Wie es das erste Mal in der modernen Welt sein kann, dass wir eine große Krise nicht verstehen und an ihr scheitern werden. Ein Blick mit kommunikations- und kulturwissenschaftlichen Anleihen.

Worüber reden wir hier eigentlich? Das ist ein kluger Satz des einen am Tische, der mitdenkt. Oft wird zum Beipsiel der Schuldige gesucht, statt eine Naturkatastrophe zu akzeptieren oder sich als Gruppe einzugestehen, dass die eigene Schwarmintelligenz beim letzten Mal einfach knapp nicht ausgereicht hat.

Weil wir über Depression nicht reden können, haben wir den Begriff Burn-Out erfunden. Wenn wir für die Folgen in den Köpfen derer, die nun die Corona-Krise mitmachen, keinen Begriff kreieren, verlieren wir die Chance zur Kommunikation über einen Ausweg.

Die großen Corona-Verschwörungstheorien sind Nonsens. Der Nährboden ist jedoch real. Die Amerikaner hätten eine biologische Waffe gegen China verwendet. Quatsch. Dass das Machtverhältnis der USA zu China neu ausgelotet werden muss, ist real.

Der Umbau der Gesellschaft zur non-carbonen-öko-veggie-Verzichtgemeinschaft ist im vollen Gange. Egal, ob die Grünen die nächste Kanzlerin stellen. Doch „mitgenommen“ werden wir nicht.

Kommunizieren wir noch innerhalb unserer Gesellschaft? Und wenn nicht: Wie wird es uns in der Spät-Corona-Massenarbeitslosigkeit und Identitätskrise gehen? Leute, wir sind nicht gut aufgestellt.

Was sind überhaupt die richtigen Begriffe? Um mal von den Wortungeheuern wegzukommen, nenne ich diese Krise mal die Große Depression. Wir reden von einer Krise, die realistischer Weise im Jahr 2022 erst anfängt und wohl nicht unter 3 Jahren gehen wird und kann.

Auch ich, das muss ich zugeben, war in der Vergangenheit noch viel zu fixiert darauf, was die Politiker tun können. Heute, nur ein Jahr später nachdem ich euch und mir hier in einem vorigen Blog diese Frage stellte, weiß ich: Nichts. Sie werden ihr Projekt durchziehen und nicht kommunizieren - und schon gar nicht erklären. Nichts mit Nah bei die Leut.

Die nächste deutsche Regierung wird die Regierung der Super-Technokraten; derer, die es klinisch sauber haben wollen, ökologisch superclean.

Im Übrigen kann man eine R2G -Regierung nicht links-grün-versifft nennen. Das wäre ja einen menschlichen Faktor beinhaltend. Man sieht schon Reinhard Mey die Gitarre von hinten hervorholend. Nein, nein, so wird es nicht sein.

Wir entfernen uns.

Kommen wir eigentlich je dazu, unsere schreckliche Kommunikation seit März 2020 je aufzuarbeiten? Statt zu angeflirtet zu werden, hören wir am Rande des riesigen Supermarktparkplatzes nur den Schrei „Maske auf!“ einer hysterischen 50-Jährigen mit eher wenig nach Lebensfreunde aussehender Dauerwelle.

Statt den Dreitagebart-Sozialarbeitertypen, Mitte 40, vor der Sparkasse nach Feuer zu fragen, krähen die Leute „Abstand bitte! - Unerhört!“. Wer gibt denen, die sehr brav bei den Schutzmaßnahmen mitmachen, eigentlich etwas zurück? Bei dm, dem Drogieriemarkt, hängt ein Plakat, auf dem „Schön mit Maske!“ zu lesen ist, im Schaufenster. Nein, das muss ein Ausnahmezustand sein, der nur furchbar ist. Fanden wir nicht ein Lächeln einmal schöner? Ein Freund postete neulich einen Einkauffsbummel mit seiner zweijährigen Tochter bei Facebook. Sie, die Zweijährige, brav mit Maske. „Wir haben hier ganz viel Spaß!“ Eine Zweijährige bekommt kaum Luft. Das ist doch weder Spaß noch das gute Leben! Distopie pur. Doch wer redet schon drüber?

Über die Herausforderung des Kommunizierens:

Jedes Verhalten, ob beabsichtigt oder nicht, kann eine Botschaft vermitteln.

Sind wir mit dem Verhalten des sich aus dem Wege gehens, sich nicht mehr Umarmens, des nicht mehr nach Feuer fragens, gut für eine schwere Arbeitsmarktskrise vorbereitet? Wäre Nähe und sozialer Zusammenhalt nicht angesagter?

Was ist mit der Kultur?

Ein Einsprengsel: „Firma vom Schützenchef muss Insolvenz anmelden. Prominentes Opfer der Corona-Krise: Das Traditionsunternehmen Paul Stolle Karosserie- und Fahrzeugbau hat sich lange gegen die Pandemiefolgen gestemmt, „aber wir haben erkennen müssen, dass das auf Dauer nicht ausreicht“, sagt Paul-Eric Stolle. Der Schützenchef muss Insolvenzantrag stellen.“ Abgerufen heute in der Neuen Presse.

Jetzt kann man zynisch sagen: Klar. Volksfeste. Die sind nicht akademisch geprägt. Sie lassen zu viel Nähe zu. Selbst Bratwurst, wofür sogar noch ein Tier getötet wird, wird dort verzehrt. Doch kann unsere Gesellschaft es gut vertragen, wenn die Hochkultur in die Elbphilharmonie mit grünen Super-Impfpass und Kontakt-App abwandert und die einfache Kultur, also das Volksfest und die Biertrinkerkneipe ersatzlos wegfällt? Macht die App glücklich? Es gibt jetzt wirklich Online-Barstuben!! So richtig samt mit dem schnuckeligen Barkeeper flirten und so.

Martin Buber hat einmal gesagt: „Alles menschliche Leben ist Begegnung.“ Ok, wir wollen also weniger menschliches Leben, - es sei denn, wir wehren uns.

Jede Art von Kommunikation – auch wenn sie nur objektive Informationen beinhaltet – definiert zugleich das zwischenmenschliche Verhältnis.

Nur viel Kommunikation der letzten knapp einandhalb Jahre dreht sich erschreckenderweise um Corona und schleichend totalitaristische Strukturen, die im Zuge dessen eingeführt werden. Zu sagen, Maskenplicht für Geimpfe draußen ist Nonsens! schaffen wir hier in Deutschland ja gerade nicht. Der Impfzwang, im Sinne des „Sonst ist aber nichts mit Urlaub, Junge!“ ist längst da. Wer sich gegen die Corona-App wehrt, hat längst die Luca-App installiert. Sonst is´ ja nicht viel. #bummelnundtesten

Und die Spaltung der Gesellschaft?

Viele glauben, die nächste Wahl entscheidet noch irgend etwas. Nein. Die Parolen werden doch ohnehin einfach durchgezogen. Black Lifes Matter kommt als Notwendigkeit und die bürgerlich-konservative Seite, die es sich freilich nie eingestehen würde, konservativ zu sein – sie nennen sich Liberale - , wird es nicht beherrschen können.

Die Flugverbote, besser die Flugregulierungen, also der massive Preisanstieg und das GEBOT weniger in der Luft rumzukurven, kommt ebenfalls als Notwendigkeit. Keiner kommuniziert mit denen, deren Träume dann zerplatzen, deren Leben sich ändert:

Setzen sie niemals voraus, dass Kommunikation stattgefunden hat (d. h. zustande gekommen ist).

Die Multikrise: Werden wir mal ganz unakademisch. Was kommt 2022 auf und zu? Massenarbeitslosigkeit. Industrieumbau. Industrieabbau. Folgen des hintergründigen Wirtschaftskrieges. Höhepunkt der Halbleiterkrise. Rassenunruhen - keiner wird sie mehr benennen können - , Identitätskrise, mehr oder weniger heiße Migrationskrise, Flüchtlingswelle und die Wut derer, die zurückblieben, Finanzkrise, kulturelle Vertauenskrise, Geldverlust und Geldwertverlust, Aufblühen von einfachen Lösungen samt allem Handwerkszeug: Ideologien, Sekten, Hass, Hoffnung und Pseudo-Hoffnung, ökologische Hybris.

Und 80 Prozent sollen wirklich die Gewinner sein? Und das bei einem kaum noch miteinander stattfindenden Reden, bei abgebrochener, von „Oben“ verhindeter, von den Bessergestellten verweigerter und von den Politikern nie gelernter und folglich nie gelungender Kommunikation mit dem ganz normalen Menschen?

Setzen Sie niemals voraus, dass Kommunikation – selbst wenn sie stattgefunden hat – zu einem gemeinsamen Verständnis führt.

Wir bemühen uns seit etwa drei Jahren nicht mehr um ein gemeinsamens Verständnis. Wir haben die schlimmen Attentage von Halle und Volkmarsen nie aufgearbeitet. Und aus der Thüringenwahl haben die Politiker abgeleitet, dass sie einandhalb Jahre später gleich noch eine Wahl machen, weil´s so gut lief. Wenn wir gar knapp sechs Jahre zurückschauen, also auf die Flüchlingswelle von 2015, dann sehen wir, was passiert, wenn wir nicht miteinander kommunizieren. Der Politikertot als Antwort. Nur schlimm.

Über Rassismus können wir nicht mehr reden: Die Tagesschau berichtet über das getextete Wort von Boris Palmer und Jens Lehmann über Dennis Aogo und schafft es zwar noch die Parole „Rassismus!“ zu rufen, aber den Wortlaut, der einem einfachen Menschen erkären würde, was überhaupt passiert ist, mitzuliefern, sehen sich die öffentlich-rechtlichen Medien nicht mehr in der Lage. Besser nicht reden, als einen egomanen Akademiker von den Grünen zu zitieren. Nur: Es bleibt was auf der Strecke...

Kommunikation entsteht zwischen Menschen, nicht in Menschen. Oder sie entsteht eben nicht.

Haben wir uns je gefragt - ich meine wir Bürger, nicht die Politiker, ob wir die großen Vorhaben können? Klimagläubigkeit bis zum Schmerz, Turbomigration, Abstand, Verarmung durch Abschaffung der Bewirtschaftung der Räume, in denen Menschen sich begegnen. Kommunikation ist ein Prozess der gemeinsamen Verständnisfindung. Wer leistet diese Verständnisfindung?

Die Politik wird notwendigerweise ab Herbst noch mehr ausfallen. Künstlerinnen und Künstler? Thomas Gottschalk sagte neulich bei Sanda Maischberger: „Wenn ich hier einmal sagen würde, was ich wirklich denke, wäre sofort alles aus!“

Bei DSDS, auch wenn das Trash sein mag, sehen wir, dass wir nicht mehr reden können: Wie soll ich einem Fünfjährigen erklären, warum Personen mit Sonnen und Blitzen überblendet werden?

Die Rolling Stones schrieben schon vor vier Jahren einen neuen No-Futur-Blues runter. Mein Blogbeitrag Der störrische Herr Jagger. Mick Jaggers neuer Song passt nicht jedem berichtete davon.

Vielleicht sind wir auch in einer tiefen Kulturkrise.

Ausreichende Kommunikation ist die Grundvoraussetzung für das Erreichen eines gemeinsamen Verständnisses.

Es entstehen neue Schriften in der Kulturwissenschaft und der Literatur. Ob Sybille Berg zum Thema Einsamkeit schreibt oder Peter Sloterdijk zum Thema Migration schreibt: Von ihrer Fragestellung und methodischen Ausrichtung her sind diese Werke sehr unterschiedlich, jedoch charakterisiert sie alle das programmatische Bestreben, über die Fächergrenzen hinauszugehen und Artefakte, Theorien oder Symbole, aber auch Alltagspraktiken durch Rückbezug auf die ›Kultur‹ zu erklären, aus der sie entstanden sind.

Wenn die totalitären Superhygieniker ihre Ziele erreicht haben, sind dann einfach die Menschen mit dem einfachen Verständnis vom Leben weg? Was wurde dann aus denen, die in der Biertrinkerkneipe saßen? Denen mit dem Traum vom eigenen Fitnessstudio, die ihr Studio im Januar 2020 eröffnet haben und damut Pleite gingen? E-Autos kaufen und kontaktloser Schwedenurlaub wird für sie keine Option sein. Vielleicht wäre reden gut. Sie brauchen Infos, wo ihre Handlungsmöglichkeiten liegen und sie brauchen eine Würde. Kommunikation ist nicht gleich Information – Kommunikation fürhrt zu einen einheitlichen Verständnis von Information.

Wir brauchen keinen von den illiberal-clean Totalitären an den Menschen vorbei organierten Green New Deal, wir brauchen einen mit der Bevökerung kommunizierten, durch Wissenschaft, Kunst und Bildung mitmoderierten, Social New Deal. Wärme statt emotionale Kälte.

Gehen Sie immer davon aus, dass Kommunikation ohne ein gemeinsamens Vorverständnis beginnt – denn erst durch sie etabliert sich ein Common Ground.

Um in der großen Krise nicht dem Kommunikations-Herzinfarkt als - bisher reiche - Gesellschaft zu erleiden, ist eine bessere, doch wenigstens ausreichende Kommunikation, ob wir unsere Unterschiede akzeptieren wollen und können, zwingend notwendig.

Ausreichende Kommunikation ist die Grundvoraussetzung für das Erreichen eines gemeinsamen Verständnisses.

Wollen wir uns noch verstehen? Oder wollen wir uns missverstehen? Wenn wir uns missvertehen wollen, dann sind wir auf die Große Depression von 2022 bis 2025 nicht gut vorbereitet.

Die große Depression.

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