Wie sich der englische TV-Deal für deutsche Vereine auszahlt

Nicht nur in Deutschland war das Aufsehen groß, als die englische Premier League im Februar Details über den neuen TV-Vertrag verkündete. Alleine in den Jahren 2016 bis 2019 zahlen die Sender Sky und BT-Sport rund 6,9 Milliarden Euro an Fernsehgeldern. Eine astronomische Summe, die alles bislang da gewesene sprengte. Auch wenn es letztlich nur eine konsequente Fortführung des finanziell immer weiter wachsenden Fußballgeschäfts ist, sorgten die Zahlen trotzdem für eine enorme Erschütterung der Fußballwelt. Gerade der deutsche Fußball, dessen Klubs grundsätzlich gerne über schwache TV-Einnahmen reden, war mindestens kollektiv beeinträchtigt. Wie groß die Differenz zur Premier League bereits jetzt schon ist, war kürzlich u.a. hier zu lesen. Selbst die Queens Park Rangers erhalten demnach als Tabellenletzter noch rund 36 Millionen Euro mehr als der FC Bayern (ca. 50 Millionen Euro). kicker-Redakteur Rainer Franzke kommentiert dies so: "Die Bundesliga hinkt der Premier League dermaßen hinterher, weil sie bis zur Gründung des Ligaverbandes und der DFL im Jahr 2000 über fast vier Jahrzehnte unter dem Dach des DFB so gut wie nichts für die Auslandsvermarktung getan hatte. Während die Bundesliga ihre Auslandserlöse von aktuell etwa 75 Millionen Euro bis zur Saison 2016/17 auf etwa 160 Millionen Euro steigern wird, erlöst die Premier League allein im Ausland mit knapp 600 Millionen Euro die Summe, die in der Saison 2014/15 insgesamt an die Bundesligaklubs gezahlt worden ist."

Der Abstand wird somit voraussichtlich geradezu lächerlich hoch sein, wenn der neue TV-Vertrag greift. Der in England lebende Journalist Raphael Honigstein schätzt, dass der Tabellenletzte ab dem Jahr 2016 rund 133 Millionen Euro erhalten wird, der Tabellenerste 210 Millionen. Der ohnehin geldüberflutete englische Transfermarkt wird also voraussichtlich finanziell nochmals in neue Dimensionen vorstoßen. Obwohl die Eigentümer der Klubs seit Jahren irrsinnige Summen in den Transfermarkt pumpen, ändert sich in der Premier League jedoch wenig an den bestehenden Machtverhältnissen. Es gibt mit dem FC Arsenal, dem FC Chelsea, sowie den beiden Klubs aus Manchester die "Big Four", in deren Phalanx während der letzten Jahre nur kurz der FC Liverpool, dank eines irrwitzig stark spielenden Luis Suarez, hineinbrach. Anschließend wurde Suarez für 81 Millionen nach Barcelona verkauft und auf den ersten vier Plätzen fanden sich die üblichen Verdächtigen. Der neue TV-Vertrag wird daran ebenfalls wenig ändern. Honigstein beantwortet die Frage nach der sportlichen Entwicklung hinsichtlich des neuen TV-Vertrags folgendermaßen:

"Zuallererst wird der Inflationsdruck auf die Gehälter enorm ansteigen. Junge englische Nationalspieler wie Raheem Sterling (FC Liverpool) werden in absehbarer Zukunft 30 Millionen Euro im Jahr verdienen, der erste 100 Millionen Pfund-Transfer ist nicht mehr weit entfernt. Mit den höheren Kosten für das Personal erhöht sich allerdings nicht automatisch die Qualität; das geschieht nur, wenn die englischen Klubs verstärkt Superstars aus dem Ausland einkaufen. Einheimische Talente werden es deswegen in den folgenden Jahren noch schwerer haben. Selbst Zwerge wie Burnley sind ab 2016 in der Lage, sich internationale Spitzenprofis aus dem Ausland leisten zu können. Das Bestreben, eigene Talente auszubilden, wird dementsprechend kleiner ausfallen. "Burnley ist in finanzieller Hinsicht größer als Ajax", sagte Scudamore am Dienstag über die "Weinroten" aus Lancashire. Ob sich die überwiegend von ausländischen Investoren kontrollierten Klubs im Sinne des Gemeinwohls zu größeren Investitionen in den Nachwuchs- und Amateurbereich zwingen lassen, ist fraglich."

Reaktionen deutscher Vereine

Die zweifellos weiter anwachsende finanzielle Übermacht der englischen Klubs durch den neuen Deal rief in Deutschland von verschiedensten Vereinsvertretern deutliche und eindeutige Reaktionen hervor: DFL-Geschäftsführer Christian Seifert regte gleich in seinem ersten Statement besorgt an, man müsse darüber diskutieren "notfalls auch unpopuläre Maßnahmen zu ergreifen, um weiter die besten Spieler der Welt in der Bundesliga zu halten". Rudi Völler sagte, es würde "Abgänge geben, die einem richtig weh tun" und Klaus Allofs äußerte stirnrunzelnd, dass ein Transfer wie der von Andre Schürrle künftig "wohl nicht mehr möglich sein werde". Nicht vergleichbar sind all diese Äußerungen mit dem medialen Feldzug, den Karl-Heinz Rummenigge seit der Bekanntgabe des englischen TV-Vertrags führt. In unterschiedlichen Kontexten teilte er mit, dass er sich eine Konkurrenzsituation unter verschiedenen Bietern zu den TV-Rechten wünsche, eine Abschaffung der Zentralvermarktung fordere, ob man sich den "Luxus erlauben könne", zu einem Boxing Day Nein zu sagen und überhaupt sollten sich die Deutschen fragen, "ob es ihnen allein die Bundesliga wichtig ist oder, dass die deutschen Klubs auch international weiter eine Chance haben?"

Es ist wenig überraschend, dass es vor allem die großen und ohnehin extrem finanzstarken deutschen Vereine sind, die medial gegen die aktuelle Situation trommeln. Zu groß ist vor allem die Sorge des FC Bayern, dass die englischen mittelklassigen Vereine künftig Spieler kaufen könnten, die auch für den FC Bayern interessant sind. Es erscheint daher wohl überflüssig zu erwähnen, dass Rummenigge im zuletzt zitierten Statement mit den "deutschen Klubs" vor allem den FC Bayern meint. Denn andere sind ja ohnehin weitestgehend chancenlos. Doch was Vereine wie Wolfsburg, Leverkusen, aber eben auch den FC Bayern ebenfalls im Stillen umtreibt, ist die Sorge, für den Erhalt der aktuellen hegemonialen Vormachtstellung künftig deutlich mehr Geld bezahlen zu müssen.

Denn abseits des großen Gepolters äußerten sich die Vertreter vergleichsweise kleinerer Bundesligavereine erheblich differenzierter zu dem neu fließenden englischen Geld. Der Meister der Spielerverkäufe Christian Heidel sagte, er hätte auf dem deutschen Markt für Okazaki und Polter nicht ansatzweise so viel Geld bekommen, wie auf dem Englischen - Heidel erzielte für beide Spieler zusammengerechnet ungefähr eine Gesamtablösesumme von rund 13 Millionen Euro. Generell solle niemand die Sorge haben, dass "die Engländer nun die Bundesliga leerkaufen", zudem könne er ja nicht über das eingenommene Geld traurig sein. Max Eberl sah ebenfalls mögliche Profitmöglichkeiten und Jörg Schmadtke sprach zwar auch grundsätzlich auch von einer "Bedrohung der aktuellen Balance", doch auch er weiß mit Blick auf die Finanzen des 1.FC Köln und den kürzlich getätigten Verkauf Kevin Wimmers nach London, dass hoch dotierte Angebote aus England den Verein finanziell schneller erholen lassen könnten - nicht umsonst spricht er ebenfalls von "Kapitalbildung".

Die eigentlich Bedrohten sind also natürlich nicht alle deutschen Vereine, sondern die an der Spitze. Dabei geht es vor allem darum, dass sich Vereine, wie die weiter oben genannten, künftig finanziell deutlich weiter strecken müssen, um sich nach jetzigem Vorbild regelmäßig die besten Spieler der Bundesliga, für relativ kleines Geld, unter sich aufzuteilen. Es wird für Vereine wie Wolfsburg, Schalke oder Leverkusen, die sich seit Jahren hauptsächlich in der Liga bedienen und andere Bundesligavereine finanziell sehr leicht ausstechen können, künftig problematisch werden, wenn die Spieler und die abgebenden Vereine gleichzeitig mit englischen Vereinen verhandeln. Natürlich ist es fraglich, ob dieses Szenario tatsächlich eintritt, doch es ist sicher kein Zufall, dass etwa Kevin Wimmer zu den Tottenham Hotspurs und nicht zum FC Schalke 04 gewechselt ist, die ebenfalls an ihm interessiert waren. So könnte durch englisches Geld langfristig ein ausgeglichenerer Wettbewerb in der Bundesliga Einzug halten, was auch Heidel bemerkte: "Vereine, die potenziell eher Spieler abgeben, könnten sich über die neue Konstellation freuen, findet Heidel - nicht aber diejenigen, die teure Spieler kaufen, denn die Konkurrenz mit England treibe die Preise in die Höhe." Stefan Reuter dürfte diese Aussage unterschreiben, da der Transfer seines Linksverteidigers Abdul Rahman Baba für mindestens 25 Millionen Euro zum FC Chelsea kurz vor dem Vollzug steht. Eine Summe, die innerhalb der Bundesliga fernab jeglicher Realität ist.

Gelackmeiert sind die Kleinen

Worüber ligaweit in allen Aussagen Konsens herrscht, ist eine "Flexibilisierung" der Anstoßzeiten. Kürzlich verkündete Christian Seifert, dass es ab der Saison 2017/18 neue Anstoßzeiten geben werde - in wenigen Monaten wurde also offensichtlich, was er zuvor mit "unpopulären Maßnahmen" meinte. Sowohl Sonntag Mittag, als auch Montag Abend sollen künftig Bundesligaspiele stattfinden. Seifert schloss aus, dass es sich um eine Revolution handele und verkündete außerdem: "Wenn von 306 Partien aus sportlichen Gründen künftig fünf Begegnungen sonntags um 13.30 Uhr sowie fünf am Montag, statt der 2. Bundesliga, gespielt werden sollen, ist das in meinen Augen nicht unverhältnismäßig." Die weitere Aufsplitterung der Spieltage zugunsten höherer TV-Einnahmen ist also praktisch beschlossen. Die Geschäftsführer der Vereine äußerten sich dazu entweder gar nicht oder stimmten Seifert indirekt zu. Was Seifert mit einer "Entlastung unserer Europapokal-Teilnehmer" meint, ist natürlich nichts anderes als eine zusätzliche Belastung für Fans. Die Fanverbände protestierten kollektiv, die Organisation "Unsere Kurve" verkündete in einem Statement: „Der aktuelle Stand ist für Fußballfans bereits eine absolute Zumutung. Die Planung von Spielbesuchen aufgrund später Terminierungen und frühen oder zu späten Anstoßzeiten ist langfristig nicht möglich und damit fanunfreundlich“, sagt Robert Pohl, Sprecher der IG Unsere Kurve. „Das gilt für Auswärtsspiele mit mehr Planungsaufwand für Urlaub, An- und Abreisereise und notwendigen Übernachtungen als auch für Heimspiele, denn viele Vereine verfügen über ein großes Einzugsgebiet, so dass Fans längere Anreisewege haben“. Anstoßzeiten müssen es möglich machen, innerhalb eines Tages, an- und wieder abzureisen. „Alles andere ist nicht fanfreundlich. Der Stadionbesucher darf im Vergleich zum Fernsehzuschauer definitiv nicht noch schlechter gestellt werden“, so Pohl weiter.

Dass und wie Seifert die Fans, wohl wissend um deren Haltung, in diesem Prozess seit jeher außen vor gelassen hat, zeigt zweierlei: Zum einen beweist es, dass die in den Medien häufig betonte Lobby der Fans nichts ist als eine leere Worthülse. Die Fans sind schmückendes Beiwerk für ein Geschäft, das sich ihrer längst, wie in England, entledigt hätte, wenn den Inhabern nicht bewusst wäre, dass es ohne sie nicht mehr existieren würde. Längst haben auch Vereine, die jahrelang falsch wirtschafteten und sich nun in ruhigeren Gewässern befinden, vergessen, wer ihnen in schlechten Zeiten das Überleben ermöglicht hat. Die Stoßrichtung, die Seifert vorgibt, ist deutlich und die sich anbahnenden neuen Anstoßzeiten sind nur Anzeichen dafür, welche Entwicklung die Rolle der Fans in den nächsten zehn Jahren einnehmen wird. Zum anderen zeigt es aber auch, wie dominant die erste Bundesliga im Vergleich zu den beiden anderen Ligen ist. Das mag angesichts der finanziellen Situation der Vereine ohnehin nicht überraschen, aber die zweite Bundesliga wird von Seifert lediglich als Platzhalter für TV-Sendezeit verbraucht, die die Bundesliga nicht füllen kann. Welch‘ geringe Lobby die zweite Bundesliga besitzt, zeigt sich daran, dass ihr nun auch noch das letzte Bisschen öffentliche Aufmerksamkeit, das Montagabendspiel, genommen werden soll.

Es dürfte die Vereine der ersten Bundesliga also alle durch die Bank gefreut haben, dass der englische TV-Deal so immense Summen für die dortigen Vereine bringt. Er liefert den großen Vereinen einen Grund zum Jammern, den kleinen Vereinen künftig vielleicht mehr Geld, in Form erzielter Ablösesummen. Der eigentliche Grund zur Freude besteht hingegen darin, dass alle Vereine nun die Gelegenheit haben, weitere kapitalerhöhende Maßnahmen durchzusetzen, weil es in England ja nun auch bald viel mehr Geld gibt. Die Liga muss schließlich konkurrenzfähig bleiben und so. Dass dabei auf die Fans keine Rücksicht genommen werden kann... naja, die werden schon weiter kommen. So wie sie es immer tun. Wie in England eben. Dass der jetzt schon immense Rückstand hauptsächlich, wie oben aufgeführt, auf die schlechte Auslandsvermarktung der DFL, letztlich also der eigenen Inkompetenz, zurückzuführen ist, erwähnt Seifert natürlich nicht, genau wie die Vereine. Diese rücksichtslose Denkweise könnte die DFL auf Dauer jedoch teuer zu stehen kommen, wie künftig die 11Freunde in einem treffenden Kommentar prognostizierte, genau wie eine zunehmende Attraktivitätssenkung der Liga. Vereine wie Bayer Leverkusen oder der VfL Wolfsburg mögen sportlich noch so herausragend sein, von ihnen nimmt trotzdem niemand Notiz. In England spielen sechs Topvereine, die allesamt einen Zuschauermagneten darstellen. Der hysterische Aktionismus der DFL zeigt also vor allem eines: Der TV-Deal der Premier League hat in Deutschland nicht die ständig geheuchelte Besorgnis um bestehendes erweckt, sondern pure Gier nach mehr Geld - zu Lasten der Fans.

2
Ich mag doch keine Fische vergeben
Meine Bewertung zurückziehen
Du hast None Fische vergeben
6 von 6 Fischen

bewertete diesen Eintrag

Erkrath

Erkrath bewertete diesen Eintrag 14.12.2015 23:17:12

fischundfleisch

fischundfleisch bewertete diesen Eintrag 14.12.2015 23:17:12

5 Kommentare

Mehr von KohlC