Große Universitätsaula Salzburg. Zur jazzige Untermalungsmusik tummeln sich hunderte Leute auf der tribünenartigen Treppe. Dann eröffnet Jochen Jung mit seinen gewohnt humorvollen Einführungsworten das 8. Salzburger Literaturfest. Er spricht vom Wunder der Literatur und davon, dass es „nur 2 bis 3 schönere Dinge im Leben“ gäbe, wie ihm vorhin Gast Harald Martenstein seine Sicht anvertraut hätte. Als Autor und Verlagsleiter spielt er das, was er „Stadt, Land, Fluss“ nennt: die Begrüßung von Ehrengästen aus der Politik, sprich aus Stadt, Land und Bund.
Das Generalthema des heurigen Literaturfests lautet „Über Grenzen“. Grenzen beschäftigen uns momentan meist auf unerfreuliche Weise. Denkt man an die Grenzüberwindung der vielen Flüchtenden, so ist die Grenze beziehungsweise ihre Überwindung stellvertretend für die erhoffte Chance für ein sicheres Leben in einem Zuhause. Der Begriff hat aber ein zwiespältiges Image, denn Grenzlinien sind nicht nur zwischen Mein und Dein unterscheidend. Der Begriff ist auch positiv besetzt, wenn es darum geht, Grenzen des Anstands zu ziehen.
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Die Kunst ist etwas Grenzbewusstes indem sie Grenzen zwischen Tradition, Tabu und Provokation in Frage stellt. Literatur kann helfen, Grenzen im Kopf zu öffnen, schlägt einer der Vorredner vor, bevor das Ganze dann rasch sehr konkret wird: „Salem Aleikum, Friede sei mit euch. Ich bin kein Politiker“, begrüßt Abbas Khider das Publikum. Seine berührenden Erzählungen bieten einen direkten Einstieg in das Thema. Er liest aus seinem Roman „Brief in die Auberginenrepublik“ und erzählt drum herum aus Lebenserfahrenem. 1996 floh er nach einer Verurteilung und einer zweijährigen Gefängnisstrafe aus dem Irak. Ursprünglich wollte Abbas Khider nach Schweden zu seiner Schwester. In Deutschland nahm man seine Fingerabdrücke ab, er durfte nicht mehr weiterreisen. „Seitdem hocke ich da“, sagt er abgeklärt, aber nicht unzufrieden.
Im Lesereigen folgt ihm Marlene Streeruwitz nach. „Diese Überwältigung hat natürlich schöne Namen. Manchmal heißt sie Kunst. Oder Literatur. Oder Handelsabkommen . Oder Schule. Staat.“, ist von ihr im Programmheft zu lesen. Sie liest aus ihrem Roman „Nachkommen“ und wandelt damit an der Grenze zwischen Selbst und Inszenierung im Literaturbetrieb. „Ich stelle Fragen, weil ich diese Welt nicht verstehe“, so der Schweizer Poetry Slamer Christoph Simon. Er betreibt ein Abstecken der Grenzen, um sie greifbar zu machen.
Die Grenzen des Kolumnisten sind 3500 Zeichen und Dienstag morgens, zumindest wenn man Harald Martenstein ist und „Die Zeit“ irgendwann mal anruft und um eine Verbrauchertippskolumne bittet. Nach seinen „Unartigen Beobachtungen zum deutschen Alltag“, stellt er folgende kluge Überlegung an: „Die wichtigste Grenze für Literatur ist die Wirklichkeit. Literatur und Journalismus können die Wirklichkeit nicht verändern. Man kann damit aber Freude bereiten.“ Und auch das ist erklärtes Ziel des Salzburger Literaturfestes. Bis Sonntag hat man noch die Chance dazu.