Kürzlich wurde in Sachsen der Carlowitz-Preis für Nachhaltigkeit verliehen. Über den Preisträger ist schon alles gesagt, was gesagt werden musste - und noch viel mehr.
Interessanter ist die Person des Namensgebers.
Johann Carl von Carlowitz hatte vor vierhundert Jahren die Position des sächsischen Oberberghauptmannes inne. Schon damals war Bergbau eine energieintensive Angelegenheit, und als Energiequellen standen Holz, Wasserkraft und Muskelkraft zur Verfügung.
Nach einigen hundert Jahren des Kahlschlags war abzusehen, wann der Wald abgeholzt sein würde. Damit bräche die Industrie zusammen und das Volk stünde ohne Erwerb da.
So veröffentlichte er 1713 das Buch "Sylvicultura oeconomica – Anweisung zur wilden Baumzucht". Unter dem Eindruck intensiven Raubbaus durch Bergbau und Holzproduktion über einen Zeitraum von mehr als 300 Jahren definiert das Buch erstmals eine "nachhaltende" Wirtschaft. Ausgehend vom einfachen, aber missachteten Prinzip, für jeden Baum einen neuen zu pflanzen, werden die drei Säulen der Nachhaltigkeit dargelegt:
die ökologische
Der Wald ist ein komplexes System. Einmal abgeholzt, kann er in dieser Komplexität nicht einfach neu erschaffen werden. Holzwirtschaft darf nicht zum Kahlschlag führen, und die neu entstehenden Bäume müssen gehegt werden. Dazu gehört das Kalken des Bodens, der Schutz vor Wildverbiss, aber auch die sorgfältige Auswahl der Baumarten.
Ausgehend von der Zeit, die ein Baum zum Wachstum benötigt, ergibt sich die Menge an Holz, die geschlagen werden kann.
die ökonomische
So schön es wäre, den Wald zu schonen, so wichtig ist er für die Wirtschaft. Vom Dachstuhl über das Papier bis hin zum Webstuhl oder zum Brennmaterial - Holz war und ist ein wichtiger Rohstoff. Setzt man aber auf sofortigen maximalen Gewinn, entzieht man sich selbst die Existenzgrundlage, während bei nachhaltender Bewirtschaftung der Wald eine stetige Einnahmequelle darstellt. Für Holzarten, die langsamer wachsen und demzufolge dichter sind, erzielt man mit den Jahren sogar überproportionale Preise.
Carlowitz' Verdienst bestand auch darin, dies den Waldbesitzern verständlich zu machen. Den Adligen, die daran interessiert waren, ihren Nachfahren ein prosperierendes Land zu hinterlassen, war dies überraschend leicht zu vermitteln. Schwerer war dies schon bei den Waldpächtern.
die soziale
Das ökonomische Interesse der Wald- und Industriebesitzer sowie das ökologische Gleichgewicht des Waldes müssen aber auch mit den sozialen Erfordernissen abgestimmt werden. Wenn der Wald nur dazu dient, dem Besitzer Gewinne zu verschaffen und ansonsten komplett ungestört bleibt, bedient sich das Volk selbst. (Einem Forstmeister, der ausgeschickt war, dies zu verhindern, wurde in einer Kleinstadt direkt nach seiner Ankunft der auf dem Platz gestapelte Hausrat angezündet und er selbst aus der Stadt vertrieben.)
Die Menge des Holzes muss also auch daran gemessen werden, die Bedürfnisse des Volkes zu befriedigen.
Durch diese ständige Wechselbeziehung wurde das Prinzip der Säulen später in ein Dreieck umgewandelt, in dem jede Komponente die anderen zwei beeinflusst.
Neben diesem zukunftsträchtigen Modell war es aber auch notwendig, Sofortmaßnahmen zu ergreifen. Eine schädliche Entwicklung umzukehren ist das Eine, aber wenn sich diese bereits in Bewegung befindet, muss parallel dazu auf deren Folgen reagiert werden.
Unter Berücksichtigung der drei Säulen wurden zunächst schnellwachsende Nadelbäume gepflanzt. Stück für Stück sollten diese in den ursprünglichen Mischwald gewandelt werden.
Je nach den politischen und wirtschaftlichen Gegebenheiten wurde dies mal mehr, mal weniger konsequent umgesetzt. Nach den beiden Weltkriegen, besonders im Winter 1945/46 holten die Menschen das Holz aus den Wäldern, was zu holen war. Die Folge: Wieder wurden schnellwachsende Bäume gepflanzt. Die DDR hätte zwar die Möglichkeit gehabt, nachhaltige Forstwirtschaft zu betreiben, aber die Versuchung, über Holzverkauf Devisen zu erhalten, überwog das nachhaltige Denken, das durchzusetzen der Sozialismus eigentlich angetreten war.
Darum bietet sich dem Betrachter derzeit folgendes Bild:
sterbender Wald
aufgenommen im Sommer 2019
gedeihender Wald
aufgenommen im Sommer 2019
beides direkt nebeneinander
aufgenommen im Sommer 2019
Die drei Bilder stammen von derselben Stelle und vom selben Tag - nach zwei bis drei Wochen ohne Regen.
Gewinnstreben steht also nicht zwingend im Widerspruch zur Nachhaltigkeit. Henry Ford - mit Sicherheit kein Menschenfreund - verzichtete auf kurzfristige Gewinnmaximierung mit dem berühmt gewordenen Spruch: "Autos kaufen keine Autos." Die Löhne der Arbeiter waren so bemessen, das diese sich selbst ein Auto aus der eigenen Produktion leisten konnten. So standen zumindest die soziale und die ökonomische Säule in einem gesunden Verhältnis. Haltbarkeit der Produkte, Gewinn und Löhne müssen dabei ständig aufeinander abgestimmt werden.
Zieht man noch die ökologische Säule in Betracht, kann man die Haltbarkeit der Produkte nicht künstlich verringern, um das Volumen des Marktes zu beeinflussen. Ebensowenig kann man den Kunden einreden, das Modell des vorletzten Jahres wäre komplett veraltet und nur das aktuelle Modell würde unbedingt benötigt.
Dieses Gleichgewicht langfristig zu erhalten (oder erst einmal herzustellen) wären in jeder Generation die größten Geister gerade gut genug.
Der Begriff der größten Geister bringt uns nun nahtlos zu den Grünen und ihrer Energiepolitik.
Die sogenannte Energiewende setzt scheinbar an der ökologischen Säule an - scheinbar deshalb, weil Klimaschutz nicht gleichbedeutend mit Umweltschutz ist.
Im Zentrum der derzeitigen Aktionen steht das Kohlendioxid. Als dessen Hauptverursacher sind der Verbrennungsmotor und die Kohlekraftwerke ausgemacht. Als Sofortaktion wird der Verbrennungsmotor abgeschafft und durch den Elektromotor ersetzt. Gleichzeitig schaltet man die Kohlekraftwerke ab.
Der ökologischen Säule ist damit Genüge getan. Unberücksichtigt bleiben die Folgen für die ökonomische Säule. Vermehrter Stromverbrauch bei gleichzeitiger Abschaltung einer Hauptenergiequelle erfordert den Bau neuer Kraftwerke aus alternativen Energien. Da die Entwicklung der Kernkraftwerke seit Tschernobyl gewisse Fortschritte zu verzeichnen hat, wären Dual-Fluid-Reaktoren oder vergleichbare Technologien durchaus eine bedenkenswerte Alternative. Allerdings wird in der Gegenwart nicht in den Kategorien von Richtig oder Falsch, sondern in denen von Gut und Böse gedacht - und Kernenergie ist per se böse, wird also ebenfalls abgeschafft.
Damit haben wir eine Beziehung, in der die ökologische Seite bedient wird, es aber keinerlei Ansätze für die ökonomische Seite gibt. Die Kalkulationen spekulieren zum Einen auf Technologien, die es irgendwann einmal geben wird (wobei Deutschland als Wissenschaftsstandort immer mehr zurückfällt) oder agieren nach dem Sankt-Florians-Prinzip (Verschon mein Haus, zünd andre an). Das Kernkraftwerk Temelin in Böhmen wird erweitert, da abzusehen ist, dass der Strom bei der nächste Dunkelflaute in Deutschland reißenden Absatz findet. Polen zieht mit Kohlekraftwerken nach. Wohlgemerkt: Diese Kraftwerke entsprechen bei Weitem nicht dem Standard, der in Deutschland seit Jahren verpflichtend ist.
Damit bricht ebenfalls die soziale Säule ein. Die Menschen im Grenzgebiet, die ihre Arbeit verloren haben, zahlen hohe und höchste Preise für den Strom, der 50 oder 100 Kilometer entfernt auf der anderen Seite der Grenze hergestellt wird, aus der Kohle, die ebenfalls dort abgebaut wird. Die Menschen auf jener Seite der Grenze haben Arbeit - auf dieser Seite der Grenze haben die wenigen Industriestandorte geschlossen. Die Wirtschaftsprogramme, die derzeit erwogen werden, basieren ebenfalls auf eher spekulativen Ideen. Außerdem ist zu erwarten, dass Grüne und SPD die entsprechenden Milliarden eher dort ausgeben, wo ihre Wähler sitzen und wo bereits jetzt Tausende Arbeitsplätze der Autoindustrie wegfallen.
Entsprechend der derzeitigen Sprache werden diejenigen, die dann protestierend auf die Straße gehen, als "Abgehängte" oder "Verlierer der Energiewende" bezeichnet werden.
Insofern ist die Energiewende schon im Ansatz nicht als nachhaltig zu bezeichnen, sondern trägt den Keim des Untergangs bereits in sich.