französisch-libanesischen Studentenvereinigung, damals gegenüber der Nachrichtenagentur AFP an. Die Reliquien gehören zu der, 2001 heilig gesprochenen, Rafqa Ar-Rayès, dem 1977 heilig gesprochenen Scharbel Machluf, und dem 2004 heilig gesprochenen Nimatullah al-Hardini.
Julian Tumasewitsch Baranyan
De Montchamp sprach im Vorfeld der feierlichen Einweihung von der „Begegnung einer lateinischen und einer orientalischen Kirche“.
Die Messe am Sonntag, den 03. April 2005 wurde unter Leitung des maronitischen Bischofs Georges Scandar gefeiert. Er war extra zu diesem Anlass aus dem Libanon angereist. Im Laufe der Messe fand eine Ehrung von Rafiq Baha'eddin al-Hariri, Muslim und ehemaliger libanesischer Premierminister, gehalten. Für de Montchamp hat die Erfahrung seiner gewaltsamen Tötung Christen und Muslime im Libanon zusammengeschweißt, und zu einer Art Insel des friedlichen Zusammenlebens gemacht.
De Montchamp unterstrich damals ebenfalls die Bedeutung der libanesischen Diaspora an der Côte d’Azur und die Popularität der drei Heiligen aus dem Nahen Osten.
Der Libanon ist religiös sehr heterogen bevölkert. 53% der knapp sechs Millionen Einwohner sind Muslime. Genau eine Hälfte unter ihnen bekennt sich zur schiitischen Konfession. Die andere Hälfte zur sunnitischen. Gut 40% der Bevölkerung bekennt sich zum Christentum. Gut die Hälfte von ihnen gehört der maronitischen Kirche an. Die, wie auch die maronitische Kirche, aramäisch-sprachige syrisch-orthodoxe Kirche sowie die armenischen und griechischen Kirchen spielen ebenfalls eine wichtige Rolle. Drusen machen knapp 6% der Bevölkerung aus.
BBC / University of Texas / CIA / Infolebanon http://news.bbc.co.uk/nol/shared/spl/hi/guides/456900/456976/img/1164380558.gif#
Diese Vielfalt macht den Libanon einzigartig. Sie war bis vor gut hundert Jahren im Nahen Osten vielerorts zu finden. Anderer Orts wurde sie ab dem ausgehenden 19. Jahrhundert, also bereits lange vor George Bushs Irakkrieg, Stück für Stück zerstört. Der Libanon ist sicher nicht perfekt. In punkto Ursachenforschung für das Verschwinden von religiösen und ethnischen Minderheiten anderer Orts, wie auch in Bezug auf ein nahöstliches Staatsmodell, das ein friedliches Zusammenleben garantiert, kann man viel von diesem kleinen und faszinierenden Land lernen.
Ein wesentlicher Garant dafür ist das Wahlgesetz von 1995, das eine gleichmäßige Verteilung von Parlamentssitzen nach konfessioneller Zugehörigkeit der Parlamentarier garantiert. Von 128 Abgeordneten, sind 34 Maroniten, 14 Griechisch-Orthodoxe, 8 griechische Katholiken, 5 Armenisch-Orthodoxe, 27 sunnitische Muslime, 27 schiitische Muslime und 8 Drusen.