Starke, mutige Frauen - mein Beitrag zum Frauentag

Der internationale Frauentag naht und die Sendungen im ORF, die in sehr weiten thematischen Schwüngen das Leben zwischen Frauenpower und Frauenfrust illustrieren, mehren sich. So fragt Alexander Goebel in Radio Wien, „Was ist Frauen wichtig im Leben?“. Kurz hörte ich hinein und vernahm: Nur ja nicht das Binnen-I und schon gar nicht das ewige Gendern. Das ist so rückschrittlich. Statt dessen soll man endlich Rücksicht nehmen auf starke mutige Frauen.

Aha. Kein Gendern, aber Rücksicht. Und statt dessen starke, mutige Frauen mehr beachten. Nur, wie geht das? Auch wenn es die starken, mutigen Frauen nicht gern hören: sie sind bereits gegendert und das liegt nicht am Feminismus. Kaum geboren sind sie schon im „Frauenkastl“ drinnen und werden danach bewertet, wie sehr sie sich diesem anpassen oder nicht, und sie behandeln andere Frauen ebenso danach wie sehr diese das Spiel mitspielen. Die Frauen, die gendern wollen zum Beispiel, passen sich dem üblichen Spiel nicht an, sie wollen gedankenlose Formulierungen wie „ich gehe zum Arzt“, wenn eine Ärztin gemeint ist, nicht mehr mitspielen, wollen auch in der Sprache nicht mehr nur mitgemeint sein, und kriegen dafür Hiebe - von VertreterInnen beider Geschlechter.

Gleichzeitig sind überkommene Haltungen und Meinungen  ständige Störfaktoren eines jeden Frauenlebens und bestimmen auch die massenmediale Sprechweise über Frauen. „Eine Frau ist eine Frau ist eine Frau?“ Nein. „Eine Frau ist eine Mutter ist eine Mutter ist eine Mutter.“

Bundeskanzlerin Angela Merkel, eine der mächtigsten Politikerinnen weltweit wird invariabel Mutti genannt. Ist das ein Understatement um die Götter nicht wütend zu machen, die Deutschland mit einer solch begnadeten Staatsfrau begünstigt haben? Oder eine Verniedlichung, die davon ablenken soll, dass seit über einem Jahrzehnt das europäische Geschick maßgeblich von einer Frau definiert wird?

Das führt nahtlos zum angeblich unwandelbaren Mutterinstinkt, der jeder Frau innewohnt. Die Mutterliebe, die als Konstrukt in Europa erst im 19. Jahrhundert auftaucht, und, so Simone de Beauvoir nur zur Diskriminierung von Frauen gut ist, wird hartnäckig als naturgegebene Eigenschaft von Frauen immer noch festgeschrieben. Diesem hehren Ideal bedingungsloser Mutterliebe hecheln alle Frauen mit Kindern nach oder müssen mit starkem Gegenwind rechnen, wenn sie dagegen Widerstand leisten.

Frauen und äußere Erscheinung: auch noch so mächtige Frauen müssen sich gefallen lassen, dass ihre Kleidung und ihr Haarschnitt intensiver diskutiert werden, als ihre sonstigen Kompetenzen. Über Angela Merkels Blazer geben eigens produzierte Farbskalen Auskunft, Fotos ihrer Ballkleidung werden über Jahrzehnte archiviert um wieder hervorgekramt zu werden, wenn man sich über ihren Bekleidungsstil das Maul zerreißt.

Die Mode- und Kosmetikindustrie bedient den Schönheits- und Jugendwahn besonders für Frauen. Gutes Aussehen und jung sein erhöht den Marktwert nicht bloß in Hinblick auf zukünftige Eheschließung. Schönheit wirdmehr und mehr Eignungskriterium für berufliches Weiterkommen. Das führt nahtlos zum Körper, das am meisten reglementierte Feld eines Frauendaseins. Ob es um Sexualität geht – wann, wie und mit wem zu welchem Zweck – oder um die Ver-/Enthüllung des Körpers, irgendeine Ideologie oder Religion mischt sich immer ein, um oft absurde Normierungen durchzudrücken, oder das sexuelle Begehren von Frauen gleich als nicht existent zu postulieren. Ob eine Frau Kinder kriegt und wann, ob sie sich für Geburtenkontrolle entscheidet oder im Notfall abtreibt, dafür gibt’s in jeder Gesellschaft strenge Regeln, die vornehmlich von der herrschenden Kaste, den Männern gemacht werden. Abtreibung z.b. ist bei der neuen, schwungvollen und überaus kritischen Serie des ORF „Vorstadtweiber“ kein Thema, obwohl eine der Protagonistinnen ungewollt schwanger wird. Man darf sich fragen warum. Weil die Kirche immer noch zu viel Mitspracherecht bei der medialen Aufbereitung von Tabuthemen hat?

Frauen und ihre Männer! Sogar eine Spitzensportlerin wie Lindsay Vonn muss sich gefallen lassen, dass ihr Abfahrtssieg in Boulevardmedien zwar erwähnt wird, aber der bei der Siegesehrung ausgefallene Zahn ihres Lovers ungefähr dieselbe Beachtung verdient wie ihre sportliche Leistung. Frauen haben sich auf Männer zu beziehen, in ihren privaten und öffentlichen Leben. Sie tun es oft freiwillig, um es sich mit den – gesellschaftlich noch immer mächtigeren Männern gutzustellen und machen Frauensolidarität damit unmöglich. Manche wollen’s nicht. Die bleiben unerwähnt.

Gewalt an Frauen, institutionalisierter Gynozid, Frauenhandel – Themen, die sogar für den internationalen Frauentag zu uferlos sind.

Und an all dem soll eine Vereinbarung zum sprachlichen Gendern, ein Binnen-I etwas ändern. Natürlich kaum, aber ein Schritt in die richtige Richtung ist diese Vereinbarung doch, einer von vielen und sollte nicht gegen die anderen Schritte ausgespielt werden. Auf die „starken und mutigen Frauen Rücksicht nehmen“, wie die Hörerin von Radio Wien es einforderte wird erst dann wirklich möglich sein.

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Silvia Jelincic

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