Als Kind verbrachte ich die Sommermonate in der Oststeiermark, in einem sehr kleinen Dorf. Dort lebte vom Frühling bis in den Herbst hinein, meine Oma, die auch mit fast jedem Dorfbewohner verwandt war. Wir wohnten in einem kleinen, weiß gekalkten Steinhaus, ohne Strom, ohne Wasser, und es war herrlich aufregend! Hinter dem Haus befand sich auf einer Wiese eine Holzhütte, mit ausgeschnittenem Herzen an der Tür, das war der Abbort. Heute wäre das unvorstellbar, schon aus hygienischen Gründen, aber merkwürdiger Weise, sind wir damals nie krank geworden! Ich erinnere mich noch gut daran, als ich eines Morgens mit nackten Füssen über das taufrische Gras zum Abbort lief, und dann kam eine riesige Kuh und verstellte mir den Ausgang, sodass ich eingesperrt ausharren musste, bis endlich meine Oma kam und mich befreite. ......Wir Kinder hatten die absolute Freiheit, wir spielten mit kleinen Babykätzchen, die es immer auf irgend einen Bauernhof gab, und wir waren überall gerne gesehen. Wir sprangen vom Dach in den Heuhaufen(oh Gott, wenn ich das bei meinen Kindern gesehen hätte, hätte mich wahrscheinlich der Schlag getroffen), aßen selbstgebackenes Brot mit Paradeisern aus dem Garten, und wie intensiv und köstlich die damals noch schmeckten! Oder wir fuhren mit dem Heuwagen rüttelnd und schaukelnd auf das Feld, auch das sogenannte "Kuah holden" war eine Beschäftigung. Da wurde jede einzelne Kuh mithilfe eines Stricks persönlich auf die Weide gebracht. Wenn die kleine Kapelle im Ort 12 Uhr schug, musste ich alles stehen und liegen lassen, denn dann war Essenszeit. So ca. 15 Leute versammelten sich rund um einen langen Holztisch. Meine Oma und weitere 2 Bäuerinnen verbrachten jeden Vormittag damit, für alle zu kochen, und alle langten kräftig zu. Danach mussten, wir Kinder rasten. Wir lagen in Holzliegestühlen auf der Wiese, die übrigens sehr gefährlich waren, (die Stühle, nicht die Wiese)man konnte sich die Finger abquetschen, wenn man zwischen die Latten griff. Meiner Oma fehlte deshalb ein Fingerglied. Um uns herum summte und brummte es, wir zählten die Wolken am strahlend blauen Himmel - mir kommt vor, der Himmel war früher blauer - und dösten vor uns hin. Danach wieder Freiheit!! Wir besuchten die gelben, flauschigen Küken, die in einem Korb am gemauerten Ofen standen, oder holten uns unsere Nachspeise direkt vom Strauch, Himbeeren, Brombeeren, Erdbeeren.... Die Dorfstraße war unser Spielplatz, wenn alle paar Tage einmal ein Auto durchfuhr, war das schon etwas Besonderes, und zweimal am Tag, morgens und abends, hielt ein alter, klappriger Postbus. An besonders heißen Sommertagen machten wir uns unser Eis selbst, trugen es ins Eishaus, eine Art riesiger, begehbarer Tiefkühlschrank, indem jeder Dorfbewohner sein eigenes Tiefkühlfach hatte, und warteten ungeduldig, bis es endlich gefroren war. Welch ein Genuss!! Wenn es abends finster wurde, hieß das, es wird Zeit zum Schlafengehen.......Jetzt könnte man glauben, meine Kindheit muss schon vor mindestens 100 Jahren stattgefunden haben, aber es sind "erst" 40 Jahre. Heute ist das kleine Dorf, ein großes, mit vielen neuen Einfamlienhäuser und einer Menge Pensionen (die Therme Loipersdorf liegt nicht weit entfernt). Das alte Steinhaus steht schon längst nicht mehr und aus dem kleinen Wirtshaus am Ortsrand ist ein großes Gasthaus geworden, immer vollbesetzt mit Touristen. Die Dorfstraße ist kein Spielplatz mehr, sondern stark frequentiert von Gästen auf der Suche nach einen der Buschenschänken der Umgebung, und der moderne Postbus hält jede Stunde im Ort. Da kommt wirklich Wehmut auf! Das Leben vor 40 Jahren mag für die Bauern sehr hart gewesen sein, aber für uns Kinder war es das reinste Paradies!