„Momentum auf ihrer Seite.“
Die Hoffnungen Merz, AKK und Spahn haben eines gemeinsam.
Au Mann. Da überschlagen sich die Ereignisse. Von den Granden des Journalismus bin zu den
journalistischen Nachwuchshoffnungen dürfen alle mal. Von Ex-Politikern, die jung sind, bis hin zu wahrlich senilen Altpolitikern müssen alle mal. Von denen, die die Uhr eine Stunde zurückstellen wollen bis zu denen, die die Uhr achtzig Jahre zurückstellen wollen. Einzig: Sie irren alle.
Ich werde im Folgenden auf die journalistischen wie politischen Äußerungen der letzten zwei Tage eingehen und versuchen aufzuzeigen, dass die Fähigkeit zur Erneuerung der CDU und damit wohl auch des Landes so nicht möglich ist. Wenn wir das disruptive Element, die destruktiven Spieler, die Rasanz der Zeit nicht mitbedenken, haben wir nichts gekonnt. Selten war das Um-die-Ecke-Denken so weit weg.
Mein Zwischenfazit: Der Kopf ist nicht mehr dazu rund , damit das denken die Richtung ändern kann.
Klaus von Dohnanyi, das Urgestein, sagt „in der großen Koalition (das Adjektiv klein zu schreiben scheint mir richtig zu sein) müsse die Partei bleiben – jetzt erst recht.“ (Welt) Jo.
Merkel das Leben verlängern, wer etwas Anstand hat sollte als strammer Genosse schon bis 2021 durchhalten. Er selbst geht mit gutem Beispiel voran, er ist dann 93 und die SPD wird dann 93 Prozent ihrer Wähler verloren haben. Aber einen anderen Weg hält er für unglaubwürdig. Jetzt weiß der Kevin Bescheid. Drei flotte, junge, dynamische Merkeljahre noch.
Das Kabinett Merkel IV ist aus Journalistensicht ein cooles Berliner Start-up. Wild.
Und der erschlankte Gabriel erwartet, dass Merkel bald Platz macht für Jamaika. Damit die, die dieses Bündnis letztes Jahr nicht schaffen konnten, es dann wieder nicht können. Nur dass sie es dann in der Regierung nicht können. Das sieht er aber schon als das gute Szenario an.
Doch fangen wir noch bevor wir uns mit Personen beschäftigen, mit einer Begrifflichkeit an. „Angela Merkel hat das Momentum so auf ihrer Seite.“ FAZ „Merkel hat das tragische Momentum auf ihrer Seite“ Allgemeine Zeitung Mainz. „Angekündigter Rückzug. Das Momentum ist auf Merkels Seite. Aber wie lange noch?“ R. Alexander, Welt.
Was für ein Unsinn. Mit Verlaub. Wenn die Kanzlerin der Bundesrepublik die Lust verliert, wenn die Frau, die für viele die mächtigste Frau ist, hinschmeißt, in sich zusammenbricht, dann produziert das natürlich ein Aufhorchen. Aber Angela Merkel ist doch ein vorsichtiger, langfristig denkender sowie langfristig agierender Mensch. Um ihre entspannte europäische Lösung der Flüchtlingskrise bringt sie sich so doch selbst; einfach noch 6 bis 7 Jahre verhandeln , überzeugen sowie Kurz und Orban aussitzen, schon wäre sie da.
Merkel ist ein Machtmensch. Das Momentum auf ihrer Seite zu haben, fand sie also stets nie erstrebenswert, gar unsexy. Die Langfristige hasst das Momentum. Doch im Moment des Todes hat man es natürlich auf seiner Seite. Wenn der bis dahin unbekannte Opernschauspieler und Sänger, der der an einem Galaabend auch nur die Vertretung war, auf der Bühne der Mailänder Scala einen Herzinfarkt erleidet, dann hat er auch das Momentum auf seiner Seite. Er ist dann tot.
Noch so ein schöner Unsinn. Ralf Brinkhaus im Heute-Journal: Der neue CDU-Vorsitzende muss ein Brückenbauer sein. Die hört man fast den einflüsternden Yogalehrer im Hintergrund: Work-Life-Balance, Work-Life-Balance, Ralf! Brückenbauer haben die CDU dahin gebracht, wo sie ist. Brückenbauer sollte die CDU nun wirklich meiden. Lassen sie uns, bevor wir das Begriffliche verlassen schauen, warum ein Alles-in-Balance nicht erstrebenswert ist. In all den großen Momenten, die Sie voran brachten - waren Sie da nicht eher fokussiert, haben Sie sich da nicht eher auf eine Sache konzentriert? War Sport, in ihrer Masterabschluss so wichtig? Wenn alles in Balance ist, sind sie tot. Dann schlagen die Pluswerte nicht mehr aus , sondern sind ein saubere Linie. Noch einmal nachdenken.
Wer denn nun? Spahn, der ehrgeizige Joungster, AKK, die Sanfte, die Unterschätzte, oder doch lieber Merz, der Talentierte.
Verwunderlich ist doch, dass sich darüber Journalisten überhaupt den Kopf zerbrechen. Ein paar Stichworte reichen und sie schreiben blumige Artikel.
Spahn ist doch Teil der Regierung, die, so Merkel, die Menschen nur noch abstößt, er ist das Beständige. Annegret Kamp-Karrenbauer ist doch Merkel II. Sogar der angeblich um die Ecke denken könnende Wolfgang Kubicki, fabuliert von einem neue Politikstil, neuer Kommunikationskultur unter Kamp-Karrenbauer. Fast wie ein verliebter Junge. Der Journalist Fritz Görgen - ja, ich lobe ihn - stellte richtig fest. Kubicki will Merkel durch Merkel ersetzten.
Über Armin Laschet (Vertraute nennen ihn auch liebevoll Türken-Armin) ist zu lesen, er überlege noch. Er habe einen sanften Ton , könne mit verschiedenen Parteiflügeln gut. Dinge halb so gut können wie Merkel als Qualifikation, Super.
Daniel Günter, der belesene mit Brille. Ein Mann, dessen restriktivste Forderung darin besteht, dass in Kiel und Flensburg gegen Kaugummi-Ausspucker vorgegangen werden muss, als harter Macher. Owei. Er sei in multikulturellen und ökologischen Fragen „eher links, aber in der Zuwanderungsfrage und beim Umgang mit kriminellen Flüchtlingen eher konservativ und bestimmt“ ist der FAZ zu vernehmen. Nein, er ist nicht konservativ und bestimmt. In allen, was mit Handeln zu tun hatte ist, er links. Und Untätigkeit ist auch nicht konservativ.
Und damit sind wir bei einem Problem. Die Kandidaten und die Kandidatin sind Nichtstuer. Merkel hat sich diese Politiker herangezogen und sie so geformt. Wir wissen nicht , ob die flotte 55-jährige Kamp-Karrenbauer, Merkels Mädchen, sich bald emanzipiert.
Aber vielleicht gewinnt auch einfach das bessere Aussehen. Tipp für Spahns parteiinternen Stimmenfang: Ein Flyer mit dem Motto: Spahn. Jung, brutal, gutaussehend.
Merz ist noch eine kleine Unbekannte, für alle jetzt schon Merkel treu dienenden Kandidaten gilt, dass sie als Handlungsspielraum im Bereich kulturelle Frage/ Zuwanderung für sich einen rein verbalen Raum ausmachen. Massenzuwanderung fortsetzen, Einschläge und Fortschreiten der Spaltung des Landes hinnehmen und dann in Adjektiven, Adverbien und Präfixen links, liberal oder konservativ Profil zeigen. Einzig, es interessiert niemand. Die Leute wollen die Verschlechterung gar nicht. Die Verschlechterung aufzuhalten, ist aber kein Bereich, in dem Günther, Laschet, AKK, und Spahn eingelesen sind. Auch Merz nicht. Er ist natürlich am schwersten zu beurteilen, er ist zehn Jahre aus der Politik draußen gewesen. Damals waren Krankassenbeiträge wichtig, Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen waren ein Reizwort, der Soli sollte aus Sicht der Neoliberalen allerspätestens 2009 abgeschafft werden und Sparbücher brachten noch Zinsen. Der 11-fachene Zinssatz von heute wurde 2002 mit einem riesigen Katzenjammer der Neoliberalen begleitet. Wenigstens ist er Merz nicht wie alle anderen Kandidaten, täglich mit dem Inhalt aus Merkels kleiner Valium-Pillendose beglückt worden. Doch die Welt ist heute eine andere, als bei sein Abgang von der Fraktionsspitze 2002. Ein Könner?
Merz, der genau ein Jahr jünger ist als Merkel, räumt mit ein bis zwei Sätzen alle Bedenken ab, er sei altbacken und seine Wahl sei rückwärtsgewandt. Man brauche erfahrende und junge Leute an der Spitze. Er ist, auch wenn man ihm eine gewisse jugendliche Frische natürlich zugestehen muss, ein Mann von Gestern. Nein, von vorvorgestern. Der Punkt ist, dass der Makel rückwärtsgewandt, keiner ist. Die Partei IST rückwärtsgewandt, und so wird er wohl gewinnen. Laut Welt-Leserumfrage wollen ihn 77 Prozent an der Spitze sehen. Ja zur Revitalisierung der Fraktion von 2014, ja zum ungerechteren Steuersystem, ja zu mehr sozialer Kälte. Das passt.