Mit fünf wusste ich: Ich will Journalistin werden. Damals hatte ich einen Film gesehen mit einer schönen, aparten, taffen Frau, die als Redakteurin in einem riesigen Verlag arbeitete. Sie lachte glücklich, wenn sie an ihrem Schreibtisch saß und sich neue Stories überlegte. Ich verabschiedete mich vom Traum, Prinzessin zu werden.
Bevor ich in die Schule kam, konnte ich lesen und schreiben. Meine Mama hat's mir beigebracht. Mit sieben verfasste ich erste Geschichten. Mit acht spielte ich Chefredakteurin. Ich war knallhart. Nur die wirklich guten Artikel schafften es bei mir in meine imaginäre Tageszeitung.
Mit 18 begann ich mit dem Publizistikstudium. Noch im ersten Semester bewarb ich mich für ein Praktikum. "Mach dir keine Hoffnungen, da kriegt man nix. Die Branche krankt", hieß es von meinen Studienkollegen. Ich bekam eine Zusage. Ob bezahlt oder nicht traute ich mich nicht fragen. Man soll sein Glück nicht herausfordern.
Heute bin ich 30. Ich habe, circa 15 Praktika später, einen fixen Job in der Medienbranche. Einen Job, für den mich hunderte anderer Publizisten gerne ums Eck bringen würden. Und ich versteh sie. Denn ich liebe meinen Job heiß. Auch wenn diese Liebe am Ende des Monats immer wieder auf die Probe gestellt wird. Wenn die Waschmaschine zickt, oft auch schon am 15. oder 16. herum. Wenigstens muss ich mein Auto nie in die Werkstatt stellen. Ich kann mir keines leisten.
Weil man sich von den 300 irgendwas Euro, die man für ein Praktikum – wenn man Glück hat – bekommt, nur langsam emanzipiert. Stück für Stück muss man sich hocharbeiten. Irgendwann, Jahre später, verdient man vierstellig. Zumindest brutto. Wegen der vielen anderen Publizisten, die auch auf den Job schielen. Utopisch, der Gedanke, dem Chef zu sagen, man macht die finanzielle Ausbeute nicht mehr mit. Man würde als Don Quijote in die Geschichte eingehen. Und wäre arbeitslos. Solange nicht alle mitziehen, funktioniert es – das System Praktikum, das System Unterbezahlung.
Manchmal bin ich frustriert und fühl mich klein. Manchmal hab ich sogar Angst. Zum Beispiel, wenn ich darüber nachdenke, wie das alles weitergeht. Manchmal frag ich mich, ob ich nicht etwas anderes hätte lernen sollen. Etwas mit besseren und faireren Zukunftsperspektiven. Softwareentwicklerin, Lebensmitteltechnikerin oder Bestatterin. Hätte ich mit fünf nur ein bisschen mehr über den Tellerrand geblickt … Aber wenn ich mir vorstelle, wie ich Särge ausstaffiere oder irgendwelchen Fertigprodukten Laborproben entnehme … Das bin nicht ich. Und was das betrifft, halte ich's wie Konfuzius: "Finde einen Beruf, den du liebst, und du brauchst an keinem Tag in deinem Leben mehr zu arbeiten." Idealismus zahlt keine Rechnungen. Leidenschaft allein sorgt für kein Plus am Konto. Aber beides ist unbezahlbar. Deshalb warte ich mit der Umschulung noch ein bisschen.