Heute treffe ich mich mit meinem Freundeskreis zum alljährlichen Neujahrs-Brunch. Wir sind eine Gruppe von 25 Leuten, im Alter zwischen 21 und 74, die gemeinsam ein Zentrum führen.

F. kommt mir bereits bei der Tür entgegen. Wie immer strahlt sie über ihr ganzes, herziges Gesicht. Ein auffällig grünes T-Shirt betont ihre, knallroten und frech frisierten Haare. Ganz in ihrem Element, und an Lebendigkeit kaum zu überbieten, werkt sie abwechselnd in der Küche rum, und, erweitert unser tolles Buffet, um weitere kulinarische Köstlichkeiten. Flink und behände werden da noch ein paar Servietten dazu gelegt, und dort die Teller zurecht gerückt. So, alles fertig!

Beim gemeinsamen Essen erzählt uns F. dann, welche tollen, neuen Kontakte sich in der letzten Zeit wieder einmal beim U-Bahn-Fahren und beim Joggen im Wienerwald ergeben haben. Man wird sehen, was sich daraus entwickelt. Sie ist unsere Älteste, und damit 74 Jahre alt!

An meiner Seite sitzt meine herzallerliebste Freundin R. Sie ist extra mit dem Zug aus Linz angereist. Seit Neuestem muss sie beim Kaufen der Tickets neben den Pensionisten-Ausweis auch noch immer ihren Führerschein herzeigen, weil einfach niemand glauben will, dass sie bereits 60 und nicht 40 Jahre alt ist. Kein Wunder, tolle, durchtrainierte Fgur, dafür sorgt das Fitnesscenter ihres Vertrauens, aber das alleine macht sie noch lange nicht jung, sondern ihr lebendiges, waches und interessiertes Auftreten, die Neugier auf das Leben. Wir zwei beschließen, das heurige Jahr wird unser Jahr, wir wollen es so richtig genießen mit allem, was es uns bringen mag.

Die Gespräche unserer Gruppe drehen sich nun um Menschen, die nichts mehr riskieren wollen, denn dafür hätten sie schon zu viel erlebt, oder nichts mehr Neues lernen, oder anschaffen wollen, weil dafür wäre es jetzt eh schon zu spät. Und wie arm diese Menschen sind, weil sie sich und ihr Leben schon so weit aufgegeben haben.

Gleichzeitig erfreuen wir uns an unserem jüngsten Paar (21 ), welches sich verliebt in die Augen sieht und händchenhaltend am Tisch sitzt. Keiner von uns käme dabei auf wehmütige Gedanken, ach ja, wie schön war es in der Jugend, etc....Ein paar von uns haben wesentlich jüngere Partner, eine sogar 2 davon, und die Singles unter uns sind schon ganz gespannt, wer in diesem Jahr auf sie kommen wird.

In einem sind wir uns alle einig, wir verstellen uns nicht, wir sagen was Sache ist, wir tragen unser Herz auf der Zunge, wir stehen zu unseren Gefühlen, wenn wir welche haben, und drücken diese auch aus. Wir präsentieren nicht nur unsere Schokoladeseite, sondern wir zeigen, wer wir wirklich sind, und wir fühlen uns mit unserer authentischen Haltung wohl und gelassen. Wir wollen unsere Zeit nicht verschwenden, mit Gedanken darüber, was passiert, wenn ich das oder das sage, wie wird die/derjenige reagieren? Und was sage, oder tue ich danach, und wie wird das ankommen, und, und, und......

Was kann denn schon passieren, wenn man jemanden sagt, dass man tiefe Gefühle für sie/ihn hat? Mehr, als die/derjenige antwortet: Und ich habe sie aber nicht für Dich, oder möglichst schnell die Flucht ergreift, kann nicht geschehen. Somit kennt man sich aus, und es ist klar, dieser Mensch passt halt doch nicht. Dann braucht man nicht monatelang bangen, hoffen, sich verbiegen, um letztendlich einzusehen, all die Liebesmühe war umsonst. Darüber sind wir uns alle, unabhängig von Alter und Geschlecht, einig.

Und so bin ich schon sehr gespannt, um wie viele neue Partner(innen) unsere illustre Runde nächstes Jahr bereichert wird!