Schwurbelnde, rechtsextreme Covidioten oder offenherziger, friedlicher, internationaler Querschnitt der Gesellschaft ? – Eindrücke von einer Demonstration gegen die deutsche „Corona-Politik“

Am Samstag, den 17. April 2021 war ich in Wiesbaden zum ersten Mal seit sechs Jahren wieder auf einer Demonstration, genau genommen sogar auf zwei.

"Alles Nazis und Rechtsextreme da drüben..."

Bevor ich es mich auf die Demo der Kritiker der Coronapolitik verschlug, habe ich mich zunächst zur Gegendemo gesellt, um mir anzuhören, was sie vorzubringen haben. Die Hessenschau spricht von einer Kundgebung des „Wiesbadener Bündnisses für Demokratie“ und erweckt so den Eindruck einer zivilgesellschaftlichen Initiative. Die Tatsache, dass ich auf dem Bahnhofsvorplatz beinahe ausschließlich Banner und Plakate der JuSos und ver.di – Jugend gesehen habe, lässt mir persönlich massive Zweifel daran aufkommen, dass hier jenseits des formellen Anmelders tatsächlich eine zivilgesellschaftliche Bewegung als Hauptinitiator fungierte.

Auf mich zugekommen ist dort niemand, angefeindet wurde ich auch nicht. Mein Eindruck war, dass JuSos und ver.di – Jugend unter sich bleiben wollten. Ich habe die Teilnehmer nicht durchgezählt, aber ihre Anzahl erschien mir deutlich geringer als 300, wie vom öffentlich-rechtlichen Rundfunk und dem Regionalsender von RTL kommuniziert wurde. Ich denke, es waren maximal halb so viele.

Nach ca. 15 Minuten habe ich die Gegendemonstration verlassen, da bei dieser - nach meinem Dafürhalten - unmittelbar mit einer bundesdeutschen Regierungspartei verbandelten sowie institutionalisiert wirkenden, Kundgebung nichts zu hören war außer den üblichen Platituden nach dem Motto "Alles Nazis und Rechtsextremen da drüben..."

Die vermeintlichen „Covidioten“ sind ein offenherziger, ausgewogener Querschnitt der Gesellschaft

Zu den Reden auf der regierungskritischen Demo kann ich leider nichts sagen. Ich habe sie alle verpasst. Zur Wahrheit gehört, dass mir tatsächlich unter knapp 2000 Demonstranten vier, etwas abseits stehende Männer, mit Reichsflagge auffielen. Deutschlandflaggen waren in größerer Anzahl vorhanden, allerdings nicht übermäßig viele. Zwei Frauen stimmten später einmal kurz die Nationalhymne an (die 3. Strophe) an. Außer den beiden sang aber niemand mit. Selbst erstellte Banner und Plakate mit u.a. lockdownkritischen Slogans überwogen deutlich.

Auf dieser Kundgebung kam ich recht schnell mit vielen Teilnehmern ins Gespräch, mindestens drei Dutzend. Natürlich bin ich - wie jeder Mensch auf der Welt – voreingenommen, selbst scharfer Kritiker des Lockdown-Dogmatismus der deutschen Bundesregierung und gebe offen zu im Spannungsfeld richtungsweisender gesellschaftlicher Konflikte dazu zu neigen, mich bisweilen reflexartig an Mottos wie „Der Feind meines Feindes ist mein Freund“ und „Im Zweifel immer für den Underdog“ zu orientieren. Vielleicht oder wahrscheinlich fiel mir die Kontaktaufnahme deshalb hier leichter. Jedenfalls teile ich den Eindruck, den Boris Reitschuster bereits in seinen zahlreichen Livestreams gewonnen und vermittelt hat: Hier hat ein bunter Querschnitt der Gesellschaft demonstriert, von Akademikern, über Angestellte, Studierende, Leistungssportler bis hin zu Erwerbslosen und von Konservativen, über Liberale bis hin zu klassischen Linken und Esoterikern.

Man begegnete mir stets freundlich und aufgeschlossen, obwohl ich immer wieder betonte aus einer Vielzahl von Gründen gegen totalitäre, rückständige und verheerende schädliche Lockdowns zu sein, es aber 1.) für kontraproduktiv halte, sich an vergleichsweisen Kleinigkeiten wie der Maskenpflicht zu stören und 2.) nach Rücksprache mit Medizinern die Impfung gegen Covid-19, zumindest in Bezug auf einen der bislang zugelassenen Impfstoffe, für unbedenklich halte.

20% - 30% Migranten unter den Regierungskritikern

Während sowohl die Hessenschau als auch RTL die Teilnahme von NPD-Politikern und Reichsbürgern sowie „drei Personen“, die „Flugblätter einer rechtsgerichteten Organisation“ bei sich führten, hervorhoben, empfand ich etwas anderes als bemerkenswert, nämlich den hohen Migrantenanteil unter den regierungskritischen Demonstranten. Ich schätze ihn auf mindestens 20%, vielleicht sogar 30%. Neben natürlich deutsch, hörte ich ungefähr ein Dutzend weiterer Sprachen und unterhielt mich längere Zeit u.a. mit einem Afroamerikaner, zwei Rumänen, einem Ukrainer, drei Kosovo-Albanern und mehreren Russlanddeutschen. Viele Osteuropäer berichteten über eigene Diktaturerfahrungen und die, von ihnen wahrgenommenen Déjà-Vus angesichts des gegenwärtigen Berliner Regierungskurses.

„Es ist eine Diktatur“

Besonders prägnant und bewegend waren die Äußerungen einer jungen Kosovarin, die mit einigen hundert weiteren Demonstranten über Stunden auf dem Kaiser-Friedrich-Ring von der Polizei eingeschlossen war; eine hochgradig fragwürdige Vorgehensweise, die auch der iranstämmige Regisseur und Medienwissenschaftler Dr. Gérard Naziri in einem offenen Brief an den hessischen Innenminister Beuth scharf kritisiert.

Wortwörtlich sagte sie:

„Ich habe bis heute nie richtig verstanden, was Mama meint, wenn sie von der Angst und Abneigung gegen den Staat spricht, die sie verspürte, wenn sie sich vor den Gefechten zwischen unserer Guerilla [gemeint ist die UCK] und der jugoslawischen Armee versteckte. Jetzt weiß ich es.“

Mein ukrainischer Gesprächspartner war auf dem Kaiser-Friedrich-Ring derselben Situation ausgesetzt und äußerte sich folgendermaßen:

„Ich bin schockiert, was hier passiert. Im Januar bin ich mit dem Auto in die Ukraine gefahren. Polizeipräsenz und Kontrollen auf den Autobahnen in Deutschland haben mich an meine Kindheit erinnert. Als ich die deutsch-polnische Grenze passierte, habe ich erst einmal eine halbe Stunde lang gebetet und Gott gedankt, dass es nach drüben geschafft habe. Bei uns in der Ukraine ist alles offen, sogar die Discotheken, und es funktioniert. Ich bin als Kind aus der Sowjetunion in die DDR ausgewandert, habe also sehr früh zwei Diktaturen kennengelernt und erlebt. Ich bin heute zum ersten Mal zu einer solchen Kundgebung gegangen, weil ich wissen wollte, ob wir in Deutschland noch in einer Demokratie oder bereits in einer Diktatur leben. Jetzt sehe ich, wie die Polizei hier auftritt, Menschen festgehalten werden, und dass Gegendemonstranten quasi von der Regierung selbst in Stellung gebracht werden. Seit heute weiß ich: Es ist eindeutig eine Diktatur!“

Protest verbindet und macht Völkerfeindschaften vergessen

Doch trotz dieser bedrückenden Wahrnehmungen, bergen die Gespräche für mich etwas Positives. Es mag pathetisch klingen und vielleicht romantisiere ich meine Erlebnisse an dieser Stelle etwas über die Maßen, aber an jenem Samstag in der hessischen Landeshauptstadt hatte ich das Gefühl, dass der Protest gegen die stetig totalitärere Züge tragende „Corona-Politik“ der deutschen Bundesregierung für ein paar Stunden Gräben und Konflikte zwischen Nationalitäten vergessen machte. Russen und Ukrainer, Serben und Albaner, Türken und Armenier waren in einem gemeinsamen Anliegen vereint.

Nach mehrmaligem Überschlafen und Nachdenken über das Erlebte, bleibt folgendes Fazit:

Ich bin längst kein unvoreingenommener sondern ein parteiischer Beobachter. Das gebe ich offen zu, denn ansonsten würde ich mir selbst etwas vormachen. Aber, können Journalisten und Redaktionen Unvoreingenommenheit, Neutralität und Seriosität für sich in Anspruch nehmen, wenn sie regierungskritische Demonstranten per se mit stigmatisierenden, politischen Kampfbegriffen wie „Coronaleugner“, „Aluhutträger“, „Covidioten“ oder „Schwurbler“ belegen, ihnen aufgrund von marginalen Randerscheinungen per se eine rechtsextreme Gesinnung unterstellen und ihre Berichterstattung lediglich auf Negativaspekten der Polizeiberichte aufbauen? Nein das können sie auf keinen Fall!

Ich, für meine Begriffe, habe an diesem Samstag in Wiesbaden einen offenherzigen, friedlichen und internationalen Querschnitt der Gesellschaft erlebt, der mit Fug und Recht seine kritische Haltung gegenüber einem Gesundheitsnihilismus auf die Straße trug, der zusehends zur absurden und repressiv durchgesetzten Staatsdoktrin wird.

Demonstration auf den Reisinger Anlagen

Demonstration auf den Reisinger Anlagen 2

Gegendemonstration auf dem Bahnhofvorplatz

Sie wollten zum Luisenplatz und landeten im Kessel

Kurz bevor der Kaiser-Friedrich-Ring von der Polizei eingekesselt wurde

15
Ich mag doch keine Fische vergeben
Meine Bewertung zurückziehen
Du hast None Fische vergeben
6 von 6 Fischen

bewertete diesen Eintrag

Matt Elger

Matt Elger bewertete diesen Eintrag 25.04.2021 00:56:14

Charlotte

Charlotte bewertete diesen Eintrag 24.04.2021 18:44:33

Bösmenschen

Bösmenschen bewertete diesen Eintrag 24.04.2021 17:53:23

Ttavoc

Ttavoc bewertete diesen Eintrag 24.04.2021 17:08:41

Spinnchen

Spinnchen bewertete diesen Eintrag 24.04.2021 13:57:04

Claudia56

Claudia56 bewertete diesen Eintrag 24.04.2021 11:27:21

thurnhoferCC

thurnhoferCC bewertete diesen Eintrag 24.04.2021 10:54:13

Tourix

Tourix bewertete diesen Eintrag 24.04.2021 10:12:02

nzerr

nzerr bewertete diesen Eintrag 24.04.2021 06:49:16

Frank Irle

Frank Irle bewertete diesen Eintrag 24.04.2021 04:53:36

Don Quijote

Don Quijote bewertete diesen Eintrag 24.04.2021 01:26:22

invalidenturm

invalidenturm bewertete diesen Eintrag 24.04.2021 01:11:30

Walter Kellner

Walter Kellner bewertete diesen Eintrag 24.04.2021 01:07:12

philip.blake

philip.blake bewertete diesen Eintrag 23.04.2021 21:57:08

Aron Sperber

Aron Sperber bewertete diesen Eintrag 23.04.2021 21:50:53

19 Kommentare

Mehr von Julian Tumasewitsch Baranyan