Neue Worte haben kürzlich meine Alltagssprache erobert: monstertail und hexafish, shell chain mail und gespikte Drachenschuppen, garniert mit inverted fishtail sandwich. Nein, das sind keine Auszüge aus der Speisekarte eines Meeresfrüchte Lokals, auch nicht die Titel von Fantasy Filmen, sondern der Insider Sprech der rainbow loom rubberband Süchtigen. Eine Fieberwelle ist nach Wien geschwappt und hat mich erwischt: das bunte Gummibändchenarmbandknüpfritual.
Angefangen hat's ganz harmlos, mit einem schicken Armband in rosa, gelb und blau, das meine Freundin von einer ihrer Schülerinnen geschenkt bekam, selbst geflochten aus dreissig, vierzig Gummiringerln. Und schon wars um mich geschehen.
Jetzt streune ich nur noch mit fiebrigen Augen durch die Einkaufszentren nach immer neuen rubber bands in immer abenteuerlicheren Farben. Ich frage Verkäuferinnen verschwörerisch, „haben Sie das neue jelly green und neon pink, oder vielleicht glitterblau und lakritzenschwarz?“ Und sie nicken dann ebenso geheimnisvoll und führen mich zu einem Tisch, der vor hunderten von Säckchen mit bunten Bändchen überquillt und daneben Bücher mit Anleitungen wunderbarer Armbandmuster.
Ich erstehe die Bücher natürlich,aber die sind nichts gegen die Faszination der you tube Videos, auf denen Kinderstimmen mit unternehmungslustiger Stimme rufen: Hallo, heute zeige ich euch, wie man ein „triple colour rotini armband loomt.“ Und schon komm ich nicht mehr los. Ich sitze stundenlang mit einer Häkelnadel davor. Ich lerne, dass man jetzt ‚Hook’ sagt, statt Häkelnadel und ‚C-clip’ statt Verschluss. Ich habe einen Loom erstanden, ein durchsichtiges Gebilde aus 50 Plastikstiften, auf die man die rubberbands spannt, um sie zu „verloomen“.
Ich loome und verloome also was das Zeug hält, beim Frühstück, bei der Zeit im Bild, in der U-Bahn und beim Heurigen. Ich fange Gespräche mit wildfremden Menschen an, die ebenfalls wissen wollen, was das ist und wie es geht.Wenn ich Freundinnen treffe, halte ich ihnen zuallererst meinen reich geschmückten Unterarm vors Gesicht, danach sitze ich mit zwei aneinandergebundenen Gabeln in der Hand in der Runde und krame in einem Sackerl, um ein paar türkisfarbene Ringerln hervorzuziehen, die ich in mysteriösen Verknüpfungen auf die Zinken spanne. Dabei murmle ich gebetsmühlenartig unverständliche Worte vor mich hin: A inverted, B regular, C double knot , A inverted, B regular, C double knot...
Ja diese Bändchen! Was macht sie so verführerisch? Das Loomen ist doch nichts anderes als ein Mischmasch aus Häkeln, Stricken und Weben. All das hab ich als Kind gehasst.
Die Vorläuferin des ‚single looms’, war die „Strickliesl“ – ein Holzschwammerl, in der Mitte hohl, mit vier Nägeln, um die wir Wollfäden spannten, die wir dann mit einer Häkelnadel über die Nägel zogen. Nach einer Weile kam eine dünne lange, wuselige Wollwurst heraus, zumeist schon grau und speckig von unseren Schokofingern, bevor sie aus dem Holzschaft rausschlüpfte. Sie war zu nichts nütze und landete in einem Eck.
Ganz zu schweigen von den Schals und Mützen, die ich in der Schule stricken musste, die waren nach den ersten Maschen schon verfilzt.
Aber das hier? Diese feinen Ringerln in honiggelb und saphirblau, erdbeerrosa und limettengrün, die sich wattig, samtig und glitschig anfühlen haben etwas. Sie sind ein sinnlicher Genuss. Und die Kombinationen ihrer Muster ist schier unendlich. Das Grau in Grau des Novembernebelhimmels verschwindet im Hintergrund, wenn ich mit dem Hook den bunten Gummi über die Zinken ziehe, der tägliche Arbeitsstress muss warten, bis mein heutiger monstertail hexafish fertig ist. Zum Entspannen brauch ich kein autogenes Training mehr, und uralte Kulturtechniken kommen wieder zurück - das ist vielleicht das Schönste daran.
