Vor 15 Jahren begann die Methamphetamin-Problematik in Sachsen, Höhepunkt der „Crystal-Meth-Welle“ war zwischen 2010 und 2015. Zu Beginn mischten Neonazi-Netzwerke bei Produktion und Vertrieb mit, später spielte die Grenznähe zu Tschechien eine große Rolle für die Verbreitung der Droge, das Nachbarland hat eine lange Kulturgeschichte mit dieser Substanz. Inzwischen ist Methylamphetamin in Sachsen eine integrierte illegale Alltagsdroge; öffentlich wird nicht mehr viel darüber gesprochen, aber der Konsum ist quer durch die Gesellschaftsschichten weit verbreitet. Die Jahre der Ausbreitung dieser Droge fallen zeitlich mit dem Aufstand der rechten Antidemokraten, der Ausbreitung von „Pegida“, AfD & Co zusammen. Gibt es zwischen den beiden in Sachsen so stark ausgeprägten Phänomenen – also zwischen der Crystal-Meth-Verbreitung und der gesellschaftlichen Akzeptanz und bürgerlichen Integration des Rechtsextremismus – Zusammenhänge, Korrelationen? Aber das lässt sich sozialwissenschaftlich wohl kaum untersuchen.
Das soll nicht heißen, dass zum Beispiel Montagsdemonstrant*innen oder AfD-Wähler*innen auf Droge seien, aber Crystal-Wirkung und die Ausdrucksformen des „sächsischen Protestmenschentums“ haben durchaus Gemeinsamkeiten: Aggressivität, Aufgeputschtsein, mangelnde Empathie, Ichbezogenheit, Rededrang, selektives Wahrnehmungsspektrum, gelegentlich auch psychotische Wahrnehmungsverzerrung. Jede Zeit und jede Region hatte meist die Drogen, die zu ihr passten.
Aber auch bezüglich riskanten Alkoholkonsums bei Männern nimmt Sachsen eine Sonderstellung ein; auch im Vergleich der ostdeutschen Bundesländer sind die Unterschiede signifikant, wie der „Alkoholatlas Deutschland 2022“ des Deutschen Krebsforschungszentrums zeigt (https://www.dkfz.de/.../Alkoholatlas-Deutschland-2022_Auf...). Aktuelle Daten zu Suchtproblemen auch im frisch vorgestellten Jahresbericht der Sächsischen Landestelle für Suchtfragen: https://www.slsev.de/fileadmin/dokumente/sucht/Sucht2022.pdf
Die Karte korreliert irgendwie mit den Umfrageergebnissen der AfD. Ist das Zufall?
Beim Alkoholkonsum entwickeln sich Enthemmtheit, steigert sich Aggressivität und Dumpfheit. Das passt zu jeder Form von Radikalität und dem Einstimmen in gemeinschaftliche, wenig komplexe „Gesänge“ von der Schuld der anderen am vermeintlich eigenen Leid.
Auch wenn man da Kausalität nur vermuten kann, so ist die These zu Ausbreitung von Chrystal und bürgerlicher Integration von Rechtsextremismus nicht unplausibel. Chrystal (damals als Pervertin bekannt) wurde auch in großen Mengen an die Soldaten der Wehrmacht verabreicht, um genau beschriebenen Effekte (Aggresivität, Empathielosigkeit, Aufgeputschsein) hervorzurufen. In dem Buch "Der totale Rausch" wird sogar die These vertreten, dass ein Blitzkrieg - der tagelange Angriff ohne Pause - ohne Chrystal nicht vorstellbar wäre.
Klar, für sozialwissenschafteliche Evidenz reicht das noch nicht. Aber das wäre mal ein spannendes Forschungsdesign, ob der Konsum von bestimmten Drogen auch bestimme politische Einstellungen prägt?
Vielleicht sollte man Abwasserproben mit Wahlergebinssen vergleichen?