Wir und die Scharia

Neulich in der U-Bahn. von mir beobachtet:

Eine Frau, ca 40 sitzt am Fenster, tippselt in ihr Handy. Steigt eine andere Frau ein, imposante Erscheinung, ca 75. Mit Hund, weiß, Flokatifell. setzt sich ihr gegenüber, der Hund rollt sich zu den Füßen der beiden Frauen ein. Die Sitzende schaut auf den Hund.

ältere Frau, laut. vernehmlich, provozierend: Stört Sie der Hund?

Jüngere: Nein. (Will weitertippseln)

Ältere, laut, aufseufzend, erleichtert: Gott sei Dank.

Jüngere: Warum Gott sei Dank?

Ältere: Weil, da bin ich vorhin in der U1 gewesen, setz mich mit dem Hund hin, vis a vis von mir so a Musulmann. Sag ich zu ihm, "stört Sie der Hund? Sagt er: Ja, der stört mich.

Jüngere: Und was haben Sie gesagt?

Ältere: ich hab gsagt, "dann setztnS Ihna woanders hin".

Jüngere, ungläubig: Echt? Das ham Sie gsagt?

Ältere: Ja, klar. Hab I gsagt.  I muss doch auf mi schaun, die Politik tuats jo net. Die kümmern si alle nimma um uns.  I hab in mein Alter sowieso Narrenfreiheit. I nehm ma ka Blatt vor den Mund.

Jüngere: habenS eh recht. wer weiß, was noch auf uns zukommt.

Ältere: Genau. Wenn ma net aufpassn, dann trag ma bald alle die Scharia.

Jüngere, schaut sie irritiert an, steht dann auf und sagt: ich muss jetzt leider aussteigen.

Dies zu meinem kleinen U-Bahn Erlebnis. Nachdenklich stimmt es mich allemal. Neben der unfreiwilligen Komik der Wortverwechslung von "Scharia" mit Tschador, Niqab u.ä.. "Die Scharia tragen" eigenet sich im übertragenen Sinn ohnehin ganz gut als Bezeichnung für die Last, die mit diesem religiösen Regelwerk verbunden ist.  Christian Ortner schreibt polemisch über "muslimische Willkommenskultur" (ein kleiner Bub in Jerusalem verbietet ihm, die große Moschee zu besuchen, weil er ein Ungläubiger ist).  Abgesehen davon, dass der Vorfall von minimaler Bedeutung ist, ebenso wie das U-Bahn Erlebnis, ist er symbolisch für die Allmacht von Religionen, der wir auch dort nicht entkommen,wo wir uns scheinbar davon losgestrampelt haben. Verliert die eine an Bedeutung, kommt schon die nächste und nimmt den Platz ein. Und alle, durch die Bank, unterdrückerisch und ausgrenzend. Ortner fragt sich, wie es dann bei uns aussehen wird, wenn wir einmal ebenfalls einen über 30% muslimischen Bevölkerungsanteil haben wie Jerusalem jetzt. Dieser Gedanke erfüllt mich ebenfalls (und zwar auch als Frau)  mit nicht geringer Besorgnis. Angehörige einer Religion, in der Frauen Menschen zweiter Klasse sind, werden in unserem Rechtssystem und unseren gesetzgebenden Körperschaften sitzen und in sonstigen Lobbying Gruppierungen, die das Leben von uns allen gestalten. Mischt sich ja jetzt schon die katholische Kirche immer noch in alles und jedes ein, was sie nichts angeht, von der Abtreibung bis zur Fortpflanzungsmedizin, von den Rechten von Schwulen, Lesben und Transpersonen bis zur Empfängnisverhütung usf usf. Und nun kommt eine neue, noch konservativere Religion, die ihr Rückendeckung gibt. Bei all diesen ihr unliebsamen Themen wird sie bald die Unterstützung einer weiteren intoleranten, fortschrittsfeindlichen patriarchalen Religion bekommen. Echt, mir graut davor.

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pippi

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michi2001

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