Interstellar – das Wurmloch als Geburtskanal

Nachdenklich und unzufrieden verließ ich nach zweieinhalb Stunden ‚Interstellar’ das Kino. Herrlich wuchtig monumentale Bilder des unendlichen Weltenraums hatten meine Netzhaut gekitzelt und Stanley Kubricks 2001 Space Odyssee schien endgültig ausgedient zu haben. Das große Nichts des Alls durchquerten wir in Roller Coaster Modus und brauchten kein 3D dazu. Ein Held war ausgezogen, um die Menschheit zu retten – und das war ihm gelungen. Die Fragen nach dem Woher, Wohin und Warum des Lebens wurden gestellt – und beantwortet. Die Dramaturgie war schlüssig, die Spannung hielt bis zum Ende den Nachos kauenden Sitznachbarn stand. So what?

Vielleicht ärgerten mich die allzu bekannten Bilder, die Nolan für eine universelle Weltbedrohung gefunden hat. Pionierland USA wird schon wieder bemüht, ist ja immer und überall. Mittelwesten, einsames Farmhaus, verloren in windgezausten Maisfeldern, Atemluft wird knapp. Vier Leute trotzen der Unbill: Vater, Großvater, minderjährige, hyperintelligente Tochter, simpel gestrickter Sohn. Ostentativ fehlt die Mutter.

Die Situation ist ausweglos. Sandstürme verkleben die Lungen, Nutzpflanzen  sterben aus. Maschinen, Geräte, High und Low Tech geben mangels Wartung den Geist auf. Behörden sind bildungsfeindlich, und im Farmhaus herrschen übersinnliche Kräfte. Es spukt mächtig darin. Bücher und andere Gegenstände stürzen des Nächtens zu Boden, die clevere Tochter errechnet aus dem Muster ihres Falls GPS Daten. Es ist wie Kaffeesatzlesen oder I-Ging. Vater und Tochter ziehen los und finden eine geheime Raumfahrtstation.

Bald macht sich der Vater auf, andere bewohnbare Planeten zu suchen.  Das alte Motto, macht euch die Erde, wo auch immer ihr eine findet untertan, wird mit neuen Reisemodalitäten aufgepäppelt: Lichtgeschwindigkeit; Zeitdilatation; Raum-Zeit als Kontinuum; schnelle, wenn auch zumeist unbequeme Durchquerung mehrerer Galaxien mittels eines Wurmloches, in dem es lebensbedrohlich ruckelt und zuckt, usf.

Soweit nichts Neues. Die amerikanische Besiedlungsgeschichte reloaded. Jungfräuliches Land wird gesucht, in dem man sich austoben, ausdehnen kann.  Wieder einmal wird ein Ursprungsmythos erzählt. Wieder einmal wird erklärt, wie es geht. Wieder einmal fehlt die Mutter in der Schöpfungsgeschichte, der Geist des Vaters weht indessen durch unendliche Bücherreihen, er behaucht, befruchtet die Tochter und bringt letztlich Erlösung und Neuanfang. Die Libido kreist einzig um die Vater-Tochter Dyade, nach dem Muster: Vater verlässt kleine Tochter aus Abenteuerlust, rettet erwachsene Tochter mittels Telepathie und Überlistung der Zeit, kommt 90 Jahre später zurück – durch Zeitdehnung jung geblieben -  um die mittlerweile vergreiste Tochter sterben zu sehen, und schon ist die neue Menschheit da.

Die Ansiedlung auf einer neuen Erde gelingt und ist eine saubere, sanfte Geburt durch den Wurmlochkanal, ohne Blut und Schweiß und andere Flüssigkeiten des lästigen Frauen-Mutterkörpers. Ein ganz alltägliches Drama der Kleinfamilie, aus deren Setting der Film auch noch in den entferntesten Galaxien keinen Ausweg bieten will, spielt sich vor uns ab.

Der Film zelebriert männliche Wunschträume ewiger Jugend, ja Unsterblichkeit.

Ein durch mehrere Wurmloch- Hin und Rückreisen hindurch jung gebliebener Weltraumpionier schaut seiner Tochter den ganzen Film über beim Vergreisen und Sterben zu. Und wie angenehm, dass für ihn selbst die Zeit nicht vergeht, sondern eine Endlosschleife mit Option auf Wiederkehr ist. Frauen gehen den Weg des Verfalls alles Irdischen, Männer blieben frisch und knackig. Wie abgelutscht ist das denn! Da vielleicht doch lieber Stanley Kubrick, dessen Philosophie keine Tröstung zulässt: ist die Todesfahrt einmal aufgenommen, gibt es kein Zurück mehr – alles andere ist Illusion.

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